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07.09.13 / Merkels bayerischer Zwilling / Auch der CSU-Chef klaut der Opposition die Themen und setzt auf Demobilisierung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-13 vom 07. September 2013

Merkels bayerischer Zwilling
Auch der CSU-Chef klaut der Opposition die Themen und setzt auf Demobilisierung

Weil es den Bayern gutgeht und sich die Menschen im Freistaat wohlfühlen, darf die CSU bei der Landtagswahl am 15. September wieder auf eine absolute Mehrheit hoffen. Entsprechend führt die CSU einen ruhigen Wellness-Wahlkampf ohne strittige Themen. Doch diese Demobilisierungs-Taktik birgt Risiken.

Praktisch Vollbeschäftigung, ein Überangebot von Lehrstellen, eine vorbildliche Wirtschaftsdynamik, ein Haushalt mit satten Überschüssen, seit Jahren keine neuen Schulden, sondern im Gegenteil Rückzahlung der Altschulden, Universitäten und Schulen, die die ersten Plätze der Rankings einnehmen, bei weitem größtes Geberland im Länderfinanzausgleich, Spitzenplätze in der Inneren Sicherheit: Innerhalb Deutschlands, das wie ein Fels in der Brandung der europäischen Krise steht, ist Bayern sozusagen die Felsspitze. Nicht von ungefähr kann die seit 1957 ununterbrochen regierende CSU (seit 2008 in einer Koalition mit der ungeliebten FDP) formulieren, Bayern sei das Musterland Europas.

Man sollte meinen, in so einer Situation wäre es eine Lust, Wahlkampf für die CSU zu machen. Aber die Partei von Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber hat nicht nur viel konservatives Profil, sondern auch viel Kampfeslust verloren. Träge mäandert sich der Wahlkampf durchs Land. Die linke Opposition ist schwach, ihre Kritik wirkt unglaubwürdig, zündende Themen fehlen ihr.

Die CSU ihrerseits setzt auf eine reibungslose Wellness-Kampagne, mit sommerlich an einem ein Freistaat-Bayern-Schild vorbeiradelnden Familien und den Bergen im Hintergrund. Es ist schön bei uns, heißt die Botschaft, und wir sorgen dafür, dass es so bleibt – und womöglich noch besser wird. Das einzige Motiv, das die CSU außerdem plakatiert, ist der gütig lächelnde Horst Seehofer, „Unser Ministerpräsident“.

Kritische Positionen, die das Wohlgefühl der Bevölkerung stören oder gar Kontroversen hervorrufen könnten, hat Seehofer mit seinem eingebauten Ecken-und-Kanten-Umgehungs-Radar frühzeitig geräumt. Atomkraft, die in früheren Jahren zehntausende junge Leute den Grünen in die Arme trieb? Abgeschaltet. Die Wehrpflicht, jahrzehntelang eine heilige Kuh der Union? Abgeschafft. Der Donauausbau in Niederbayern, den die Wirtschaftsverbände und die CSU seit Jahren forderten und der nebenbei auch dem Hochwasserschutz dienen würde? Abgesagt – aus Angst vor einer Umweltkampagne, aus der die Grünen Honig saugen könnten. Das strikte Sachleistungsprinzip und die Residenzpflicht für Asylbewerber, Kernbestand der eher abschreckenden bayerischen Asylpolitik seit Jahren? Werden jetzt überprüft, nachdem einige Dutzend Asylbewerber auf dem Münchner Rindermarkt medienwirksam einen Hungerstreik inszenierten. Und so weiter. Der Bayern-Korrespondent der „FAZ“ macht sich regelmäßig darüber lustig, dass SPD und Grüne viele ihrer Positionen durchgesetzt haben – aber eben über den Umweg der Positionswechsel der CSU, die er die „100-Prozent-Partei“ nennt.

Insofern wirkt Seehofer tatsächlich wie eine bayerische Ausgabe von Angela Merkel: Unangenehme Themen räumen, Diskussionen gar nicht erst entstehen lassen, so dass die eigene Leistung, die die Leute durchaus honorieren, umso heller strahlt. Der Wahlkampf wird in betont ruhiger Stimmlage geführt, statt Mobilisierung eher Demobilisierung. So trat Seehofer bei allen zehn CSU-Bezirksparteitagen auf, so trat er auch beim traditionellen Höhepunkt des Sommerwahlkampfs auf, der Bierzelt-Redeschlacht auf dem Gillamoos-Volksfest in Niederbayern: Seehofers Zelt war immerhin voll – im Gegensatz zu dem des SPD-Herausforderers Christian Ude, der außerhalb Münchens nicht besonders ernstgenommen wird. Doch mochte auch bei Seehofer keine rechte Stimmung aufkommen, zu staatstragend und sachlich war seine Rede.

Die einzigen Themen, die die CSU unerschütterlich verteidigt, sind die Rückzahlung aller Altschulden Bayerns bis 2030, der besondere Schutz von Ehe und Familie – ausweislich des Betreuungsgeldes für die rund zwei Drittel der Eltern, die ihre Kinder unter drei Jahren lieber selber erziehen wollen, sowie der erhöhten Mütterrente – und die hohen Investitionen in Innere Sicherheit und Bildung. Damit hofft Seehofer auch die von den häufigen Kursschwenks enttäuschten konservativen Stammwähler erneut zum Gang zur Urne zu bewegen.

Denn gefährlich ist diese eher demobilisierende Wahlkampftaktik in jedem Fall: Umfragewerte sind ja noch lang keine Wahlstimmen. Es kommt darauf an, die eigenen Anhänger auch ins Wahllokal zu kriegen. Und da könnte es hapern. Das haben die Landtagswahl 2008 und die Bundestagswahl 2009 gezeigt. Da gab es auch keinerlei Wechselstimmung, aber viele CSU-Anhänger sind schlicht zuhause geblieben. Folge: Die Wahlergebnisse waren jeweils deutlich schlechter als die Umfragen. Anton Heinrich


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