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03.08.13 / Gescheiterte Denunzianten / Autor nennt spätere Leistungen ehemaliger Flakhelfer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-13 vom 03. August 2013

Gescheiterte Denunzianten
Autor nennt spätere Leistungen ehemaliger Flakhelfer

Im Jahr 2002 schrieb Günter Grass in seiner Novelle „Im Krebsgang“: „Die Geschichte, genauer, die von uns angerührte Geschichte, ist ein verstopftes Klo. Wir spülen und spülen, die Scheiße kommt dennoch hoch.“ Dieser unerfreuliche Zustand wird laut Malte Herwig in seinem Buch „Die Flakhelfer. Wie aus Hitlers jüngsten Parteimitgliedern Deutschlands führende Demokraten wurden“ ganz wesentlich dadurch verursacht, dass es in Deutschland eine „Kultur des Denunziatorischen“ gebe – auch und gerade in Bezug auf das, was irgendwie mit dem Nationalsozialismus assoziiert werden könne. Dies bekämen nicht zuletzt die Angehörigen der sogenannten Flakhelfer-Generation zu spüren, also der Geburtsjahrgänge von 1926 bis 1928, die als Jugendliche Dienst an der Waffe tun mussten und zugleich nicht selten noch kurz vor „Toresschluss“ nationalsozialistischen Organisationen vom Schlage der NSDAP oder SS beitraten, so wie beispielsweise eben der spätere Nobelpreisträger Grass selbst sowie eine Vielzahl weiterer Künstler, Politiker und Wissenschaftler, welche das spätere öffentliche Leben in der Bundesrepublik Deutschland entscheidend mitgeprägt haben.

An der Spitze der Ankläger standen dabei die 68er, denen es quasi ein Herzensbedürfnis war, die Angehörigen der Vätergeneration pauschal unter den Generalverdacht zu stellen, entweder stramme Nazis oder rückgratlose Mitläufer gewesen zu sein. Dabei übersahen sie allerdings laut Herwig, welcher übrigens 1972 geboren wurde und sich nach eigenen Worten nicht „um Schuldzuweisungen, sondern um Verständnis“ bemüht, einen ganz wesentlichen Umstand: „Indem wir über die Flakhelfer richten, richten wir über uns selbst“! Zwar könnten sich all die selbsternannten „Antifaschisten“ von 1968, aber auch späterer Jahre, noch entspannt zurücklehnen und ihre penetrante Selbstgerechtigkeit zelebrieren, wenn es um den Nationalsozialismus gehe: „Nie in Versuchung geführt, haben wir alles richtig gemacht.“ Ansonsten aber leben die Richter über die Epoche von 1933 bis 1945 längst selbst in einer Zeit heikler moralischer Prüfungen – und die Nachwelt werde sicher keinesfalls darauf verzichten, dereinst über das Tun und Lassen der „Aufarbeiter“ zu urteilen, welche über ihr permanentes Gaffen auf die angeblich verbrecherische Vergangenheit anderer und über ihren albern-blindwütigen Kampf gegen „Rechts“ übersähen, dass es jetzt an ihnen sei, sich um die Gegenwart und die Zukunft des deutschen Volkes zu kümmern.

Jedenfalls, so Herwig weiter, könnten auch durch den Nationalsozialismus gebrochene Biografien lehrreich und vorbildlich sein. Diese Behauptung untermauert er dann mit Blick auf Persönlichkeiten wie Hans-Dietrich Genscher, Hans Werner Henze, Peter Boenisch, Erich Loest und Walter Jens. In deren Lebensläufe sollten sich die sorglos in Demokratie und „Wirtschaftswunder“ großgewordenen „Antifaschisten“ wirklich einmal ernsthaft einfühlen, dann würden sie begreifen, dass die Nachkriegskarrieren von „belasteten“ Personen kein Indiz für das Fortleben nationalsozialistischen Gedankengutes in der bundesrepublikanischen Gesellschaft seien, sondern ein Lehrstück über die Verführbarkeit grundsätzlich jedes Menschen sowie aber auch über die Chancen, sich grundlegend zu ändern.

Letzteres hielten übrigens sogar die sowjetischen Besatzer für möglich, denen man wohl manches vorwerfen kann, aber bestimmt keine Sympathie für Nazis. Niemand anders als die Militäradministration in der Ostzone nämlich gab bereits 1948 einen Amnestieerlass heraus, wonach Hitlerjungen, die zwischen 1943 und 1945 in die NSDAP eingetreten waren, als „entlastet“ galten. Mögen sich die immer noch eifernden Nachgeborenen auf dem Boden der Bundesrepublik hieran ein Beispiel nehmen. Und vielleicht auch einmal einen Blick in Herwigs Buch werfen, das zwar ab und an etwas redundant und zettelkastenmäßig daherkommt, aber auf jeden Fall eine Vielzahl von bemerkenswerten Denkanstößen zum Thema Umgang mit der „Nazivergangenheit“ bietet. Wolfgang Kaufmann

Malte Herwig: „Die Flakhelfer. Wie aus Hitlers jüngsten Parteimitgliedern Deutschlands führende Demokraten wurden“, DVA, München 2013, geb., 319 Seiten, 22,99 Euro


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