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24.08.13 / Schnüffelei wird zum Eigentor / US-Wirtschaft drohen nach NSA-Affäre Auftragseinbußen – »E-Mail made in Germany« soll Deutsche schützen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-13 vom 24. August 2013

Schnüffelei wird zum Eigentor
US-Wirtschaft drohen nach NSA-Affäre Auftragseinbußen – »E-Mail made in Germany« soll Deutsche schützen

Bisher scheint der NSA-Skandal für die USA nur einen beträchtlichen politischen Flurschaden angerichtet zu haben. Zu einem noch größeren Eigentor könnte sich die Spionageaffäre allerdings wirtschaftlich entwickeln.

Es kommt schon einer Realsatire gleich, was von US-Präsident Barack Obama der Öffentlichkeit in Sachen NSA-Aufklärung geboten wird. Zwar hat er inzwischen eine „unabhängige Gruppe externer Experten“ ins Leben gerufen, die die Aktivitäten der US-Geheimdienste unter die Lupe nehmen soll, zum Chef der Kommission wollte Obama allerdings ausgerechnet James Clapper machen. Als Geheimdienstkoordinator ist Clapper allerdings letztendlich oberster Chef der NSA – eben jener Behörde, die eigentlich „unabhängig“ untersucht werden soll.

Nicht nur dieser offensichtliche Interessenskonflikt hat Obamas Transparenzoffensive in Sachen Geheimdienste ins Lächerliche gezogen, Clappers Vergangenheit legt den Verdacht nahe, dass Obama den sprichwörtlichen Bock zum Gärtner machen wollte. Als es im März bereits schon einmal um den Vorwurf der Überwachung von US-Bürgern durch die NSA ging, hat Clapper nicht davor zurück gescheut, sogar Abgeordnete im US-Kongress anzulügen. Von Senator Ron Wyden gefragt, ob die NSA Daten von Millionen Amerikanern sammle, hatte Oba-mas Geheimdienstkoordinator zunächst mit „Nein“ geantwortet. Auf Nachfrage wurde dann eine aufschlussreiche Ergänzung nachgeschoben: „Nicht wissentlich, es könnte aber Fälle geben, in denen aus Versehen Daten gesammelt werden.“ Später in der Angelegenheit der Lüge überführt, präsentierte Clapper eine skurrile Erklärung: Er hätte die „am wenigsten wahrheitswidrige“ Antwort gegeben, die er hätte geben können.

Inzwischen hat eine Sprecherin des Weißen Hauses angekündigt, dass Clapper die Expertengruppe nicht leiten und ihr auch nicht angehören werde. Der Rückzieher dürfte zu spät kommen – reichlich ramponiert ist inzwischen nicht nur der Ruf Obamas, auch für die US-Wirtschaft entpuppt sich die globale Schnüffelei immer mehr zum Eigentor. In Brasilien bedroht der NSA-Skandal einen Kampfjetverkauf im Wert von vier Milliarden US-Dollar. „Man kann einen derartigen Auftrag nicht an ein Land vergeben, dem man nicht vertraut“, so ein brasilianischer Regierungsvertreter.

Noch nicht einmal beziffern lässt sich der Schaden, den das Renomee des Wirtschaftsstandortes USA genommen hat. Das Land, das sich bisher als Musterschüler in Sachen Investorenrechte aufgeführt hat, steht nun selbst am Pranger. Branchenriesen wie Microsoft, Google und Facebook haben mit ihrer geheimgehaltenen NSA-Zusammenarbeit Anlegern wichtige Informationen vorenthalten. Die Zusammenarbeit mit den Geheimdiensten mag zwar in den USA legal gewesen sein, nicht aber auf den Auslandsmärkten. Sollten irgendwo auf der Welt Schadensersatzklagen wegen Datenschutzverletzungen Erfolg haben, kann dies für Aktionäre reale Verluste bedeuten. Gleiches gilt, falls US-Unternehmen infolge des NSA-Skandals künftig verbindlich auf europäische Datenschutzstandards festgenagelt würden. Das führt in eine Zwickmühle: In den USA zur Datenweitergabe an die Geheimdienste verpflichtet, auf dem europäischen Markt, wo Unternehmen wie Facebook oftmals mehr Gewinne erwirtschaften als in den USA, aber zu Datenschutz verdonnert. Im Extremfall könnte für US-Unternehmen der Ausweg dann sogar in einer Verlegung des Unternehmensstandortes weg von den USA bestehen.

Deutsche E-Mailanbieter wie die Telekom, GMX und Web.de haben inzwischen längst die Chance erkannt, die sich seit dem NSA-Skandal und dem daraus resultierenden Imageverlust für US-Firmen ergibt. Unter dem Gütesiegel „E-Mail made in Germany“ wurde werbewirksam eine Allianz zum sicheren Versand von E-Mails geschmiedet. Alle Nachrichten, die Kunden zwischen den beteiligten Anbietern verschicken, sollen auf dem kompletten Übertragungsweg verschlüsselt werden, so das Versprechen.

Der Patriotismus der deutschen IT-Branche und die Sicherheitsbedenken der hiesigen Wirtschaft kommen indes reichlich spät. Viel zu lange ist man in Deutschland US-Branchenriesen gegenüber regelrecht hörig gewesen, während man eigenen IT-Mittelständlern das Leben schwer gemacht hat. Dass schon in der Vergangenheit regelmäßig Hinweise aufgetaucht sind, die auf eine Zusammenarbeit von US-Unternehmen mit der NSA schließen lassen, hat dem lange Zeit keinen Abbruch getan. Bereits im Jahr 2000 sind etwa detaillierte Berichte zur Existenz von „Hintertüren“ bei den in Unternehmen wie Behörden und Privathaushalten weit verbreiteten Microsoft-Betriebssystemen aufgetaucht. Folgt man der Fachpresse, kann als sicher gelten, dass die sogenannten „Backdoors“, mit denen sich Zugang zu jedem Rechner verschaffen lässt, bis heute in aktuellen Versionen von US-Betriebssystemen bestehen. Als ähnliches Einfallstor für Wirtschaftsspionage dürfte sich die Auslagerung von Server-Kapazitäten in die USA im Rahmen des Modetrends Cloud-Computing entpuppen. Trotz europäischer Datenschutzgesetze kann die US-Regierung unter Androhung von Strafen von amerikanischen Unternehmen die Herausgabe von Daten verlangen, selbst wenn dies europäische Unternehmen oder Privatpersonen betrifft. Wer, wie einige Schweizer Banken, aus Kostengründen seine Datenverarbeitung dann noch in die USA auslagert, braucht sich eigentlich nicht mehr zu wundern, wenn US-Behörden mit ganz konkreten Steuerdaten von Kunden aufwarten. Norman Hanert


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