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17.08.13 / Göring trieb ihn in den Selbstmord / Hans Jeschonnek war bereits mit 39 Jahren Generalstabschef der Luftwaffe – Vor 70 Jahren erschoss er sich

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-13 vom 17. August 2013

Göring trieb ihn in den Selbstmord
Hans Jeschonnek war bereits mit 39 Jahren Generalstabschef der Luftwaffe – Vor 70 Jahren erschoss er sich

Mit 15 Leutnant, mit 39 Jahren Chef des Generalstabs der Luftwaffe, mit 42 Generaloberst. Die Karriere von Hans Jeschonnek war ebenso rasant wie von Tragik begleitet. Von seinem Oberbefehlshaber Hermann Göring verraten und als Sündenbock für alle Rück­schläge im Luftkrieg missbraucht, setzte er am 18. August 1943 seinem Leben ein Ende.

Hans Jeschonnek wurde am 9. April 1899 in Hohensalza in der preußischen Provinz Posen geboren und meldete sich im Alter von erst 15 Jahren von der Hauptkadettenanstalt Lichterfelde als Kriegsfreiwilliger an die Front des Ersten Weltkrieges. Hier diente er im Niederschlesischen Infanterie-Regiment 50, wurde zum Offizier befördert und trat 1917 zur Fliegertruppe über. Nach dem Krieg diente er in Kavallerieeinheiten und absolvierte seine Generalstabsausbildung als Jahrgangsbester. Ab 1932 diente Jeschonnek im Reichswehrministerium, wo er mit dem Aufbau geheimer Kader für die von den Siegermächten verbotenen Luftstreitkräfte befasst war. 1935 wurde er in die neu aufgestellte Luftwaffe übernommen und erhielt im folgenden Jahr in Greifswald für ein Jahr das Kommando über das Lehrgeschwader der Luftwaffe. Danach kam er als Abteilungsleiter ins Reichsluftfahrtministerium, wo er zum Chef des Luftwaffenführungsstabes ernannt wurde.

Jeschonnek war zwar militärisch begabt und organisatorisch versiert, doch fehlte ihm strategische Weitsicht ebenso wie technisches Verständnis. Wie Hitler setzte er ganz auf offensive Luftkriegsmittel und forcierte den Bau von Sturzkampfbombern. Defensiven Jagdschutz für die Heimat lehnte er ab. Auf den Gedanken, dass sich das Glück im Kriegsfall gegen Deutschland wenden könnte und dem Reich dann das schützende Dach fehlen würde, kam er nicht. Als Hitler vollkommen illusorische Luftrüstungspläne hegte, war Jeschonnek der einzige im Reichsluftfahrtministerium, der sie guthieß. Doch nachdem Hitler und er einer Meinung waren, wagte es selbst Göring nicht mehr, ein reduziertes und auch die Reichsverteidigung berücksichtigendes Rüstungsprogramm vorzuschlagen.

Am 1. Februar 1939 machte Jeschonnek den entscheidenden Karrieresprung. Zu diesem Zeitpunkt litt der Generalstab der Luftwaffe unter häufigen Wechseln an seiner Spitze. Sein erster Chef, Generalleutnant Walther Wewer, fiel einem Flugunfall zum Opfer, der Nachfolger Albert Kesselring den Dauerquerelen mit Görings Staatssekretär Erhard Milch und auch der nächste Generalstabschef, General der Flieger Hans-Jürgen Stumpff, räumte schon nach kurzer Zeit entnervt seinen Posten. So verfiel man schließlich auf den erst 39-jährigen Oberst Jeschonnek. Hätte dieser mehr Lebenserfahrung gehabt, hätte er wohl erkannt, was die Position des Generalstabschefs mit sich bringen würde. Persönlich bescheiden und integer, war er dem Intrigenspiel der Politiker und Spitzenmilitärs nicht gewachsen. Solange die Luftwaffe siegte, machte sich das kaum bemerkbar. Bereits im August 1939 zum Generalmajor befördert, wurde Jeschonnek im Juli 1940 unter Überspringung des Dienstgrades Generalleutnant zum General der Flieger und im Frühjahr 1942 zum Generaloberst befördert.

