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03.08.13 / Erinnern an Workuta / Der Aufstand von 1953

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-13 vom 03. August 2013

Erinnern an Workuta
Der Aufstand von 1953

„Es war ein ungewöhnlich warmer Tag, an dem sie in Workuta starben ... Wir standen dicht gedrängt in der Lagerstraße, die zum Tor führte. Wir waren tausend … Die anderen, die dort hinter dem Tor standen, zählten nur einige hundert. Aber sie hatten Waffen … Wir hatten nur unsere Fäuste. Und die Verzweiflung … Und irgendjemand von uns sagte: ‚Keine Angst, Freunde, sie werden nicht schießen!‘ Dann schossen sie … Und unsere Schreie nach Freiheit verwandelten sich in Schreie der Schmerzen und des Todes.“ So die Erinnerung Horst Schülers in seinem Geleitwort zur Sammlung von Beiträgen das Lager Workuta und den Aufstand vom 1. August 1953 betreffend.

Workuta ist ein riesiges Steinkohle-Fördergebiet. Unter den Zaren schien die Arbeit 120 Kilometer nördlich des Polarkreises unzumutbar. Stalin war anderer Ansicht. Wohl zwei Millionen Arbeitssklaven mussten dort über Jahrzehnte hinweg unter unsäglichen Bedingungen schuften, Hunderttausende sind dabei elend umgekommen. Misshandlung, Kälte, Hunger. Aus allen Völkern der Sowjetunion stammten die Opfer und aus allen Gebieten, die von den Sowjets beherrscht wurden.

Der Aufstand, von dem hier die Rede ist, hat in der Geschichte aller Lager wohl einen einmaligen Rang. Am 5. März 1953 war der ebenso gehasste, wie gefürchtete Josef Stalin gestorben. Sein Tod löste die Hoffnung auf ein Tauwetter aus. So kam es zum Arbeiteraufstand in der DDR am 17. Juni. Etwa gleichzeitig wurde „Stalins Himmler“ wegen „Spionage“ verhaftet, Lawrentij Berija, der zum inneren Zirkel des allmächtigen Politbüros der KPSU gehört hatte. War das nicht ein Signal? Doch die Hoffnung trog, Hunderte wurden verletzt, über 60 von den Kugeln tödlich getroffen.

In „Der Aufstand“ kommen ehemalige Häftlinge zu Wort, die dank der Standhaftigkeit Konrad Adenauers 1955/1956 die Freiheit wieder erlangt hatten, ferner Wissenschaftler, die tiefen Anteil nehmen am Los der Überlebenden. So befasst sich ein Beitrag mit der Geschichte der Lagergemeinschaft Workuta, ein anderer mit Stalins Tod: „Endlich hat ihn die Hölle wieder …“ Werner Gumpel, auch er ein Ex-Häftling, titelt: „Die Opfer der Streikenden waren nicht vergebens.“

Russland hat inzwischen alle Opfer rehabilitiert. Doch weshalb waren sie verurteilt worden? „Sie wollten nicht noch einmal in einen diktatorischen Sumpf geraten“, schreibt Gerald Wiemers über Horst Hennig und seine Freunde. Doch sie wurden brutal bestraft. Jahrelang mussten sie Sklavendienste verrichten unter dem zynischen Transparent: „Ich werde meine große Schuld durch gute Arbeit abbüßen.“ Wie sich doch die Lager der Roten und der Braunen gleichen! In Auschwitz stand zu lesen: „Arbeit macht frei.“

„Seine Verdienste“, so fasst es Karl Wilhelm Fricke zusammen, „sind um so höher zu veranschlagen, als Horst Schüler, Jahrgang 1924, in zweifacher Hinsicht Opfer der zwei Diktaturen ist, die Deutschland im 20. Jahrhundert heimgesucht haben. Sein Vater … ist 1942 im KZ Sachsenhausen umgekommen – und er selbst war von 1951 bis 1955 Häftling des GULag-Systems.“

„Das Wort Workuta verschwand völlig aus dem Bewusstsein. Es ist heute vergessen“, schreibt Wolfgang Schuller gegen Ende seines Beitrages „Elementares Aufbegehren“. Möge das Buch „Der Aufstand“ dazu beitragen, dass es in unserem Volke zu einer Rückbesinnung kommt. Konrad Löw

Gerald Wiemers (Hrsg.) in Zusammenarbeit mit der „Lagergemeinschaft Workuta/GULag“: „Der Aufstand. Zur Chronik des Generalstreiks 1953 in Workuta, Lager 10, Schacht 29“, Leipziger Universitätsverlag 2013, 168 Seiten, 24 Euro


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