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31.08.13 / Ruhrgebiet wird zum Pulverfass / Kommunen in NRW sind hoffnungslos überschuldet – Werksschließungen würden Region hart treffen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-13 vom 31. August 2013

Ruhrgebiet wird zum Pulverfass
Kommunen in NRW sind hoffnungslos überschuldet – Werksschließungen würden Region hart treffen

Von Januar bis Juni haben Bund, Länder und Gemeinden 8,5 Milliarden Euro mehr eingenommen, als sie ausgegeben haben. Der höchste Überschuss seit über zehn Jahren trügt allerdings. Immer mehr deutschen Kommunen steht finanziell das Wasser bis zum Hals. Hochexplosiv könnte die Lage bald in einigen Ruhrgebietsstädten werden.

Es sind Zahlen, die so gar nicht zu den Meldungen von Rekordsteuereinnahmen passen wollen. Von 2007 bis 2011 ist der Schuldenberg der Städte und Gemeinden von 111 auf 130 Milliarden Euro gewachsen, so das Ergebnis einer Studie der Bertelsmann Stiftung. Immer mehr deutsche Kommunen stecken in einer finanziellen Abwärtsspirale. Besonders brisant ist die Entwick­lung bei den sogenannten Kassenkrediten. Vergleichbar mit einem Dispositionskredit, bilden diese Schulden mittlerweile den Kern einer regelrechten kommunalen Finanzkrise, die in den kommenden Jahren eskalieren könnte. Betroffen ist vor allem ein Bundesland: Nordrhein-Westfalen. Mehr als die Hälfte der gesamten Kassenkredite deutscher Kommunen entfielen im Jahr 2011 auf nur 30 Städte und Landkreise. Allein 19 davon waren Kommunen in Nordrhein-Westfalen.

Als Extremfall kann die Stadt Essen gelten. Sie war 2011 durch 2,16 Milliarden Euro an Kassenkrediten mehr als dreimal so hoch verschuldet wie alle bayerischen, sächsischen und baden-württembergischen Kommunen zusammen. Nicht weniger bedrohlich sieht die Lage inzwischen auch in Oberhausen und Kaiserslautern aus. Für die Kommunen des Ruhrgebiets und speziell für Essen droht sich die finanzielle Schieflage nun noch zu verschärfen. Die einstige deutsche Industrie-Ikone Thyssen-Krupp befindet sich so tief im Existenzkampf, dass dies sogar noch die Schlussphase der Bundestagswahlkampfes überschatten könnte. Die Verschuldung des Essener Konzerns ist inzwischen so hoch, dass die Banken die Kontrolle über Thyssen-Krupp übernehmen könnten. Das dann drohende Horror-Szenario: Zur Absicherung der gegebenden Kredite hielten sich die Banken an der Unternehmenssubstanz schadlos. Thyssen-Krupp würde zerschlagen, einzelne Unternehmensteile würden verkauft, was nicht sanierungsfähig erscheint, würde geschlossen werden.

Als Dreh- und Angelpunkt kristallisiert sich immer mehr der 30. September, der letzte Tag des laufenden Konzerngeschäftsjahres bei Thyssen-Krupp heraus. Gelingt es bis dahin, die beiden Verlustbringer in Übersee, die Stahlwerke in Brasilien und Alabama (USA) zu verkaufen, scheint eine Rettung noch möglich. Misslingt der Versuch allerdings, dann „schwappt die Krise von Rio herüber zu uns nach Essen und Duisburg“, so die Befürchtung eines Gewerkschafters. Nicht mehr Vorstand und Aufsichtsrat bestimmen dann, wie es weitergeht, mit hoher Wahrscheinlichkeit übernehmen dann die Banken bei Thyssen-Krupp das Ruder. Die zu erwartende Folge wäre, dass die Banken verwerten würden, was sich irgendwie zu Geld machen ließe. Sollte die Politik dann nicht nennenswerte Rettungspakete aus Steuergeldern auffahren, ist vonseiten der Banken kaum mit Sanierungsversuchen zu rechnen – zu Recht, denn zu düster ist weltweit die Lage der Stahlbranche.

Die Konsequenzen könnten für das Ruhrgebiet, das „Problemgebiet Nummer eins in Deutschland“, so der Paritätische Wohlfahrtsverbands in seinen Armutsbericht, dramatisch sein. Die überlebensfähige Ertragsperle des Konzerns, der Rolltreppen- und Aufzugsbau, ist ausgerechnet auf Standorte außerhalb von NRW verteilt. Vor allem im Ruhrgebiet angesiedelt sind dagegen die Sparten mit schlechten Zukunftschancen und hohem Personalbestand. Von den weltweit 170000 Thyssen-Krupp-Beschäftigten stehen allein 50000 an Standorten in NRW in Lohn und Brot, davon 30000 im Ruhrgebiet.

Schon jetzt ist der Anteil von Hartz-IV-Empfängern, Ausländern, sozial Schwachen und Alten in der Region überproportional hoch. Ohnehin hoffnungslos überschuldeten Kommunen droht mit dem sich abzeichnenden Niedergang von Thyssen-Krupp durch wegbrechende Steuereinnahmen endgültig der finanzielle Genickbruch. Für das gesamte Ruhrgebiet könnte ein Szenario näher rücken, vor dem der Autor Udo Ulfkotte bereits vor zehn Jahren gewarnt hat: Das Ruhrgebiet, einst Taktgeber des deutschen Wirtschaftswunders, mutiert zum Taktgeber des deutschen Niedergangs und wird zum multikulturellen Unruheherd.

Mit der Krise des Stahlriesen Thyssen-Krupp gerät auch die NRW-Landespolitik zwischen alle Stühle. Die Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) sitzt im Kuratorium der Krupp-Stiftung, die 25,3 Prozent an dem angeschlagenen Konzern hält. Schon jetzt ist der drohende Interessenskonflikt, der auf Kraft zukommt, absehbar. Der Ruf nach Steuergeldern aus der SPD zur Rettung von Thyssen-Krupp kann als sicher gelten, wenn die konzerneigenen Rettungsversuche bis zum 30. September scheitern sollten. Norman Hanert


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