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03.08.13 / Ankara ängstigt Investoren / Kurzfristig finanziertes Leistungsbilanzdefizit wird zur Gefahr

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-13 vom 03. August 2013

Ankara ängstigt Investoren
Kurzfristig finanziertes Leistungsbilanzdefizit wird zur Gefahr

Das lange Zeit bejubelte türkische „Wirtschaftswunder“ droht unter die Räder zu kommen. Die Schwellenländer Südafrika, Brasilien, Indien und die Türkei haben ihre besten Zeiten hinter sich, so der Wirtschaftsanalyst Nouriel Roubini. Wegen seiner treffsicheren Prognosen zur US-Immobilienkrise mit einigem Renomèe ausgestattet, sieht Roubini für diese Länder nicht etwa einen langsamen Rückgang des Wirtschaftswachstums, sondern einen regelrechten Einbruch voraus. Dass sich Schwellenländer binnen kürzester Zeit ihrer wirtschaftlichen Schwächen entledigen und zu Wirtschaftsmächten aufsteigen, sei ein Irrglaube der vergangenen Jahre gewesen.

Der Anlass für Roubinis Besorgnis sind die ausufernden Leistungsbilanzdefizite einiger Schwellenländer. Im Fall der Türkei ist das Defizit im vergangenen Jahr auf 5,9 Prozent der Wirtschaftsleistung gestiegen. Da die Türkei ihr Leistungsbilanzdefizit über kurzfristige Kredite finanziert, ist die finanzielle Basis sehr fragil. Wittern die Kreditgeber Gefahr, dann wird dieses Kurzfristkapital im Nu abgezogen oder es werden hohe Risikozuschläge verlangt. Genau dies ist bei der Türkei nun der Fall. Für das Land wird es immer teurer, neue Schulden aufzunehmen. Dafür, dass diese unheilvolle Entwicklung sogar noch verstärkt wird, hat der türkische Premier Recep Tayyip Erdgogan selbst gesorgt. Wurde durch das rabiate Vorgehen gegen die türkische Protestbewegung das Image als Boomland schon genug beschädigt, richtet eine wirtschaftsfeindliche Stimmungsmache Erdogans nun weiteren Flurschaden an. Wahlweise wird aus Ankara gegen die Finanzmärkte, die „Zins-Mafia“ der Banken oder ausländische Investoren gewettert. Ins Visier geraten sind vor allem die Unternehmer, denen eine Unterstützung der Protestbewegung um den Gezi-Park nachgesagt wird. Zu spüren bekommen hat diesen Kurs bereits die Koç-Holding, der größte Konzern der Türkei. Nachdem Mitglieder der Koç-Familie die Anti-Erdogan-Protestbewegung unterstützt hatten, ermittelt die türkische Finanzbehörde nun gegen drei Unternehmen der Gruppe. Der Vorwurf lautet Steuerhinterziehung. Nicht nur für Regierungskritiker sieht dies wie ein Racheakt Erdogans aus.

Inzwischen gibt auch die Personalpolitik des Premiers Investoren zu denken. Während der als Fachmann geltende Wirtschaftsminister Ali Babacan vor dem Ende seiner politischen Karriere steht, hat Erdogan nun einen neuen wirtschaftspolitischen Chefberater engagiert, dem ein zweifelhafter Ruf vorauseilt: Yigit Bulut. Der Finanzanalyst setzt auf eine starke Rolle der Politik in der türkischen Wirtschaft. Mehr noch als mit solchen Ansichten sorgt Erdogans neuer Mann mit abstrusen Verschwörungstheorien für Aufsehen. Mal schwadroniert er über Leute, die Erdogan mit Telekinese umbringen wollen, mal ist es die deutsche Lufthansa, die ins Visier von Erdogans Wirtschaftsberater gerät. Die Fluglinie sei der eigentliche Anstifter der Proteste im Gezi-Park, so Bulut unlängst. Das dem deutschen Unternehmen unterstellte Motiv: Die Lufthansa habe Furcht vor dem geplanten neuen Mega-Flughafen in Istanbul. N.H.


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