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17.08.13 / Wagner mit Warnhinweis

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-13 vom 17. August 2013

Moment mal!
Wagner mit Warnhinweis
von Klaus Rainer Röhl

Alle Jahre wieder ist Festspielzeit in Deutschland. Aus allen deutschen Landen und auch aus einigen ausgesuchten Aus-Landen pilgert Jahr für Jahr eine Schar von Musikfreunden und ihr sich ständig regenerierender Nachwuchs mit einem gleichbleibenden Durchschnittsalter von zirka 75 Jahren nach Salzburg und Bayreuth zu den Festspielen. Was seit jeher nur den jeweils Regierenden wie Hitler und Göring, Adenauer und Strauß sowie in den letzten Jahren eben Angela Merkel, Guido Westerwelle und der unvermeidlichen Claudia Roth vorbehalten war und sonst nur als Prominenter, Stammkunde, einer zehn Jahre langen Wartezeit oder einem unmäßigen Schwarzmarktpreis zu besichtigen war, ist heute jedermann zugänglich. Durch DVD-Videos oder bei den Minderheits-Sendern Arte und 3sat. Wer will, kann also teilhaben an den Wagner-Festen. Soll er sogar nach dem Willen der beiden Urenkelinnen von Richard Wagner, den heutigen Leiterinnen des Unternehmens, den Halbschwestern Eva Wagner-Pasquier und Katharina Wagner. Durch Open-Air-Aufführungen auf Filmleinwand, dummdeutsch „Public Viewing“ genannt, und gekürzte Aufführungen von Wagneropern für Kinder und Jugendliche will Katharina Wagner das Werk ihres Urgroßvaters populär machen. Auch verkaufen die Halbschwestern goldene Festspieleier als Andenken und sogar Stützstrümpfe von „medi“, die „tragen sich wunderbar, sie haben eine ideale Passform und ein tolles Design“, erklärt Urenkelin Katharina Besuchern der oft mehrere Stunden andauernden Inszenierungen.

Aber irgendwas stimmt mit den Wagner-Erben nicht. Irgendwo ist das Verhältnis zu dem genialen Komponisten und Autor, auf den sie ihre ganze Existenz stützen, seit sie leben, auf penetrante Weise verklemmt und verkorkst. Es gibt keinen Zweifel: Sie hassen den in der ganzen Welt berühmten Urahnen. Wie Kinder, die ein Spielzeug kaputt machen, um auf sich aufmerksam zu machen, beschäftigen sich die Wagner-Erben schon seit Jahren damit, Richard Wagners Werk zu demolieren. Anfangs nannte sich das „modernisieren, entstauben, neu interpretieren“. Dann begann man, das ganze Werk umzufummeln und ins Gegenteil „umzudeuten“ und mit immer fragwürdigeren Bundesgenossen das Lebenswerk ihres Ahnherrn abzuwracken. Kein Urheberrecht hindert sie daran. Die Musik ist (noch) sakrosankt und wird auf den Ton genau seit mehr als einem Jahrhundert Note für Note von den besten Dirigenten der Welt zwar immer neu interpretiert und entdeckt, aber nie verändert. Die Zertrümmerung des Gesamtwerks Wagners ist nur möglich, indem man den Text seiner Opern bis zum Grotesken ins Gegenteil verkehrt und verballhornt, also verspottet und verächtlich macht. Diese Tendenz hatte schon vor der Herrschaft der unseligen Urenkelinnen unter Wieland Wagner begonnen und mit der Darstellung Lohengrins als Rattenkönig 2010 einen vorläufigen Höhepunkt erreicht.

