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31.08.13 / Aufforderung zum Tanz / Kulturelle Reise in die Vergangenheit mit Zagrebs »Zeitmaschine« – Kroatiens Hauptstadt entdeckt sich neu

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-13 vom 31. August 2013

Aufforderung zum Tanz
Kulturelle Reise in die Vergangenheit mit Zagrebs »Zeitmaschine« – Kroatiens Hauptstadt entdeckt sich neu

So nah und doch so fern: Nur 360 Kilometer von Wien, 550 von München und 1005 von Berlin entfernt, ist Zagreb eine der unbekanntesten Hauptstädte Europas und immer noch ein Geheimtipp. Dabei weist Kroatiens Hauptstadt zu Mitteleuropa nicht nur geografische Nähe auf, sondern auch Parallelen in Kultur und Lebensstil.

Zu Recht sagt man in Zagreb: „Wien ist die Mutter Zagrebs, Budapest die Tante, Graz und Ljubljana sind zwei liebliche Schwestern.“ Wenn man also Wien liebt – und wer tut das nicht –, verfällt man unweigerlich auch Zagreb. Knapp vier Jahrhunderte wurde Kroatien von den Habsburgern beherrscht: von 1527 bis 1918. Die Spuren sind bis heute auf Schritt und Tritt sichtbar. Ja lesbar, wenn etwa in der Oberstadt auf dem Straßenschild „Opalićha Vulica“ auch auf Deutsch „Nonnen Gasse“ steht. Vergleichbar sind auch die Architektur, die prachtvollen Bauten der Belle Epoque und die Kaffee-Haus-Tradition, ja selbst die Eleganz und das stilvolle Auftreten erinnern an die Donaumetropole. Dazu weht über beiden Kapitalen ein gehöriger Hauch Nostalgie, der besonders in Zagreb bis auf die Straßen weht.

„New York, New York, Zagreb, Zagreb“, singt Zdenka Kovaiek in Begleitung des Vanja Lisak Trios im Musikpavillon des Zrinjevac-Parks, in dem seit 1891 unterhaltsame Promenadenkonzerte stattfinden. Musik, die in die Beine geht. Denn als Zdenka mit kraftvoller Stimme Frank Sinatras „My Way“ ins Mikrofon singt, reißt es immer mehr Zuhörer von den Stühlen. In Hut und Mantel, die Einkaufstasche abgestellt, wird hier am Sonnabendvormittag auf dem Heimweg kurz mal das Tanzbein geschwungen – und das besonders leidenschaftlich von den älteren Semestern.

Wer vor allem den Kindern eine Freude machen möchte, steigt in den Fiaker und lässt sich im Kreis durch die Parkanlage kutschieren. Damit die Zeitreise auch wirklich „echt“ ist, mischen sich unter die Passanten Herren und Damen in Frack und bodenlanger Robe oder anderer Retro-Kostümierung.

Der Zrinjevac-Park – die Zagreber nennen ihn auch Zrinski-Platz – liegt im Zentrum und ist der älteste der insgesamt acht sorgsam gepflegten Parkanlagen, die als grünes Hufeisen die Unterstadt durchziehen. Dazu passend hat auch die Geschichte hier ein dauerhaftes Zuhause. Unter den Platanen erinnern mehrere Büsten an einige große kroatische Künstler, Dichter und Denker. Der beliebte Park trägt die Handschrift des Gärtners und Botanikers Herman Rudolph Siebeck, der in Leipzig geboren, ab 1875 Direktor des Wiener Stadtgartenamtes war. Folgerichtig wurde die heute noch voll funktionstüchtige kleine Wetterstation an der Nordseite 1884 auch zu Ehren Kaiser Franz Josephs errichtet.

Der Zrinjevac-Park ist einer der schönsten, aber nicht der einzige Ort, an dem von April bis Ende September jeden Sonnabend Passanten zurück in die Vergangenheit geführt werden. Die „Zagreber Zeitmaschine“, ein Projekt der Zentrale für Tourismus, erfasst die ganze Innenstadt, ihre Straßen, Plätze und Parks. Dabei ist der Spaß, in die Rolle von Persönlichkeiten aus der Geschichte zu schlüpfen, in die von Postboten, Wachmännern, Künstlern, Großbürgern und ihren Familien, unübersehbar. Die Drehorgel hat dabei genauso ihren Platz wie Musiker, die in der Oberstadt den traditionellen Gesang unter den Balkonen wiederbeleben, oder die Folklore-Auftritte der zahlreichen Kulturvereine.

Keine historische Persönlichkeit, sondern Arbeitnehmer von heute ist der Kanonier, der wie seit hundert Jahren jeden Tag pünktlich um 12 Uhr vom Lo­tršak-Turm, einst südliches Stadttor, einen Kanonenschuss abfeuert. Auch nicht der Beamte der Stadtwerke, der ebenfalls in der Oberstadt nach Einbruch der Dunkelheit mit einem langen Stab 202 Gaslaternen entzündet. Da fragt man sich, wo hört die Vergangenheit auf und wo beginnt die Gegenwart. Welche Stadt hat das schon? Helga Schnehagen

Zagreber Zeitmaschine, bis 28. September 2013, Internet: www.zagreb-touristinfo.hr. Reiseführer-Literatur: Uwe Mauch, Zagreb – Die kroatische Hauptstadt und ihre Umgebung, Trescher-Verlag, 15,95 Euro.


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