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17.08.13 / Waffen für Freund und Feind / Der Westen kann sich im Konflikt zwischen Muslimbruderschaft und Salafisten nicht entscheiden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-13 vom 17. August 2013

Waffen für Freund und Feind
Der Westen kann sich im Konflikt zwischen Muslimbruderschaft und Salafisten nicht entscheiden

Der Westen scheint beim Umgang mit den Umwälzungen in der arabischen Welt kein Rezept zu haben, auf welche politische Strömung er setzen soll. Ähnlich unvorbereitet wie der Westen auf den „Arabischen Frühling“ 2011 reagiert hat, hat er jetzt, zwei Jahre später, auf den Sturz der Muslimbruderschaft in Ägypten und ihres Konzeptes eines politischen Islam reagiert. Die Tatsache, dass Mohammed Mursi und seine Muslimbruderschaft durch Wahlen an die Macht gekommen waren, genügte offenbar, dass sich die USA und die EU nach dem Militärputsch auf seine Seite geschlagen haben. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sprach im Zusammenhang mit der Entmachtung der Muslimbrüder sogar von einem „Versagen der Demokratie“. Von einem Versagen Mursis im Vollzug seiner demokratischen Pflichten sprach er nicht. Volker Perthes, Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik, bezeichnete Mursis Sturz in einem Interview als „Rückschlag für den gemäßigten Islamismus“. Und er warnte davor, dass bei Neuwahlen die Salafisten zur stärksten politischen Kraft in Ägypten werden könnten. Nach dem Sturz Mursis hatten sich Politiker der EU und der USA um Vermittlung zwischen der neuen Regierung und den Anhängern des vom Militär gestürzten islamistischen Präsidenten Mursi bemüht. Das Militär war beim Sturz Mursis von den Salafisten unterstützt worden.

Was sich in Ägyptern ereignet, ist symptomatisch für die gesamte arabische Welt. Der entmachtete Mursi war im Zuge einer Revolution an die Macht gekommen, mit der ihn nichts verbunden hat. Als sich das Volk 2011 gegen den Langzeitpräsidenten Hosni Mubarak erhoben hatte, waren die Muslimbrüder zunächst gegen diesen Aufstand. Das Problem damals war, dass die liberalen Kräfte der Revolution über keine Strukturen verfügten, um die Macht zu übernehmen. In diesem kritischen Moment hatte Ägypten nur zwei Kräfte, die über eine entsprechende Organisation verfügten: die Armee und die Muslimbruderschaft. Die Muslimbruderschaft ist auch nach ihrem Sturz durch die Armee weiterhin eine starke politische Kraft und wird auch in jeder denkbaren Konstellation, und sei es in der Opposition, eine wichtige Rolle spielen. Mit dem „Arabischen Frühling“ waren aber auch die Salafisten stark geworden. Ihre Strukturen waren anfangs nicht so gefestigt wie die der Muslimbrüder. Deshalb waren ihre Wahlergebnisse noch nicht hoch genug, um allein zu regieren. Doch nun haben sie das Spiel der Politik sogar schneller gelernt als die Muslimbruderschaft.

Neben dem internen Konfliktpotenzial in Ägypten spielen auch die jeweiligen Fördermächte der Salafisten und Muslimbrüder in Ägypten eine maßgebliche Rolle. In Katar befinden sich mit Scheich al-Qaratawi und dem Fernsehsender Al-Dschasira zwei der wichtigsten Anknüpfungspunkte der weltweit vernetzten Muslimbruderschaft. Das kleine Scheichtum ist zum wichtigsten Geldgeber und zur Führungsmacht der Muslimbruderschaft geworden. Dabei spielt es aber eine Doppelstrategie. Einerseits investiert Katar aggressiv in westlichen Staaten, Investitionen die es als Zwergstaat mit immensen Geld- und Ölreserven zur Ausdehnung seiner Machtbasis braucht, andererseits hofiert es die Muslimbruderschaft, die Katar zu Einfluss in der arabischen Welt, den man mit Geld nicht kaufen kann, verhelfen soll.

Während es die Muslimbruderschaft schon seit 90 Jahren gibt, sind die Salafisten, die zurück zum Ur-Islam wollen, eine neuere Erscheinung im Islam. Sie haben in Saudi-Arabien ihren Hauptsponsor gefunden, weil das wahhabitische Königreich in den streng hierarchisch nach Emiraten strebenden Salafisten die einzige islamistische Kraft sieht, die die republikanisch gesinnten Muslimbrüder noch in Schach halten könnte. Saudi-Arabien ist jedoch als Ordnungsmacht neben Israel auch der Hauptverbündete des Westens in der Region. Die Salafisten haben sich nie von Al-Kaida und anderen Terrorgruppen abgegrenzt, die oft auch in Saudi-Arabien ihre Wurzeln hatten und in Osama Bin Laden ihren „Emir“ sahen. Es kommt für den Westen fast einer Quadratur des Kreises gleich, in diesem undurchschaubaren Kräfte- und Ränkespiel auf den richtigen Partner zu setzen, ohne sich selbst und die westlichen Werte zu verraten.

Ein gutes Beispiel für diesen Konflikt war die französische Intervention in Mali gegen die salafistischen Dschihadisten im Norden. Bei dieser Intervention mussten die Franzosen oft gegen Waffen kämpfen, die sie kurz zuvor erst an Saudi-Arabien geliefert hatten und die von diesen an die Rebellen in Nordmali weitergeliefert worden waren. Auch die deutschen Waffenlieferungen an Katar und Saudi-Arabien haben sich 2012 und im ersten Halbjahr dieses Jahres verdoppelt. Deutschland und der Westen liefern also beiden Hauptkontrahenten der sich abzeichnenden neuen ideologischen Front im Nahen Osten großzügig Waffen, die sich auch irgendwann in Syrien wiederfinden, weshalb dieser Bürgerkrieg trotz eines jahrelangen militärischen Patts nicht diplomatisch gelöst werden kann.

Bei Neuwahlen in Ägypten ohne Muslimbruderschaft könnten die Salafisten zur stärksten politischen Kraft aufsteigen. So könnte am Ende, nach Mursis gescheiterter Versuch, in Ägypten einen islamischen Staat zu errichten, ein islamistisches „Emirat“ Ägypten aus den Wahlurnen hervorgehen. Bodo Bost


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