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10.08.13 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel / Peer war dabei! / Warum Merkel nichts von der EU versteht, was Ex-DDR-Bewohner alles wiedererkennen, und wieso Rassismus nicht immer Rassismus ist

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-13 vom 10. August 2013

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Peer war dabei! / Warum Merkel nichts von der EU versteht, was Ex-DDR-Bewohner alles wiedererkennen, und wieso Rassismus nicht immer Rassismus ist

Da hat er’s der Merkel aber gegeben! Die Kanzlerin sei nicht so EU-begeistert wie er, weil sie in der DDR aufgewachsen sei, stichelt SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück: „Die Tatsache, dass sie jedenfalls bis 1989/90 eine ganz andere persönliche und politische Sozialisation erlebt hat als die, die diese europäische Integration seit Anfang der 1950er Jahre erlebt haben, beginnend mit den Montanverträgen, das spielt in meinen Augen schon eine Rolle.“

Die Montanverträge, das war die Gründung der „Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl“ (EGKS), die der Keim der Europäischen Union war. Geschlossen wurde der EGKS-Vertrag im Frühjahr 1951. Peer Steinbrück hat das „erlebt“, „persönlich und politisch“. Da war er nämlich gerade vier geworden und es ist doch ganz klar, dass er mit seinen Freunden beim Backe-Backe-Kuchen in der Sandkiste über nichts anderes gesprochen hat als über die Koordinierung der Kohle- und Stahlproduktion in Westdeutschland, Frankreich, Italien und Benelux als Keimzelle zur Entwicklung der Perspektive eines friedlich vereinten Europas. Worüber sollten Vierjährige denn sonst reden?

Tja, und da war Angela Merkel eben nicht dabei, ätsch! Erstens, weil sie noch gar nicht geboren war und zweitens, weil sie kurz nach ihrer Geburt (wie Steinbrück in Hamburg) in die DDR verbracht wurde. Heute kann sie ganz Deutschland im mediterranen Schuldensumpf versenken, wir glauben ihr einfach nicht, dass sie mit vollem Herzen beim Euro-Hasard dabei ist.

Die Ossis verstehen die EU nämlich nicht. Oder sie verstehen sie einfach ganz anders als wir, die wir von Anfang an dabei und immer dafür waren.

Oder sie sind die einzigen, die die EU wirklich verstehen, gerade weil sie DDR-Bewohner waren. Eine gewaltige Bürokratie, bevölkert von Zigtausenden grauer Gestalten, die ihre Überflüssigkeit dadurch übertünchen, dass sie die Bürger ständig mit neuen, überflüssigen und teilweise vollkommen blödsinnigen Verordnungen behelligen? Oben drauf eine Bonzenriege, die von keinem Volk gewählt, sondern in Hinterzimmerklüngeln ausgepokert wurde? „Kontrolliert“ von einem Parlament, das niemanden interessiert, weil es von großen Blöcken beherrscht wird, die in allen wichtigen Fragen ohnehin geschlossen zur Führung stehen?

Das alles müsste den DDR-gestählten Bundesbürgern recht bekannt erscheinen, ebenso wie das hier: Im Jahre 2000 „beschlossen“ die Staats- und Regierungschefs der EU in Lissabon, dass die Union bis 2010 zur wirtschaftlich dynamischsten und wettbewerbsfähigsten Region der Welt aufsteige. Westdeutsche rieben sich verdutzt die Augen: Technokraten schreiben auf Papier, wie sich die gesamte Wirtschaft in den kommenden zehn Jahren entwickeln wird und Politiker „beschließen“ das dann ganz einfach? So etwas geht doch gar nicht in einer Marktwirtschaft! Das hat’s ja noch nie gegeben.

Ach ja? Für die Landsleute mit DDR-Biografie war das keineswegs neu: Bei ihnen hieß das nur nicht „Lissabon-Prozess“, sondern „Fünfjahresplan“, woran man sehen kann, wie gut wir mit der Entwicklung der Planwirtschaft vorangekommen sind. Die DDR-Technokraten trauten sich nur fünf Jahre, ihre überlegenen eurokratischen Erben blicken gleich doppelt so weit in die Zukunft.

Dafür sind die glänzenden Resultate wieder recht ähnlich: Nach erfolgreichem Abschluss des „Lissabon-Prozesses“ waren etliche EU-Staaten hoffnungsvoll zurück­gefallen gegenüber ihren internationalen Konkurrenten, heute wankt die EU-Gemeinde am Rande des Bankrotts und man ist schon froh, wenn die Pleite sich wenigstens noch ein bisschen hinausschieben lässt.

