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17.08.13 / Die Heimat der Vorfahren bewusst erleben / Im Salzburger Land auf Spurensuche

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-13 vom 17. August 2013

Die Heimat der Vorfahren bewusst erleben
Im Salzburger Land auf Spurensuche

Unter den Kartengrüßen, die mich aus den Urlaubsgebieten der Absender erreichten, hat mich einer besonders berührt. Er kam aus Goldegg im Pongau, meine Nichte Christine Lied sandte ihn mir aus „der wunderschönen Heimat unserer Vorfahren“, die sie bewusst als solche erlebte. Sie sagte mir einmal, dass sie, das Flüchtlingskind, erst hier das Gefühl gefunden habe, „angekommen“ zu sein, dass ihr dieses Land sehr viel Vertrautheit vermittelt, die man mit Worten nicht beschreiben kann. Sie hat es aber doch getan und ihre Empfindungen aufgeschrieben, die sie hatte, als sie zum ersten Mal in das Salzburger Land kam. Das war vor acht Jahren, und voraus gegangen war eine kleine Familienkunde, die ich ihr über unsere Salzburger Vorfahren vermittelt hatte. Dass sie erst so spät erfolgte, lag daran, dass unsere Wege sich schon lange getrennt hatten. Ihre Erinnerungen basierten auf frühen Kindertagen in Königsberg, die sich aber nur auf kurze Zeiträume bezogen, denn ihre Eltern – beide bewusste Ostpreußen – hatte der berufliche Weg ihres Vaters in die Grenzmark Westpreußen-Posen geführt, von wo aus sie als Achtjährige mit Mutter und zwei Schwestern auf die Flucht ging. Christine verlebte ihre Jugend in Niedersachsen, blieb nach beruflicher Ausbildung in Hamburg und München schließlich in Bayern, wo sie heute noch lebt. Wenn man sie fragte, woher sie komme, sagte sie immer: aus Ostpreußen.

Und nun im Jahre 2005 die erste bewusst auf die eigene Familiengeschichte ausgerichtete Reise in das Salzburger Land. Die sie so tief bewegte, dass sie mir ihre Erlebnisse und die damit verbundenen Emotionen mitteilen musste, die ich leider nicht in vollem Wortlaut bringen kann, aber doch die wesentlichsten Passagen.

„Ich machte mich also auf, um in Goldegg im Pongau nach den Spuren meiner Familie zu suchen. Ausgestattet mit einem Stammbaum, der 1731 mit einem Rupert Reinecker beginnt, der mit 19 Jahren aus Goldegg auswanderte. Ich fuhr zusammen mit meinem Mann und einer großen erwartungsvollen Spannung nach Goldegg. Der Ort zeigte sich vom ersten Augenblick an bei sommerlichem Wetter von einer heiteren Seite, ich hatte sofort den Eindruck, dass ich mich dort wohl fühlen könnte. Zu diesem fast vertrauten Gefühl trugen dann in ganz besonderem Maße die Menschen bei, mit denen ich in den nächsten Tagen ins Gespräch kam. Ich trug meine Geschichte und Beweggründe für den Besuch in Goldegg auf der Zunge, da ich möglichst viele Informationen erhalten wollte. Alle Menschen, mit denen ich mich unterhielt, zeigten Interesse, ja, waren vielfach selbst bewegt, wenn wir über meine Vorfahren und ihr Schicksal sprachen. Ich hoffte, auf dem Friedhof auf Namen zu stoßen, die eine Verbindung zu meiner Familie ergaben, da war ich allerdings nicht sehr erfolgreich. Es war ja auch ein katholischer Friedhof, und die protestantischen Auswanderer waren in der Regel im Großverband weggezogen. Aber ich traf dort eine Frau, die mich in einem anregenden Gespräch an ihre Freundin verwies, die im Schloss Goldegg Führungen macht. Dort seien zwei Räume speziell der ,Protestantenvertreibung‘ gewidmet.

Die Führerin Emmi Klettner habe ich dann im Schloss kennen gelernt, und sie hat sich in rührender Weise bemüht, den Beweis zu liefern, dass die Angaben in meinem Stammbaum richtig sind. Tatsächlich hat Frau Klettner bei einer weiteren Suche im Pfarramt in Aufzeichnungen eines früheren Pfarrers, der sich mit der Geschichte der Exulanten befasste, die Namen meines ,Stammvaters‘ und seiner zwei Brüder als Goldegger Auswanderer gefunden. Auch andere Namen, die durch Heirat in unsere Familien hinein spielten, ließen sich belegen. Das war für mich ein bewegender Moment. Ich spürte, dass meine Wurzeln hier sind und dieses Land letztendlich auch für mich, die im Kindesalter Vertriebene, eine Art Heimat ist. Ich fühlte mich angekommen und den hier lebenden Menschen verbunden. Es waren für mich aufwühlende und aufregende Tage, die mir aber eine gewisse Befriedigung gaben, hatte ich nun eine Landschaft kennen gelernt, in der meine Vorfahren gelebt hatten, ein Land, das ich im Gegensatz zu Ostpreußen problemlos jederzeit besuchen kann und das so nah an meinem Wohnort liegt. Bei all diesen positiven Empfindungen gingen mir aber immer wieder die Menschen nicht aus dem Sinn, die 1731 hier ihr schöne Heimat verlassen mussten, und mir wurde die Tragik der Geschichte bewusst, dass die Nachkommen der Salzburger ,Vertriebenen‘ nach mehr als 200 Jahren das gleiche Schicksal erleiden mussten.“

So schrieb Christine Lied über ihre so spät gefundene Liebe zum Salzburger Land, die sie inzwischen immer wieder festigte, wie die Karte beweist. Und auch in mir Erinnerungen wachruft wie an eine frühe Begegnung mit Agnes Miegel, als wir uns zufällig auf einer Straße bei Schwarzach begegneten. Von dort waren ihre wie meine Ahnen einst ausgezogen. Das war für mich damals 22-Jährige schon ein sehr beglückender Moment. R.G.


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