Doch als die Luftwaffe immer mehr in die Defensive gedrängt wurde und die Mängel der ganz auf das Blitzkriegkonzept ausgerichteten Luftrüstung offenbar wurden, begann sein Stern rapide zu sinken. Für alles, was fortan im Luftkrieg schief lief, musste er als Sündenbock herhalten. Als Stalingrad Ende 1942 eingeschlossen war, hielt Jeschonnek es für ausgeschlossen, dass die Luftwaffe die deutschen Truppen so versorgen könne, dass sie „lebens- und kampffähig“ blieben. Göring verbot ihm jedoch, Hitler gegenüber Zweifel zu äußern, und befahl ihm, die Luftversorgung zu garantieren. Nachdem diese gescheitert und die 6. Armee Anfang 1943 zugrunde gegangen war, schob Göring ihm dennoch die Alleinschuld daran zu.

Jeschonnek begann an seiner großen Verantwortung zu zerbrechen, wirkte ausgebrannt und verzweifelt. Langsam erkannte er, welchen fatalen Irrtümern er erlegen war. Und er begriff, dass gerade er als Generalstabschef zu den Fehlentscheidungen der vergangenen Jahre nicht hätte schweigen dürfen. Doch nun war es dafür zu spät. Göring war für ihn kaum noch zu sprechen und wenn Jeschonnek zwangsläufig eigenständige Entscheidungen traf, wurde er dafür von seinem Oberbefehlshaber auf unflätigste Weise kritisiert. Dennoch blieb er auf seinem Posten und ertrug alle Demütigungen und Beleidigungen.

Der letzte Akt für den jungen Generalstabschef begann mit der Zerstörung Hamburgs im Juli 1943. Hitler und Göring waren außer sich vor Wut und warfen den Jagdfliegern Feigheit und Versagen vor. In Wirklichkeit war die Jagdwaffe viel zu schwach, um den alliierten Bomberströmen genügend Kräfte entgegensetzen zu können. Und daran trug Jeschonnek tatsächlich eine Mitschuld, hatte er die Vermehrung der Jagdwaffe doch immer wieder zugunsten anderer Rüstungsprojekte zurückgestellt. Nun fehlte dem Reich das schützende Dach und die deutschen Städte waren der Zerstörung preisgegeben. Viel zu spät erkannte Jeschonnek, dass der einzige Ausweg zum Schutz des zunehmend von den Alliierten beherrschten deutschen Luftraums der forcierte Ausbau der Jagdwaffe und die Konzentration aller Kräfte in der Heimat war. Doch Hitler lehnte diesen vernünftigen Vorschlag schroff ab und verlangte stattdessen Vergeltungsangriffe auf London, was angesichts der Unterlegenheit der deutschen Bomberwaffe undurchführbar war. Obwohl Göring ganz Jeschonneks Meinung war, fiel er seinem Generalstabschef Hitler gegenüber in den Rücken.

Als die britische Luftwaffe am 17. August 1943 auch noch das deutsche Raketenzentrum in Peenemünde in Schutt und Asche legte, gab es für Jeschonnek keine Hoffnung mehr. Während sein Stab am nächsten Tag im „Lager Robinson“, dem ostpreußischen Luftwaffenhauptquartier Rominten, die Lage besprach, setzte Jeschonnek unweit des Goldaper Sees seinem Leben mit einer Pistolenkugel ein Ende. Selbst nach seinem Tod verging sich Göring noch an ihm, indem er als Todesursache Magenbluten verlauten und den Todestag auf den 19. August fälschen ließ, um nicht den Verdacht eines Zusammenhangs mit dem Luftangriff auf Peenemünde aufkommen zu lassen. Gegen Jeschonneks ausdrücklichen Wunsch nahm der Reichsmarschall an seiner Beisetzung teil und legte auch einen Kranz Hitlers nieder. Jan Heitmann


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