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24.08.13 / Nicht nur in einer Hinsicht mit Italien vergleichbar / Dresdens Kunstsammlungen werden schon seit Jahrhunderten viel gerühmt – Rekonstruktionen werden fortgesetzt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-13 vom 24. August 2013

Nicht nur in einer Hinsicht mit Italien vergleichbar
Dresdens Kunstsammlungen werden schon seit Jahrhunderten viel gerühmt – Rekonstruktionen werden fortgesetzt

Einst schilderte Theodor Fontane, wie die großbürgerlichen Brautpaare ihre Hochzeitsreise nach Italien mit einem Abstecher nach Dresden einleiteten, da die dortige Gemäldegalerie als die einzige deutsche Sammlung galt, die den Pinakotheken Italiens zur Seite gestellt zu werden verdiente. Dem Blaubuch der kulturellen Institutionen in den neuen Bundesländern gelten die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden nach der Stiftung der Brandenburgischen Schlösser und Gärten als die bedeutendste Einrichtung des Gebiets.

Und tatsächlich wird an der Elbe ein außerordentlich weit gefächerter Bestand an hervorragenden Werken in Bauten von besonderer Qualität bewahrt. 1560 begann alles mit dem zeittypischen Kunst- und Kuriositätenkabinett. Vielerorts wurden diese Universalsammlungen später aufgelöst um die reinen Kunstwerke aus dem Gemenge von Naturalien, Instrumenten, ethnologischen Artefakten und Kunstgewerbe gesondert in einer Galerie herauszustellen. Die Wettiner bildeten aus den Teilbereichen jeweils eigene Sammlungen mit fachlichen Schwerpunkten. So begründete August der Starke 1728 den Mathematisch-Physikalischen Salon im Zwinger. Von 1777 bis 1928 wurde hier, ähnlich wie in Greenwich, die Ortszeit ermittelt.

Die prunkverliebte Barockepoche in Dresden war zugleich die Zeit des Merkantilismus und der Universalgelehrsamkeit. Leibniz legte 1704 seinen Vorschlag zur Gründung einer Akademie auch dem Dresdner Hof vor. Die Pretiosen des „Grünen Gewölbes“ waren seit 1724 öffentlich zugänglich. Diese arrangierte Schatzkammer kann damit den Anspruch erheben, das älteste Museum überhaupt zu sein. Die Einrichtung des Japanischen Palais als Schautempel des asiatischen und sächsischen Porzellans gelangte wie viele Projekte nicht zum Abschluss. Aber die Bauskulpturen und der Portikus zeugen heute noch beredt von diesen hochfliegenden Plänen. Die Ambitionen waren einfach zu gewaltig. Mit Pomp wurde hier ein politischer Triumph inszeniert, der ausbleiben sollte. Die Rüstkammer ist als eine der größten Ansammlungen von Prunkwaffen nur mit den habsburgischen Beständen in Wien und Madrid vergleichbar. Als die Beutestücke der Roten Armee 1957 nach Dresden zurückgegeben wurden, gelangte eine Auswahl der Rüstkammer im Ostflügel der Sempergalerie am Zwinger zur Ausstellung. Große Teile davon werden seit März 2010 nun wieder im Schloss gezeigt. So beispielsweise die „Türckische Cammer“, eine der bedeutendsten Sammlungen osmanischer (Kriegs-)Kunst. Sie wurde durch diplomatische Geschenke und gezielte Ankäufe zusammengetragen. Johann Georg III., der Vater Augusts des Starken, der „sächsische Mars“, nahm als Erzmarschall des Reiches an der Schlacht am Kahlen Berge teil. Doch die Türkenbeute, welche die Reiter des polnischen Königs Johann III. Sobieski machten, gelangte dann erst über die polnische Königskrone auf dem Haupte seines Sohnes nach Dresden. Zu Beginn dieses Jahres wurde nun der Riesensaal mit den Prunkharnischen und Turnierwaffen eröffnet. In der Mitte des großen Raumes, der die Ausmaße eines 1701 verbrannten frühbarocken Festsaals wiederholt, sind Gruppen von berittenen Figuren in der Haltung eines ritterlichen Lanzenstechens aufgestellt.

Das Residenzschloss ist das älteste Gebäude der Stadt und zugleich ein Hauptbau der in Deutschland insgesamt dünn gesäten Schlossbaukunst der Renaissance. Respektvoll wurde schon im 18. Jahrhundert mit dieser Überlieferung umgegangen. Die gewaltigen, nie realisierten Pläne einer neuen Residenz zielten darauf ab, in einer Verbindung aus Sparsamkeit und Pietät das Renaissanceschloss samt seinen Wendelsteinen mit einer gigantischen Rokokofassade zu umbauen. Nach vielen Rück­schlägen und Gefährdungen kommt Dresden nun erst im 21. Jahrhundert dazu, sich dem Repräsentations-Ideal des 18. Jahrhunderts anzunähern. Über Jahrzehnte, bis zur Wiedervereinigung, hat die gesicherte Ruine des Schlosses die Dresdner Innenstadt dominiert. Es war ein Anblick wie in Heidelberg, nur mitten im Herzen der Stadt. Ein wenig im Schatten der spektakulären Aktionen für die Frauenkirche wuchs dann aus den Fassadenresten das Schloss wieder zusammen. 1991 erhielt der Hausmannsturm seine Bekrönung. 2007 war der Rohbau des Residenzschlosses dann fertig. Dabei musste auch der aktuellen Mode Tribut gezollt werden. Sowohl der Schlosshof als auch das Albertinum auf den Grundfesten des alten Marstalls wurden nach oben hin abgeschlossen. Im Albertinum umfasst die Dachkonstruktion seit 2010 ein flutsicheres Hochdepot. Über dem kleinen Hof des Residenzschlosses wölbt sich wie eine riesige Kaugummiblase ein gegittertes Membrandach, unter dem sich zuweilen die dumpfige Elbtalluft lastend bemerkbar macht. Die Restaurierung der Sgrafitto-Verzierungen im Schlosshof ist fast abgeschlossen. In der berühmten Schlosskapelle wurde ein Schling-rippengewölbe, das seit 1737 nicht mehr bestand, aus Sandstein und Ziegelmauerwerk mit allen Drehungen rekonstruiert.

Ab September werden an der Wirkungsstätte von Heinrich Schütz wieder Konzerte stattfinden. Im Herbst soll auch das Völkerkundemuseum im Japanischen Palais erweitert sein. Da ist seit einiger Zeit das Dresdner Damaskus-Zimmer zu sehen. Es ist eine von nur drei weltweit in Museumsbesitz befindlichen authentischen Inneneinrichtungen des Osmanischen Rokoko und stammt aus dem Vorbesitz von Karl Ernst Osthaus. Fast 100 Jahre lagerte es im Depot. Nach sechs Jahren Schließung eröffnete im April der Mathematisch-Physikalische Salon im Zwinger mit verdoppelter Ausstellungsfläche. Nach dem Auszug der Rüstkammer aus dem Zwinger und der teilweisen Neuaufstellung im Schloss wird nun die Sempergalerie saniert und die Besucher müssen sich mit einer gedrängten Hängung auf der Hälfte der Ausstellungsfläche abfinden. Auch das Kronentor ist wieder einmal von einem Baugerüst eingehaust. Auch darin zeigt sich Dresden Italien verwandt, als eine permanente Baustelle von erlesener Schönheit. Sebastian Hennig


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