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31.08.13 / Auf nach Preußen / Werbung von Neusiedlern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-13 vom 31. August 2013

Auf nach Preußen
Werbung von Neusiedlern

In den letzten Jahren und Jahrzehnten stagnierte die historische Forschung zur Ansetzung von Neusiedlern in Preußen unter Friedrich dem Großen. In ihrer Dissertation kann uns Ursula Wolf hierzu viel Neues bieten. Hauptquellen ihrer Darlegungen sind das bislang völlig unbekannte, erst ab 2002 archivalisch verzeichnete Gutsarchiv des Rittergutes Unterdeufstetten bei Dinkelsbühl, nunmehr im Staatsarchiv Ludwigsburg befindlich, sowie von Wolf wiedergefundene Akten im Staatsarchiv Breslau, welche seit 1945 als Kriegsverlust galten. Die bislang von der historischen Forschung nicht ausgewerteten Unterdeufstettener Archivalien wurden seinerzeit vom Reichsfreiherrn Christoph Carl Ludwig von Pfeil angelegt, als er aus württembergischen Diensten ab 1763 in preußische Dienste überging und seither als Gesandter König Friedrichs des Großen beim Schwäbischen und Fränkischen Reichskreis wirkte. Aus diesen Akten hat Ursula Wolf ermittelt, wie und warum der preußische Gesandte von Pfeil und dessen Unteragenten in Süddeutschland unter der dortigen Bevölkerung die Umsiedlung nach der Neumark, Schlesien und der Kurmark propagierten.

Wir erfahren, welche Berufe und Spezialkenntnisse in Preußen besonders gefragt und nötig waren, wie und wann der Transport der Umsiedler an die neuen Wohn- und Arbeitsorte erfolgte und wer die Kosten dafür trug. Pfeil arbeitete hier speziell jenem Franz Balthasar Schönberg von Brenkenhoff zu, der in König Friedrichs Auftrag in der Neumark die dortigen Brüche trockenlegte und gleichzeitig für die Sesshaftwerdung der Neusiedler zu sorgen hatte. Dieser Übersiedlungsprozess ging nicht immer reibungslos vonstatten. Einerseits wollte man in Süddeutschland ungern qualifizierte Landwirte, Handwerker, Künstler, Fabrikanten sowie andere Spezialisten nebst deren Familien und deren Bar- und Sachvermögen ins Ausland gehen lassen. Andererseits klappte manches in der Kommunikation zwischen Pfeil und Brenkenhoff nicht, woran meistens letzterer Schuld hatte. Zudem waren die Bedingungen vor Ort nicht immer so angenehm, wie von den Werbeagenten in Süddeutschland geschildert, und so blieb mancher Neuansiedler auf halbem Wege in Berlin oder Potsdam hängen beziehungsweise wanderte später nach Russland weiter. Ursula Wolf pflegt bei ihren Darlegungen eine sehr offene Sprache und nimmt bei der notwendigen Kritik an der Forschergeneration vor ihr kein Blatt vor den Mund. So sind gemäß ihrer sorgfältig ermittelten Ansiedlerzahlen die bisher gängigen Zahlenangaben zur Ansiedlung in der Neumark sehr wahrscheinlich stark übertrieben.

Und ein Rätsel kann die Verfasserin lösen, nämlich das um den plötzlichen Aufschwung des schlesischen Weinbaus um Grünberg im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts. Hier waren hochqualifizierte pfälzische Winzer, die ihre leistungsstarken Weinreben gleich mitbrachten, am Werk. Aufgrund der zahlreichen Angaben von Vor- und Familiennamen sowie Herkunfts- und Ansiedelungsorten bietet das Buch auch für Familienforscher eine nützliche Lektüre. Jürgen W. Schmidt

Ursula Wolf: „Preußische Anwerbung von süddeutschen Kolonisten nach dem siebenjährigen Krieg unter dem Gesandten von Pfeil. Ihre Ansetzung in der Neumark, Schlesien, Berlin und Potsdam“, Verlag Dr. Kovac, Hamburg 2013, 255 Seiten, 75,80 Euro


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