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10.08.13 / Atomruinen statt Versorgungssicherheit / Fehlende Investitionen: Russische Energiekonzerne können nicht flächendeckend Strom liefern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-13 vom 10. August 2013

Atomruinen statt Versorgungssicherheit
Fehlende Investitionen: Russische Energiekonzerne können nicht flächendeckend Strom liefern

Dem Energieriesen Russland fehlt es vielerorts selbst an der nötigen Versorgung mit Gas und Strom. Ehrgeizige Projekte wie der Bau des Kernkraftwerks „Baltijskaja“ in der Nähe des ostpreußischen Ortes Ragnit sollten Abhilfe schaffen. Mit Stromexporten sollte das Milliardenprojekt gegenfinanziert werden, doch kurz nach Baubeginn wurde das Projekt gestoppt. Ein Blick auf die russische Energiebranche zeigt, dass Fehlplanungen und -investitionen an der Tagesordnung sind.

Das in der Region äußerst umstrittene Atomkraftwerk „Baltijskaja“ im Königsberger Gebiet mit zwei geplanten 1200-Megawatt-Reaktoren sollte nicht nur die knapp eine Million Einwohner der Exklave mit Strom versorgen, sondern die Überschüsse wollte Betreiber „Rosatom“ ins benachbarte Baltikum exportieren. Aber schon vor Baubeginn war klar, dass keine Abnehmer da sein würden. Gebaut wurde trotzdem. Im Mai entschied Präsident Wladimir Putin höchstpersönlich, dass der Weiterbau auf unbestimmte Zeit verschoben werde.

So wie im Königsberger Gebiet geht es auch andernorts. Im Gebiet Nischnij Nowgorod nahe der 12000-Einwohner-Stadt Murom plant Rosatom seit 2006 ein AKW, die Projektplanung schreitet seitdem voran, aber gebaut wurde bislang nichts, dafür aber Haushaltsgelder verbrannt. In vielen russischen Regionen hinterlässt Rosatom brachliegende Bau-stellen:  im Raum St. Petersburg ebenso wie in der Provinz.

Inzwischen regt sich Kritik an der Praxis, die Atomlobby mit Geldern aus dem Staatsbudget zu füttern, obwohl die finanzierten Großbaustellen nie fertiggestellt werden. Vor allem der Oppositionspolitiker Alexej Nawalnyj beschuldigt Putin, seine korrupte Umgebung mit Staatsaufträgen und Steuergeldern zu versorgen.

Öko-Aktivisten fordern, den Bau von Gas-Kraftwerken zu forcieren, da diese schneller gebaut werden können, effektiver und ökologisch sauber seien. Darüber hinaus würde weniger Geld verschwendet. Es könne nicht länger angehen, dass Rosatom Gelder einstreicht und dann nicht liefere.

Insgesamt liegt bei der Stromversorgung des Energieexporteurs Russland zu Hause vieles im Argen. Immer noch sind viele Regionen unterversorgt, weil Strom- und Gasleitungen entweder fehlen oder hoffnungslos veraltet sind. 30 Jahre alte Stromleitungen passen mit modernen Elektrogeräten nicht zusammen. In Netzausbau und -modernisierung wurde seit dem Ende der Sowjetunion kaum investiert. So sind Ausfälle wie kürzlich in der Moskauer Metro, als ein Zug in einem Tunnel steckenblieb, oder die Tatsache, dass jeder vierte Brand in Russland durch marode Stromleitungen hervorgerufen wird, zu erklären. Es existieren weder Verzeichnisse über Netze oder Gasleitungen, noch gibt es einheitliche Standards für Stromkabel. Experten gehen davon aus, dass ein Fünftel des Stromverbrauchs durch Modernisierungen eingespart werden könnte. Dass dies nicht geschieht, liegt wiederum an dem Unwillen der Staatskonzerne zu investieren. Gazprom lehnt jegliche Zusammenarbeit mit kommunalen Versorgern ab. Einheitliche Standards, Transparenz in der Preisgestaltung und eine flächendeckende Anbindung der Endverbraucher an Strom- oder Gasnetze können oft nicht hergestellt werden. Die Verbraucher rächen sich, indem sie einfach nicht zahlen. Es ist auch keine Seltenheit, dass Gasleitungen mangels Absprache mit den Behörden vor Ort dort gebaut werden, wo es gar keine Abnehmer gibt. Für die Energieriesen kein Problem, denn ihre Rechnung zahlt ja Vater Staat.

Fabriken wie die Aluminiumschmelzen des Konzerns Rusal des Milliardärs Oleg Deripaska in Sibirien benötigen große Strommengen. Im Süden der Werke liegt das größte Wasserkraftwerk Russlands. Die über einen Kilometer lange und 242 Meter hohe Staumauer der Talsperre des einstigen sowjetischen Vorzeige-Kraftwerks Sajano-Schuschenskaja hält das Wasser des Jenissej zurück. Die Staumauer wurde von 1968 bis 1978 gebaut, sie soll sogar Erdbeben der Stärke acht aushalten. 2009 verloren 75 Menschen hier ihr Leben, als eine der zehn großen Turbinen aufgrund von Materialschwäche zerbarst. Mangelhafte Wartung war die Ursache. Ähnliches könnte sich jederzeit auch in anderen russischen Kraftwerken ereignen, denn in der Regel sind diese über 30 Jahre alt.

Eigentlich sollte die Regierung auf Investitionen in die Energieversorgung drängen, da sich im ersten Halbjahr dieses Jahres eine Rezession bemerkbar macht. Eine Modernisierung der Energieversorgung neben einem verbesserten Investitionsklima könnte den freien Fall der Wirtschaft abfangen.

Positive Beispiele wie das der Hafenstadt Taganrog am Asowschen Meer zeigen, dass sich auch ohne den Segen Mos-kaus etwas bewegen lässt. Hier hat die „Russische Netze GmbH“ gemeinsam mit der Metallfabrik sowie dem Eisen- und Stahlexporteur „Tagmet“ das Problem der Stromversorgung selbst gelöst, indem sie das Umspannwerk „Petschnaja“ in Eigenregie ausbauten. Manuela Rosenthal-Kappi


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