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07.09.13 / Drei ist einer zuviel / Wien zwischen DDR und Bonn

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-13 vom 07. September 2013

Drei ist einer zuviel
Wien zwischen DDR und Bonn

Der überaus emsige His­toriker Jochen Staadt vom „Forschungsverbund SED-Staat der FU Berlin“ hat soeben den nächsten Sammelband zur Geschichte der DDR veröffentlicht. Diesmal geht es um die schwierigen Beziehungen dreier Staaten, welche aus der Konkursmasse des Dritten Reiches erwuchsen. Während die Bundesrepublik Deutschland und die DDR sich stets als die sprichwörtlichen feindlichen Brüder gegenüberstanden, erlangte Österreich bereits im Jahr 1945 seine Staatlichkeit zurück, weil die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs aus politischen Gründen beschlossen, Österreich als erstes Opfer Hitlers zu betrachten. Die neutrale Republik Österreich geriet danach öfters mehr oder weniger freiwillig in die Rolle eines deutsch-deutschen Vermittlers, wenn die steifleinene Bundesrepublik und die vor lauter Minderwertigkeitskomplexen öfters unnötig mit den Muskeln spielende DDR nicht direkt miteinander verhandeln wollten, konnten oder durften.

Die im Buch „Schwierige Dreierbeziehung. Österreich und die beiden deutschen Staaten“ enthaltenen Studien deutscher und österreichischer Historiker sind durchweg lehrreich und spannend; ganz gleich, ob es um das von österreichischen Diplomaten beobachtete Agieren der DDR im Ostblock, den langen ideologischen Glaubenskrieg der SED und der KPÖ, um den „Revisionisten“ Ernst Fischer beziehungsweise Österreich als beliebtes „Operationsgebiet“ der DDR-Staatsicherheit geht.

Daneben erfährt man, dass so mancher DDR-Edelkommunist und führende Kulturschaffende wie Bertolt Brecht, Hanns Eisler oder Walter Felsenstein sich aus ganz pragmatischen Gründen an seine österreichische Staatsbürgerschaft nebst Reisepass klammerte, offiziell aber das Lob des Sozialismus sang. Unsäglich komisch muten dabei die von Jochen Staadt ausgegrabenen Volltrunkenheitseskapaden des Komponisten der DDR-Nationalhymne Hanns Eisler kurz nach dem 17. Juni 1953 in West-Berlin an. Diese blieben nicht, wie von Eisler gewünscht, geheim, da ausgerechnet der seinen Fall bearbeitende West-Berliner Revierpolizist ein Inoffizieller Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit war und natürlich alles brühwarm nach Ost-Berlin meldete.

Manches aus den Beziehungen zwischen der DDR und Österreich hat sogar noch Bedeutung für unsere Gegenwart. In einer kenntnisreichen Studie untersuchte Malte Fischer das Treiben der berüchtigten „Novum“-Handelsgesellschaft GmbH, welche das Maklermonopol auf den Handel zwischen der DDR und Österreich besaß, fette Provisionen kassierte und zum beidseitigen Nutzen für die devisenschwache DDR den Import von Industrieausrüstungen aus großen österreichischen, staatseigenen Konzernen wie der Voest-Alpine organisierte. Unter Leitung der berüchtigten, erst vor wenigen Monaten in Tel Aviv verstorbenen österreichischen Kommerzienrätin Josefine Steindling („Rote Fini“) wurden ab 1990 über die Konten der Novum GmbH riesige Teile des SED-Parteivermögens auf Nimmerwiedersehen verschoben. In aufwendigen Prozessen gelang es der Bundesrepublik, zumindest Teile davon bis 2012 zurückzuklagen. Dass ausgerechnet zwei Millionen Euro aus dem einstigen SED-Parteivermögen nun für den Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonskirche bereitstehen, ist ein versöhnlicher Schluss des Buches. Jürgen W. Schmidt

Jochen Staadt (Hrsg.): „Schwierige Dreierbeziehung. Österreich und die beiden deutschen Staaten“, Peter Lang, Frankfurt/M. 2013, geb., 298 Seiten, 39,95 Euro


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