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07.09.13 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-13 vom 07. September 2013

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

aller guten Dinge sind Drei. Obgleich ich nicht weiß, ob die beiden ersten Berichte von Herrn Pfarrer i. R. Klaus Plorin aus Rückersdorf in unserer Ostpreußischen Familie bei unseren Leserinnen und Lesern so gut angekommen sind, wie er und ich es uns gewünscht hätten. Aber es waren auch schwierige Fragen mit ihnen verbunden, die schon von vorneherein als kaum lösbar erschienen. Der erste Fall bezog sich auf eine im November 1946 in der deutsch-russischen Schule in Königsberg abgehaltene Feier zur russischen Oktoberrevolution, an der auch die deutschen Kinder mitwirken mussten. Der damals neunjährige Klaus sollte zu der von ihm gestellten Frage: „Wer gibt uns unser täglich Brot?“ die Antwort geben: „Väterchen Stalin!“ Seine Mutter protestierte zwar: „Das ist bewusste Gotteslästerung!“, aber sie konnte nicht verhindern, dass Klaus seine Aufgabe erfüllen musste. Doch dazu kam es nicht, weil die anderen mitwirkenden Kinder, die vollkommen unterernährt waren, eines nach dem anderen umfielen und die Feier abgebrochen werden musste. Pfarrer Plorin hatte nun gefragt, ob es ehemalige Mitschüler gäbe, die damals in der ehemaligen Johanna-Ambrosius-Schule in der Luisenallee an der Veranstaltung teilgenommen hatten und sich an diesen Vorfall erinnern könnten. Das ist wohl leider nicht der Fall, wie auch der zweite bisher ungelöst blieb. Seine Mutter hatte bei der endlich bewilligten Ausreise Anfang Juni 1947 drei ihr bis dahin unbekannte Kinder, deren Mutter gerade verstorben war und denen die Ausreise deshalb verweigert wurde, als die ihren erklärt und sie zusammen mit ihren eigenen beiden Kindern bis nach Berlin gebracht, wo sie der Bahnhofsmission übergeben wurden. Die beiden älteren Brüder und ihre kleine Schwester, deren Namen leider nicht mehr bekannt sind, wollten zu ihrer in Berlin lebenden Oma. In diesem Fall hatte ich eigentlich gehofft, eine Spur zu finden, denn die Kinder könnten in Berlin verblieben sein, und mindestens der älteste, damals 14-jährige Junge müsste sich an die mit Lebensgefahr verbundene Ausreise erinnern – leider bin ich da wohl auf der falschen Spur, oder unsere Veröffentlichung erreicht sie nicht.

Und nun ist da noch ein dritter Bericht des Königsbergers, der sich an seinen ersten anschließt, aber mit einer Frage endet, die in unserem unteren Sonderbeitrag schon beantwortet wird. Die missglückte Oktoberfeier bewirkte, dass die Kinder an jenem Novembertag 1946 schulfrei bekamen. Als Klaus Plorin mit einigen Schulkameraden durch das Hufenviertel bummelte, sahen sie eine Straßenbahn, die in Richtung Juditten fuhr. Und nun lasse ich ihn selber erzählen:

„Da ich Mutters Schwärmen vom schönen Juditten im Ohr hatte, ich dort aber noch nie gewesen war, schlug ich vor, dorthin zu fahren. Die Zeit und 20 Kopeken für den Fahrpreis hatten wir ja. Wir stiegen also in den leeren Wagen ein, und ich setzte mich gleich an eines der Fenster, die ohne Scheiben waren. Als die Bahn los fuhr, sprangen aber alle Kameraden ab, so dass ich auf der langen Lawsker Allee bis zur Endstation allein blieb. Der Wagen hatte vor dem kleinen Wäldchen in Juditten gerade gehalten, da schrie die Schaffnerin dem Fahrer etwa zu. Der riss den Kontaktschwengel raus, rannte ans andere Ende des Wagens, steckte den Schwengel dort ein, und mit einem Blitzstart sausten wir in Richtung Königsberg davon. Während Schaffnerin und Fahrer aufgeregt miteinander redeten, sah ich hinter uns den Grund für die Aufregung: Eine Horde russischer Jugendlicher war aus dem Wäldchen auf die Bahn zu gerannt und gab nun doch die Verfolgung der schnel­­leren Bahn auf, so dass wir ihrem Überfall gerade noch entkamen. Diese „blauen Jungens“, wie wir sie wegen ihrer dunkelblauen Einheitskleidung nannten, waren russische Jugendliche, die während des Krieges nach Sibirien in Sicherheit gebracht worden waren – russische Kinderlandverschickung! – und nun zur Neubevölkerung nach Königsberg gebracht wurden, wo sie sich aber in dem Chaos zu gefährlichen Räuberbanden entwickelten. Sie überfielen sogar russische Soldaten, um an deren Waffen zu kommen, wie wir gehört hatten. Nun hatten wir drei wirklich Glück gehabt! Aus dunkelblauem Stoff war übrigens auch die Kleidung der deutschen Kinder, die im Waisenhaus die schlimme Zeit überlebten. Sie marschierten in Gruppen zum Unterricht. Ob jemand von ihnen noch lebt und sich erinnert?“ Da denke ich an die „Königsberger Kinder“, über die wir oft berichtet haben. Über diese Gruppe hatte ich vor längerer Zeit – also unabhängig von den Ausführungen von Pfarrer Plorin – einen Bericht von einer damaligen Betreuerin erhalten, die vom Spätsommer 1946 bis November 1947 im „Kinderhaus IV“ in Juditten tätig war. Ihre Ausführungen, die wir auf unserer Familienseite als Extrabeitrag bringen, beinhalten auch eine Antwort auf die gestellte Frage. Wer sich persönlich mit Herrn Pfarrer i. R. Klaus Plorin in Verbindung setzen will, hier seine Anschrift: Waldstraße 15 in 90607 Rückersdorf, Telefon (0911) 5700509, Fax (0911) 5404064.

