29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
31.08.13 / Zwei Vaterländer und ein Europa / Eine gute Idee und was aus ihr geworden ist – Gedanken zum 50. Todestag von Robert Schumann

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-13 vom 31. August 2013

Zwei Vaterländer und ein Europa
Eine gute Idee und was aus ihr geworden ist – Gedanken zum 50. Todestag von Robert Schumann

Europäischer geht es eigentlich nicht: die Mutter Luxemburgerin, der Vater erst Franzose, dann Deutscher, er selber umgekehrt, nämlich erst Deutscher (mit Luxemburger Abitur) und später Franzose. Robert Schuman, der Mann mit den zwei Vaterländern, war von Geburt her geradezu prädestiniert zum großen Europäer.

Dass er dies tatsächlich wurde, ist dabei keineswegs selbstverständlich. Denn gegensätzlicher konnten zwei Vaterländer kaum sein als jene beiden, denen Schuman anzugehören nicht immer nur das Vergnügen hatte. Dahinter stand staatlicher Zwang, der auf das Schicksal des Einzelnen keine Rücksicht nahm. Genauer: Jener Zwang, der von den jeweiligen Siegern kriegerischer Zusammenstöße auszugehen pflegt.

1871 hieß der Sieger Deutschland. Frankreich, seit Jahrhunderten zum „Erzfeind“ hochstilisiert (genauso wie Deutschland aus französischer Sicht) musste als Verlierer bluten und Elsass-Lothringen an das neu gegründete Kaiserreich abtreten.

Der damals 34-jährige Jean-Pierre Schuman in Évrange an der Grenze zu Luxemburg wurde, ohne dass man ihn gefragt hätte, plötzlich zum Reichsdeutschen; sein Wohnort hieß nunmehr Ewringen. Am 29. Juni 1886 wurde in Clausen, das heute zur Stadt Luxemburg gehört, Robert Schuman geboren, als Deutscher, da seine Mutter kurz zuvor die luxemburgische Nationalität gegen die des Vaters eingetauscht hatte. Schuman ging in Luxemburg zur Schule, machte dort 1903 das Abitur, legte ein Jahr darauf in Metz das deutsche Abitur nach, studierte Jura in Bonn, München, Berlin und Straßburg. Als Rechtsanwalt arbeitete er in Metz. Dort organisierte der strenggläubige Christ 1913 auch den Deutschen Katholikentag.

Nach dem Ersten Weltkrieg war Deutschland der Verlierer; Frankreich stand diesmal auf der Seite der Sieger. Folglich fiel Elsass-Lothringen wieder an Paris zurück, Robert Schuman wurde Franzose. Bald schon zog er in die französische Nationalversammlung ein.

Im Jahre 1941 hatte der Zweite Weltkrieg auch Frankreich erreicht. Schuman wurde von der Gestapo verhaftet. 1942 gelang ihm in Neustadt/Weinstraße die Flucht. In Südfrankreich fand er Unterschlupf bis zum Kriegsende.

Wiederum war Frankreich Sieger, also konnte Schuman seinen Pass behalten. Er kehrte zurück in die Pariser Nationalversammlung, wurde 1946 Finanzminister, 1947 Ministerpräsident, 1948 Außenminister, ein Amt, das er insgesamt achtmal innehatte.

Längst war ihm klargeworden, dass der Teufelskreis dieser immer wieder kriegerisch ausgetragenen „Erzfeindschaft“ beendet werden musste. Und er wusste auch, dass der erste Schritt vom Sieger kommen sollte.

Diesen Schritt tat er am 9. Mai 1950, genau fünf Jahre nach Kriegsende: In einer historischen Erklärung forderte er, die vermeintlichen Erzfeinde Deutschland und Frankreich gleichberechtigt in eine politische und wirtschaftliche Neuordnung des Kontinents einzubinden. Als ersten Schritt schlug er eine Montanunion vor: Kohle- und Stahlindustrie sollten unter eine gemeinsame Verwaltung gestellt werden. Schumans keineswegs naiver Hintergedanke: Wenn Deutsche und Franzosen gemeinsam Stahl produzieren, werden sie damit nichts bauen, womit sie auf einander schießen können. Er sollte recht behalten. Am 18. April 1951 wurde der von ihm mitgestaltete Montanvertrag unterzeichnet. Dies war der erste, aber entscheidende Schritt.

Ihm selber aber ging es zu langsam vorwärts. Da eine Europäische Gemeinschaft trotz Unterstützung durch Konrad Adenauer und Charles de Gaulle nicht sofort durchzusetzen war, trat er 1952 als Außenminister zurück.

Fünf Jahr später aber konnte er noch erleben, wie sein Traum begann, in Erfüllung zu gehen. Am 25. März 1957 wurden die Römischen Verträge unterzeichnet. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) beendete formell die „Erzfeindschaft“. Seine Wahl zum Präsidenten des Europäischen Parlaments 1958 war die verdiente Anerkennung seiner Pionierdienste für ein vereintes Europa.

Robert Schuman war ausgeprägt konservativ mit starken Bindungen an die Lehre der katholischen Kirche. Zugleich setzte er sich für Menschenrechte, Bürgerrechte und Freiheit ein. Diese Haltung war begründet in seiner tiefen Religiosität; wo immer möglich, wollte er christlich geprägte moralische Werte in das politische Handeln einbringen. Sein persönlicher Lebensweg als Deutscher und Franzose hat ihn stets bewogen, Trennendes zwischen den beiden Nationen nicht zu leugnen, sondern zu erkennen und zu überwinden.

So hätten er und andere Gründerväter Europas Besseres verdient, als heute erfahren zu müssen, dass europäische Politik, mag sie auch gut gemeint sein, wieder dazu führt, Völker auseinanderzudividieren und gegeneinander aufzuhetzen – die aktuellen Griechenlandpakete sind ein trauriges Beispiel dafür. Schumans Vision war ein Europa selbstbewusster, aber nicht aggressiver Vaterländer. Geworden ist daraus ein Europa, das sich in Dinge einmischt, die es nichts angeht, seine eigentlichen Aufgaben aber nicht erfüllt. Auf diesem Wege bleiben zunächst die Vaterländer auf der Strecke, am Ende dann auch Europa. Hans-Jürgen Mahlitz


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren