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10.08.13 / Mauernarben / In Stahnsdorf hinterließ die Zeit Spuren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-13 vom 10. August 2013

Mauernarben
In Stahnsdorf hinterließ die Zeit Spuren

Und wieder einmal jährt sich der Tag des Mauerbaus. 52 Jahre ist es nun her, dass an einem Sonntag im August die Welt den Atem anhielt. Ältere Bürger, die sich noch gut an diesen Tag erinnern können, berichten davon, wie es ihnen erging.

So erzählt ein älterer Herr aus Stahnsdorf, dass man die von den Bewohnern des Berliner Umlandes sehr beliebte „Stahnsdorfer Bahn“, die nach Berlin-Wannsee fuhr und weiter in die Stadt, an diesem Tag nicht mehr benutzen konnte. Seine ganze Schul- und Ausbildungszeit sei er mit der Bahn vom Dorf nach Berlin gefahren, sagt er. Am 13. August 1961 war Schluss. 1913 hatte die S-Bahn ihren Betrieb aufgenommen. Der Ort Stahnsdorf feierte sogar vor Kurzem das 100-jährige Bestehen der Bahn, die so lange das Umland mit der Metropole Berlin verband.

„Bei vielen liefen die Tränen“, berichtet der alte Mann, als man im Kalten Krieg sogar das Stahnsdorfer Bahnhofsgebäude ganz abriss. Die DDR-Bürger sollten nicht täglich an einem Bahnhof vorbei gehen, der ins Nichts führt. Türen des Bahnhofs wurden zu privaten Garagentoren umfunktioniert, die Mauern abgerissen. Man konnte alles gebrauchen in einem Staat, wo Mangel an der Tagesordnung war. Noch heute, 24 Jahre nach dem Mauerfall, liegt dort alles im Dornröschenschlaf. Es wächst noch immer Gras über die Anlagen. In den Köpfen vieler dort lebender Menschen bleibt die Bahn in wehmütiger Erinnerung.

Das auch als „Leichenbahn“ bezeichnete Transportmittel verband Berliner Kirchengemeinden mit dem wunderbar gelegenen Südwestkirchhof Stahnsdorf. Mit dieser Bahn reiste der berühmte „Pinsel-Heinrich“, „Heinrich Zil­le“ im Sommer 1929 als Leichnam zu seiner letzten Ruhestätte auf den Waldfriedhof. Hunderte Berliner begleiteten ihn zu seinem Grab. Viele Berühmtheiten wurden hier bestattet. Um nur einige zu nennen: Unternehmensgründer Werner von Siemens, der ostpreußische Maler Lovis Co­rinth, Autokonstrukteur Edmund Rumpler, Filmregisseur Friedrich Wilhelm Murnau, oder Opernkomponist Engelbert Humperdinck.

Ab 1961 konnten sie und alle anderen Bestatteten von ihren Angehörigen aus dem Westen, aber auch von interessierten Westbürgern, nicht mehr besucht werden. Aus grenztechnischen Gründen legte die DDR den Verlauf der alten Autobahn von Berlin nach Westdeutschland um. Auf diese Weise wurden alte Schienenstrecken der Stahnsdorfer S-Bahn endgültig vernichtet. Das und fehlende finanzielle Mittel machen eine Wiederbelebung der einstmals sehr begehrten S-Bahnstrecke schwierig.

Wer heute durch das Berliner Umland spaziert, entdeckt noch viele Spuren einer Zeit, die zum Glück vorbei ist. Doch noch sind nicht alle Narben verheilt. Silvia Friedrich


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