Manche Suchwünsche brauchen Zeit – so stellt Frau Ute Eichler aus Hamburg fest, und sie legt dafür auch gleich einen Beweis vor. Es geht um die nach 75 Jahren zutage gekommenen Aufsätze der Schulkinder von Sausgörken, Kreis Rastenburg, über die wir in Folge 29 berichteten. In der Hoffnung, dass sich noch einige der damals zehn bis 14 Jahre alten Schülerinnen und Schüler melden würden. „Das ist jetzt eingetreten, denn mich hat ein Brief von Bruno Dreyer erreicht, der heute in Berlin lebt“, schreibt Frau Eichler, deren ostpreußischer Ehemann Dieter durch Zufall an die Aufsatzmappen kam, die im Besitz eines Lehrerkollegen war. Brunos Name war unter denen von 31 Kindern, die 1935/36 im Briefkontakt mit der Schule Deichhausen bei Büsum standen. Wechselseitig hatten damals die Schulkinder aus Ostpreußen und Dithmarschen über den Alltag in ihrer Heimat berichtet. Bruno Dreyer schreibt dazu: „Es ist erstaunlich, dass alte Unterlagen aus Sausgörken nach so langer Zeit auftauchen. Darüber habe ich mich gefreut. Die Namen der ehemaligen Mitschüler kenne ich natürlich gut. Die meisten von ihnen sind inzwischen verstorben und wenn nicht, so ist mir ihre Anschrift nicht bekannt. Bei einem Kreistreffen in Wesel 1987 waren noch rund 25 der alten Sausgörker anwesend. Unser ehemaliger Lehrer Nienhüser war in der Tat sehr engagiert und ideenreich. Er ist 1945 in Gefangenschaft verstorben. Aber mit seiner Frau hatte ich bis zu ihrem Tode noch Kontrakt. Sie wurde 100 Jahre!“ Die hat Bruno Dreyer noch nicht erreicht aber immerhin wird er am 11. September 90 Jahre alt, dazu gratulieren wir ihm schon jetzt ganz herzlich. Vielleicht erhält er ja als Geburtstagsgabe auch eine Kopie seines Aufsatzes, den er als 15-Jähriger verfasste.

