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24.08.13 / Eine ignorierte Minderheit / Keine Partei scheint sich mehr für die 2,6 Millionen Russlanddeutschen zu interessieren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-13 vom 24. August 2013

Eine ignorierte Minderheit
Keine Partei scheint sich mehr für die 2,6 Millionen Russlanddeutschen zu interessieren

Bei der Bundestagswahl am 22. September gehören etwa sechs Millionen Stimmberechtigte zum Kreis der Immigranten. Das sind etwa zehn Prozent des Wahlvolkes. Aus ihren Reihen kommen jedoch nur vier Prozent der Kandidaten. Wiederum findet sich kein einziger Kandidat aus der größten Immigrantengruppe in Deutschland, dem Kreise der russlanddeutschen Aussiedler. Von den Kandidaten der Bundestagswahl mit Migrationshintergrund gehören 63 zum linken Lager aus SPD, Grünen und Linken, nur 18 gehören zu den Regierungsfraktionen von CDU und FDP. Von den Kandidaten der Linksparteien haben 17 aussichtsreiche Plätze, von denen der Regierungsparteien nur fünf.

Rund 4,5 Millionen Aussiedler sind seit 1950 nach Deutschland gezogen und erhielten auf der Grundlage des Bundesvertriebenengesetzes deutsche Pässe. Die meisten unterscheiden sich nicht mehr von der bundesdeutschen Bevölkerung. Anders ist das mit der großen Gruppe der Russlanddeutschen, deren Integration nicht mehr so unproblematisch ist. Von diesen sind etwa 2,6 Millionen bei der Bundestagswahl wahlberechtigt – so viele wie Brandenburg Einwohner hat. Noch in den 1990er Jahren waren die Einwanderer aus dem Osten ein verlässliches Stimmenreservoir für die Union. Allein zwischen 1987 und 1990 hatte die Regierung Kohl über eine Million Aussiedler aus der Sowjetunion, aus Polen und Rumänien ins Land geholt. Zum Dank machten die Neubürger ihr Kreuz bei CDU und CSU. Doch Mitte der 1990er löste der Aussiedlerstrom aus Osteuropa auch bei vielen Unionspolitikern Unbehagen aus. „Wir können nicht jeden Aussiedler, der mit einem deutschen Schäferhund aus Kasachstan kommt, aus der Rentenkasse bedienen“, äffte Ex-Sozialminister Norbert Blüm (CDU) Oskar Lafontaine, damals noch SPD, nach. So begrenzten auch CDU-Regierungen den Zuzug der Deutschstämmigen durch bürokratische Hürden wie die Einführung von Sprachtests und „Bekenntnisse zum Deutschtum“ auch während der Sowjetzeit.

Der größte Fehler der Union war es jedoch es, versäumt zu haben, eigene russlanddeutsche Politiker aufzubauen. Bis heute hat es kein einziger bekannter Aussiedler der C-Parteien in den Bundestag geschafft. Der Regensburger CSU-Politiker Arthur Bechert aus Sibirien hätte 2009 der erste werden können, allerdings wurde er auf Platz 55 der Landesliste seiner Partei abgeschoben. Verbittert hat er der Politik den Rücken gekehrt. „Die Union hat es versäumt, die Aussiedler zu integrieren“, sagt selbst der CDU-Politiker und Aussiedlerbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Bergner. Die Bereitschaft unter den alteingesessenen CDU/CSU-Abgeordneten, sichere Listenplätz für einen Aussiedler abzugeben, sei gleich Null, räumte Bergner ein. Kein Wunder, dass die ursprünglich starke Bindung der Aussiedler an CDU und CSU schwächer wurde. Früher hätten bis zu 80 Prozent der Russlanddeutschen CDU/CSU gewählt, erklärt Andreas Wüst, Politikwissenschaftler an der Universität Mannheim. Heute sei die Zustimmung auf 40 Prozent gesunken.

Deshalb wird ausgerechnet die größte Zuwanderergruppe, die Aussiedler aus Osteuropa, die immerhin mehr als fünf Prozent der Wahlberechtigen stellt, auch im neuen Bundestag nicht vertreten sein. Die Ost- und Mitteldeutsche Vereinigung der CDU/CSU (OMV), die bis 2011 „Gruppe der Vertriebenen, Flüchtlinge und Aussiedler der CDU/CSU-Bundestagsfraktion“ hieß, wollte diese Tatsache nicht kommentieren. Der Bundesvorsitzende der OMV ist Klaus Brähmig. Der 56-jährige Abgeordnete ist in Sachsen geboren und nicht in den Aussiedlungsgebieten. Zu den Vorgängern Brähmigs als Gruppenvorsitzende gehörten namhafte CDU-Politiker aus Schlesien wie Herbert Czaja, Hartmut Koschyk und Helmut Sauer.

Die übrigen Parteien können und wollen die Lücke nicht füllen, die die Union mit ihrem Vakuum im Aussiedlerwählerreservoir hinterlassen hat, obwohl auch viele SPD-Bundestagskandidaten und Grüne auf ihren Internetseiten immer mehr auch russische Versionen anbieten, oft neben Arabisch und Türkisch. Viele Russlanddeutsche haben allerdings auch aufgrund ihrer Erfahrungen in der Sowjet-union eine grundsätzliche Abneigung gegen alles Sozialistische. Angesichts dieses Vakuums ist es erstaunlich, dass die meisten Aussiedler hauptsächlich ins Nichtwählervolk abwandern und nur zu ganz kleinen Teilen zu den Rechtsradikalen, obwohl gerade einige der einstigen Spitzenfunktionäre der Russlanddeutschen nach ihrem Umzug in die Bundesrepublik dort gelandet waren. Bodo Bost


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