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24.08.13 / Explosives Weltkriegserbe / Millionen Tonnen Munition und Minen verhindern Ausbau der Offshore-Windparks

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-13 vom 24. August 2013

Explosives Weltkriegserbe
Millionen Tonnen Munition und Minen verhindern Ausbau der Offshore-Windparks

Auch fast sieben Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sind noch lange nicht alle Überreste der dort versunkenen Blindgänger, Minen und versenkten Munition geborgen und entschärft. Das hat auch Folgen für den Erfolg der Energiewende.

Es ist ein schöner Sommertag mit blauem Himmel und leichtem Wind, die weißen Segel von Jachten sind zu erkennen, einige schnelle Motorboote ziehen ihre Bahn. So sieht Ferienzeit an der Ostsee aus. Doch auf dem roten Feuerlöschboot in der Nähe des Leuchtturms Kiel, am Ausgang der Förde, herrscht alles andere als Ferienstimmung. Das Spezialschiff soll an diesem Tag beim Aufspüren von Grundminen in dem stark befahrenen Seegebiet helfen. Eine nicht ungefährliche Aufgabe. Deshalb sind neben der regulären Besatzung auch vier Männer mit an Bord, die sich mit solchen Gefahren auskennen: Minentaucher der Deutschen Marine. Solche Reste des Krieges zu beseitigen ist zwar Ländersache und Aufgabe von Kampfmittelräumdiensten, die den Polizeibehörden der Länder untergeordnet sind, aber bei schwierigen Einsätzen bitten sie die Spezialisten der Bundeswehr um Amtshilfe. Und das nicht nur in Sichtweite des Leuchtturms Kiel, sondern auch in der Nordsee. So nahm das deutsche Minenjagdboot „Weilheim“ im Februar zehn Tage lang an der Operation „Beneficial Cooperation 13“ teil. Dieses immer wieder durchgeführte Manöver gibt es seit Mitte der 90er Jahre, nachdem Fischer in den Gewässern Belgiens, der Niederlande und Großbritanniens in ihren Fangnetzen immer wieder Munition und Munitionsteile fanden. Es handelte sich um Bomben, die während des Zweiten Weltkrieges abgeworfen wurden und nicht detoniert sind, ebenso wie Torpedos, Minen und Artilleriemunition, die nach Kriegsende einfach in die See gekippt worden sind. Das sind erhebliche Mengen. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe schätzt die Menge auf 1,3 Millionen Tonnen konventioneller und chemischer Munition, die auch mehr als ein halbes Jahrhundert nach dem Zweiten Weltkrieg noch immer eine tödliche Gefahr darstellt.

Brachte es bislang eine gewisse Sicherheit, die Hauptrouten des Seeverkehrs von Minen zu räumen, so bringen die Windparks auf See nun neue Gefahren. Denn es müssen Fundamente gerammt und Seekabel verlegt werden und es Schiffe sind zur Errichtung der Windparks in Gebieten unterwegs, die bisher von der Schifffahrt unberührt waren.

So mussten für die Errichtung des ersten kommerziellen Windparks „Riffgat“ vor der Nordseeinsel Borkum beispielsweise 2,7 Tonnen Munition gehoben werden, damit überhaupt begonnen werden konnte. Aber damit war das Problem noch nicht aus der Welt. Die Kabelverbindung zum Festland erwies sich als noch schwieriger. Auf den letzten Kabelkilometern liegt besonders viel brisantes Material. Da niemand weiß, wie gefährlich die Munition ist, verzögert sich der Anschluss. Ursprünglich sollte die Netzanbindung bereits im Frühjahr dieses Jahres fertig sein und 120000 Haushalte mit Strom versorgen. „Uns war zwar bekannt, dass dort Munition liegt, aber die Menge war größer, als wir laut Studien erwarten konnten“, sagte Sprecherin Henrike Lau vom Offshore-Unternehmen Tennet.

Leidtragende der Verzögerungen sind die Stromkunden. Denn solange kein Anschluss hergestellt ist, kann „Riffgat“ auch keinen Strom liefern. Zwar muss der Netzbetreiber dem Energieversorger EWE für entgangene Stromerträge bis zum Netzanschluss eine Entschädigung zahlen. Einen Großteil der anfallenden Kosten kann das Unternehmen jedoch im Zuge der Anfang dieses Jahres eingeführten Offshore-Umlage auf die Verbraucher umlegen. Genaue Zahlen nennen Tennet und EWE nicht, in der Branche ist jedoch von einem mittleren zweistelligen Millionenbetrag die Rede.

Mittlerweile sprechen die Unternehmen von Frühjahr 2014, wenn man nach dem Zeitpunkt der ersten Stromlieferungen fragt. So lange benötigen die Anlagen selbst Strom, der aus Dieselgeneratoren stammt. Damit werden die Windräder zumindest hin und wieder angetrieben, damit sie nicht einrosten. Eigel Wiese


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