Alte Fotografien haben auch für außerhalb der Familie stehende Betrachter etwas Faszinierendes, besonders wenn es sich um Hochzeitsbilder handelt. Man denkt darüber nach, mit welchen Vorstellungen das junge Paar in die Ehe gegangen ist und was dann das Leben für sie bereithielt – und das war zumeist nicht gerade ein Zuckerschlecken. Diese Überlegungen kann man auch bei Betrachtung des Hochzeitsfotos anstellen, das uns Herr Jürgen Schönwald aus Cremlingen übersandte. Es ist eine Aufnahme von der Hochzeit seiner Großeltern Schönwald aus Adamsfelde. Sehr ernst schauen die frisch Vermählten aus, als ob sie schon ahnen, was bereits die ersten Ehejahre an Sorgen und Schmerzen für sie bereithalten. Denn die Aufnahme entstand am 7. September 1913, ein Jahr vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges, in dem der junge Ehemann schwer verwundet wurde. Aber diese Überlegung ist irreführend, denn das Brautpaar wird wohl kaum an einen Krieg gedacht oder ihn gar erahnt haben. Der starre Gesichtsausdruck vor allem bei der Braut liegt an der damaligen Aufnahmetechnik mit langer Belichtungsdauer. Kommen wir aber nun zu der eigentlichen Frage, die Herrn Schönwald veranlasst, sich an uns zu wenden. Seit einiger Zeit betreibt er Familienforschung, aber sie stößt – weil zu spät begonnen – auf Schwierigkeiten, da alle Zeitzeugen, die er befragen könnte, leider nicht mehr leben. Sein Großvater, der auf dem Foto so stolz seinen Ehering zeigt, war Richard Paul Schönwald, *14. Oktober 1886 in Grafenheyde, Kreis Darkehmen/später Angerapp. Seine Frau Anna Maria geborene Meyer hat den Tag ihrer Hochzeit handschriftlich aufgezeichnet und somit den Nachkommen überliefert. Eine Heiratsurkunde von dem zuständigen Standesamt Trempen liegt nicht vor. Richard Schönwald wohnte mit seiner Familie in Adamsfelde und war beruflich in der Ziegelei Julienfelde tätig. Irgendwann muss die Familie nach Insterburg gezogen sein, wo er am 11. April 1927 verstarb. Eine Sterbeurkunde liegt nicht vor, dafür aber einige Dokumente über seine Militärzeit. Sein Wehrdienst begann am 10. Oktober 1914 als Ersatzreservist der 1. Kompanie Ersatzbataillon 3. Sechs Wochen später wurde er nach Verwundung – Gewehrschuss durch beide Wangen – in das Festungslazarett Graudenz eingeliefert. Im März 1915 wurde er als dienstfähig entlassen, muss dann als Ersatzreservist zur 9. Kompanie Unterabteilung 11, Ernte-Abteilung Litauen gekommen sein. Denn von dort wurde er im Dezember 1915 aufgrund einer Erkrankung in das Reservelazarett 124 in Tilsit eingeliefert, aus dem er am 20. Februar 1916 als verwendungsfähig entlassen wurde. Seine Gesundheit scheint aber aufgrund der Kriegsverletzungen gelitten zu haben, denn er verstarb bereits elf Jahre später im Alter von nur 41 Jahren. Ja, das alles hat das frisch vermählte Paar auf dem Hochzeitsfoto nicht ahnen können, aber darum geht es auch nicht, sondern um die Frage nach den Eltern von Richard Paul Schönwald, vor allem nach dessen Vater. Unserem Leser ist weder der Name seines Urgroßvaters bekannt noch wo er geboren wurde. Wo er wenigstens zeitweilig gelebt hat, ist aus den Geburtsangaben seines Sohnes Richard zu entnehmen: Grafenheyde. Mit großer Wahrscheinlichkeit hat er auf dem dortigen Vorwerk gearbeitet, denn als solches ist Grafenheide im Geographischen Ortsregister Ostpreußen eingetragen, eine Einwohnerzahl ist nicht vermerkt. Grafenheyde, wie es sich bis 1895 schrieb, gehörte zur Gemeinde Tatarren im Kirchspiel Trempen. Jürgen Schönwald hat bereits nach Kirchenbüchern und Standesamtsunterlagen aus Trempen geforscht, leider ergebnislos. Vielleicht können ihm da unsere Leser weiterhelfen, die über Kenntnisse der Geschichte dieser Orte im Kreis Angerapp verfügen oder Herrn Schönwald Hinweise für weitere Forschungsansätze geben können. Er wäre für jede weiterführende Hilfe dankbar. (Jürgen Schönwald, Marienburgweg 8 in 38162 Cremlingen, Telefon 05306/4267. E-Mail: jsbrief@gmail.com)

Die Ostpreußische Familie als Fundgrube! Anzubieten haben wir heute etwas, das allerdings nicht direkt Ostpreußen betrifft, aber über uns den richtigen Weg zu Interessenten finden wird. Dieses Angebot an die Leser und Leserinnen, die in der Grenzmark Westpreußen-Posen ihre Wurzeln haben, legt uns Herr Frank Schneidewind vor. Er erhielt kürzlich zwei wertvolle Heimatbücher, die auch für Heimatforscher wichtig sein könnten, von einer 88-jährigen Vertriebenen, die wohl aus dem Kreis Schlochau stammt, denn beide Bände befassen sich mit diesem Kreis. Dieses gilt vor allem für das 600 Seiten starke Buch „Der Kreis Schlochau“ von M. Vollack und H. Lemke, ein umfassendes Werk über Geschichte, Heimatkultur, Volkstum, Mundart und Wirtschaft. Der Bildband „Das Schlochauer Land“ lässt Land und Leute in 863 Abbildungen auferstehen, ergänzt durch Karten und Schaubilder von vielen Gemeinden des Kreises. Wer an diesen wertvollen Heimatbüchern Interesse hat, wende sich bitte an Herrn Frank Schneidewind, Grubenstraße 10 in 57462 Olpe.

Eure Ruth Geede


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