Derweil unterhält uns die Führung mit bizarren Fortschrittsberichten: Wolfgang Schäuble berichtet voller Zuversicht, wie stürmisch wir bei der Lösung der großen Probleme vorankommen. Westdeutsche schütteln atemlos den Kopf über solchen Blödsinn, während ihren Landsleuten in Dresden solcherlei Wirklichkeitsverdrängung vollkommen vertraut ist – aus der „Aktuellen Kamera“.

Noch etwas haben heutige Politiker von ihren DDR-Kollegen gelernt: Je mehr deine Hilflosigkeit gegenüber echten Problemen sichtbar wird, desto lauter stürze dich auf Scheinprobleme. Und blase die Bedrohung durch einen bösen Feind der Menschheit so fruchterregend auf, dass alle Angst bekommen. Dann folgen sie dir wieder.

Die SPD weiß, wie beides geht: Für die Zeit nach der Wahl hat sie einen „Masterplan gegen Rechtsextremismus“ vorgelegt. Der ist nämlich viel gefährlicher als alles andere zusammen. Das Wichtigste: Es soll mehr Geld geben für Initiativen gegen Rechts, und zwar auf Dauer. Schließlich verdienen die verdienten Genossinnen und Genossen, die man dort beruflich unterbringen wird, eine stabile Zukunfts­perspektive. Diese sollen unter anderem der Polizei und der Justiz schärfer auf die Finger gucken wegen rassistischer Entgleisungen.

Vorgestellt haben den „Masterplan“ der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann, und die Bremer Erziehungswissenschaftlerin Yasemin Karakasoglu, die in Steinbrücks Schattenkabinett für Bildung zuständig ist. Karakasoglu ist mit dem Phänomen Extremismus durchaus vertraut, allerdings anders, als man es sich hier vielleicht denken mag. Laut Alice Schwarzer unterhält die Professorin merkwürdig gute Beziehungen zu bekannten Islamisten in Deutschland, sie sei die „hervorragende Stimme der Pro-Kopftuch-Szene“, obschon sie selbst keines trägt, so Schwarzer 2006.

Aber darf man radikalen Islamismus überhaupt Extremismus nennen? Gute Frage, denn bestimmt gibt es bereits Verdikte, die solche Einordnungen selbst als „islamfeindlichen Rassismus“ aburteilen. Rassismus ist übrigens ausschließlich rechts, deutsch oder wenigstens europäischstämmig, also weiß. Schwarzen, moslemischen, linken oder gelben Rassismus gibt es nicht, wie wir aus dem Schulungsheft „Rassismus erkennen und bekämpfen“ lernen. Das Heft wird von Ursula von der Leyens Arbeits- und Sozialministerium finanziert und in großer Zahl an Schulen verteilt.

Darin können die Schüler auch von der Wurzel des Modernen Rassismus erfahren: Er begann 1492 mit der Vertreibung der Mauren aus Spanien und mit der (europäischen!) Sklaverei. Davor gab es keinen Rassismus. Araber haben nie mit schwarzen Sklaven gehandelt. Als sehenswert wird den Schülern der Film „Django Unchained“ empfohlen. Darin metzelt ein geflohener Sklave in den US-Südstaaten grundböse Weiße zu Dutzenden auf alle erdenklichen Arten nieder. Der 2012 erschienene Streifen wird in dem Heft gelobt, weil da ein „Schwarzer mit der Institution Sklaverei aufräumt“. Und dabei so nebenher Leute in der Stärke einer halben Kompanie ausrottet.

Türkische Deutschenfeindlichkeit an deutschen Schulen existiert also gar nicht. Die Türken sind grundsätzlich Opfer, die bei „Django“ deftiges Anschauungsmaterial erhalten, wie man mit den „Kartoffeln“ mal richtig „aufräumen“ könnte.

Denn die deutschen Schüler sehen ja aus wie die Nachfahren der Sklaventreiber in dem Film, und historische Schuld ist immer kollektiv und erblich. Das wissen die Schüler aus dem Geschichtsunterricht. Dass über alle anderen Rassismen geschwiegen wird, hat natürlich seinen geschichtspädagogischen Grund: Man soll die deutsch-weiße Schuld ja nicht „relativieren“.

Diese Schuld ist schließlich auch ein Baustein der real existierenden EU. Deutschland ist dermaßen schuldig, dass keine Rechnung zu hoch erscheint und keine Forderung anderer zu frech, um „vor dem Hintergrund unserer unheilvollen Geschichte“ nicht als recht und (noch viel zu) billig zu erscheinen. Fragen Sie Peer Steinbrück! Der hat die ganze Geschichte schließlich „erlebt“, „persönlich und politisch“.


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