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17.08.13 / Das Verschwinden der Mittelschicht / Was in den USA bereits sichtbar ist, droht nun wohl auch Deutschland

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-13 vom 17. August 2013

Das Verschwinden der Mittelschicht
Was in den USA bereits sichtbar ist, droht nun wohl auch Deutschland

Millionenfach sind in den Nachkriegsjahrzehnten einfache Arbeiter und Angestellte in die Mittelschicht aufgestiegen. Inzwischen geht die Entwicklung wieder in die andere Richtung. Der Absturz der US-Mittelschicht zeigt, was auf Deutschland zukommen könnte.

Es ist ein harter Befund, den das Pew Research Center fällt: Die letzten zehn Jahre waren für Amerikas Mittelklasse ein „verlorenes Jahrzehnt“. Den Beziehern mittlerer Einkommen geht es in den USA tatsächlich wirtschaftlich so schlecht wie lange nicht. Binnen einer Generation ist ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung von 61 auf 51 Prozent gesunken. Das Medianeinkommen – jener Wert, bei dem es genauso viele Menschen mit einem höheren wie mit einem niedrigeren Einkommen gibt, – ist laut OECD-Statistik inzwischen wieder auf den Wert von 1996 abgesunken. Als Ursache für diese Entwicklung wird regelmäßig ein ganzes Bündel von Gründen genannt.

Zum einen sind von den Globalisierungsfolgen – sprich Jobverlagerungen – inzwischen nicht mehr nur Fabrikarbeiter betroffen wie in den 90er Jahren, es trifft nun immer öfter Angestellte in Werbeagenturen, Verlagen und Banken. Damit frisst sich eine strukturelle Arbeitslosigkeit in den bisherigen Kern der Gesellschaft. Parallel hat der geplatzte kollektive Immobilienwahn das Vermögen vieler Amerikaner dahin schmelzen lassen. Eine Kostenexplosion bei der Universitätsausbildung in den letzten Jahren hat obendrein dafür gesorgt, dass für den eigenen Nachwuchs der Aufstieg durch Bildung zunehmend unerschwinglich geworden ist.

Inzwischen spricht vieles dafür, dass auch auf Deutschlands Mittelschicht ein „verlorenes“ Jahrzehnt zukommt. Ähnlich wie in den USA haben viele Deutsche, die bisher ihr gutes Auskommen hatten, das Gefühl, dass es für sie wirtschaftlich abwärts geht. Für die Furcht vor einem Abrutschen gibt es gute Gründe. Zum einen breitet sich der Niedriglohnsektor in Deutschland immer mehr aus. Von dem vermeintlichen Unterschichtenproblem Niedriglohn sind immer mehr und zunehmend auch qualifizierte Arbeitnehmer betroffen. Im Jahr 2010 bezog bereits jeder vierte Beschäftigte in Deutschland einen Niedriglohn von weniger als 9,54 Euro, so das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Alarmierend ist nicht nur das Übergreifen der Billiglöhne auf immer mehr Wirtschaftszweige, zunehmend als Legende entpuppt sich auch die Behauptung, dass die Niedriglöhne ein Problem Unqualifizierter wären. Vier von fünf Geringverdienern haben eine abgeschlossene Berufsausbildung.

Gesellschaftliche Sprengkraft haben auch die drastisch gestiegenen Lebenshaltungskosten. Bei Lebensmitteln werden mittlerweile Preissteigerungen von über fünf Prozent zum Vormonat gemeldet, parallel ziehen die Energiekosten immer mehr an, entwickelt sich Strom zum Luxusgut. Damit nicht genug. Auch die Mieten werden immer öfter zu einem Problem. Laut „Focus“ haben in 60 der 100 größten deutschen Städte einkommensschwache Familien nach der Mietzahlung nur noch ein verfügbares Einkommen, das auf Hartz-IV-Niveau liegt. Die Einkommensschwachen wohnen sich damit regelrecht in den finanziellen Ruin. Preiswerte Wohnungen sind durch den anhaltenden Zuwanderungsdruck in den Ballungsräumen, wo die Masse der Arbeitsplätze ist, nämlich kaum zu bekommen. Hält die Preisentwicklung auf dem Immobilienmarkt an, wird diese Entwicklung früher oder später auch bei den Beziehern mittlerer Einkommen ankommen.

Eine weitere böse Überraschung könnte vielen Deutschen im Alter bevorstehen. Die niedrigen Zinsen, mit denen die Europäische Zentralbank (EZB) angeschlagene Geschäftsbanken und südeuropäische Krisenstaaten über Wasser halten will, werden mit Blick auf die Altersvorsorge für viele deutsche Sparer immer mehr zum Fluch. Durch die Niedrigzinspolitik werden allein in diesem Jahr Sparvermögen bei Banken in Deutschland real rund 14 Milliarden Euro an Wert verlieren, so Berechnungen der Postbank. Der Hintergrund: Was auf Sparbücher und Festgelder momentan an Mini-Zinsen gezahlt wird, liegt meist weit unter der Inflationsrate. Durch diese negative Realverzinsung verlieren die Sparer unter dem Strich Vermögen, anstatt dass neues Vermögen aufgebaut wird.

Für Lebensversicherer wird es zudem immer schwieriger, in dem vorhandenen Niedrigzinsumfeld die einst zugesicherten Garantieausschüttungen auf Lebensversicherungen künftig an ihre Kunden auszuzahlen. Die drohende Konsequenz der EZB-Niedrigzinspolitik ist auch in Deutschlands Mittelschicht vielen oftmals noch nicht so recht bewusst. Um die entstehende Lücke auszugleichen, „werden viele Arbeitnehmer noch während der Rentenphase berufstätig sein“, so Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater gegenüber der „Bild“. In den USA und Großbritannien sind die „working pensioners“ – die berufstätigen Rentenbezieher – inzwischen längst zu einem Alltagsphänomen geworden. Norman Hanert


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