Auch diesmal, bei der Neuinszenierung des „Rings“ zu Ehren des 200. Geburtstags seines Verfassers, behalten die Wagnerianer die Augen vorsichtshalber gleich geschlossen. Zu viel haben sie in den Jahren schon an missglückten Regieeinfällen gesehen. Doch mit der Beauftragung des gelernten Ostberliner Eisenbahnmechanikers, Volksarmisten, Skandal-Regisseurs und heutigen Intendanten der Berliner Volksbühne Frank Castorf mit der Inszenierung des „Rings“ hat der Kampf gegen Richard Wagner einen neuen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Castorf gab sich nicht einmal die Mühe einer Neuinterpretation der Tetralogie, wie es einst Patrice Chéreau in seiner umjubelten und unvergesslichen Jahrhundert-Inszenierung von 1976 getan hatte, sondern begnügte sich damit, die Opern sozusagen als Kasperle- und Porno-Theater zu produzieren, mit dem erkennbaren Ziel, das ganze Drama als läppisch, lächerlich und unfreiwillig komisch darzustellen. Die Rheintöchter sind Prostituierte, die Götter mafiöse Ganoven, die sich wie Zuhälter benehmen. Wotan lässt sich an einer Tankstelle am Alexanderplatz einen Blowup von Erda verpassen. Wenn Siegfried am Ende zusammen mit Brünnhilde in den Schlussjubel ausbricht, lässt Castorf zwei Gummikrokodile auf die Bühne kriechen. Sie begatten sich und eines frisst danach einen Sonnenschirm, dann den Waldvogel. Und Siegfried baut sich eine Kalaschnikow zusammen und erschießt Fafnir ohrenbetäubend und mit Salpeterschwaden, die durch den Saal ziehen, so dass die Theaterärztin einem Zuschauer zur Hilfe eilen muss. Castorf will dem Premierenpublikum sagen „Wagner, die olle Musik, der Ring mit seinen 16 Stunden, die heilige Bayreu-ther Akustik – das alles geht mir am Arsch vorbei“, schreibt die „Zeit“. Wollen wir Wagner, fragt Castorf. Er meint Nein.

Die Geduld des in der brütenden Sommerhitze (in Bayreuth gibt es aus akustischen Gründen keine Klimaanlage) festlich gekleideten Publikums war am Ende. Ein Sturm von eindeutigen Buhs – ein wahres Buh-Gewitter – prasselte am Ende der vier Aufführungstage auf den mit einer Gage von schätzungsweise 100000 Euro – vorwiegend vom Staat Bayern und der Bundesregierung – bezahlten „Künstler“ herunter, der zwölf Minuten in diesem Shitstorm badete, dumm herumstolzierte und dem Publikum den Vogel zeigte.

War das noch Kunst oder doch nur Wulst? Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ schrieb: „Frank Castorf ist zum spektakulärsten Werk der Operngeschichte keine Botschaft eingefallen.“ Das stimmt, aber es ist nicht die ganze Wahrheit. Sprechen wir einmal aus, worum es geht: Wagner war Antisemit. Zu seiner Zeit eher eine Geschmacks-Aversion als eine Aufforderung zum Holocaust. Wagner starb 1883. Hitler wurde erst sechs Jahre später geboren. Aber Wagner liebte Deutschland, das für ihn als Teilnehmer der Revolution von 1848 immer nur ein demokratisches sein konnte. Das zeigt er besonders in seinen „Meistersingern“. Dieses Stück wurde deshalb das erste Objekt einer wüsten Anti-Inszenierung von Katharina Wagner, als sie noch nicht die ganze Macht hatte, 2007 in Bayreuth.

Der Sänger Stolzing, nach Wagner ein Lyriker in der Tradition des Walther von der Vogelweide, ein Außenseiter, der bei den Handwerksmeistern seine Anerkennung sucht und seine Liebe findet, ist bei ihr ein wüster Punker und Maler, der die ganze Bühne mit einem scheußlich kleb-rigen Farbbrei überschüttet, und natürlich bleibt von dem Hoch auf Nürnberg und die deutschen Meister nichts übrig als die Musik, die völlig beziehungslos und also hilflos im Raum steht. Ausgerechnet die „Meistersinger“ wurden diesmal bei den Salzburger Festspielen von Stefan Herheim ohne jeden Antifa-Warnhinweis inszeniert. Die Theaterkritikerin Eleonore Büning schrieb darüber in der „FAZ“: „Es ist dies, seit undenkbar langer Zeit, wieder die erste ‚Meistersinger‘-Inszenierung, die nicht mit einem politisch-didaktischen Zeigefinger winkt. Das ist wunderbar, wir fühlen uns im Festspielhaus, als hätten wir diesmal schulfrei.“

Danke, Frau Büning, danke Stefan Herheim. Wir, die wir diese Inszenierung sehen durften, fühlten uns auch wie in den Ferien. Ferien vom politisch korrekten deutschen Alltag.

Kontakt unter klausrainer@gmx.de.


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