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14.09.13 / Riesiger Dickschädel / Damals in Deutschland gefeiert: Thomas Wolfe starb vor 75 Jahren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-13 vom 14. September 2013

Riesiger Dickschädel
Damals in Deutschland gefeiert: Thomas Wolfe starb vor 75 Jahren

Vom Münchener Oktoberfest von 1928 trug der US-Student mehr als nur ein paar Kopfschmerzen davon. Nach sieben oder acht Maß geriet der Zwei-Meter-Riese in einen Streit mit einem halben Dutzend kräftiger Bajuwaren. Am Ende landete ein Bierkrug auf seinem Haupt. Mit gebrochener Nase und kahlrasiertem Schädel, dessen Wunden von einem Arzt nach der Rasur geflickt wurden, endete der erste Deutschland-Aufenthalt von Thomas Wolfe.

Um ein Haar wäre nichts aus dem Roman geworden, der ihn im Deutschland der 30er Jahre zum meistgelesenen US-Schriftsteller machte. Gerade genesen von seiner in München erlittenen leichten Gehirnerschütterung vollendete er ein Jahr später sein autobiografisches Werk „Schau heimwärts, Engel!“. Ähnlich wie Thomas Mann in „Buddenbrooks“ entwirft er darin ein breites gesellschaftliches Panorama seiner Provinzstadt, die nicht immer im besten Licht erstrahlt, was man ihm nie verziehen hat.

Seine Familienangehörigen und die Nachbarn konnten sich in dem Schlüsselroman unter anderen Namen wiederfinden, aber meist nicht auf schmeichelhafte Weise. Wolfes deutschstämmiger Vater, der in in dem Buch unter dem Namen Oliver Gant auftritt, wird als Säufer skizziert, der die Familie tyrannisiert und der als Steinmetz in den Appalachen im Osten der USA die Familie nur notdürftig über Wasser hält.

Eine der wenigen positiven Figuren ist die tatkräftige und geschäftstüchtige Mutter Eliza Gant, die acht Kinder zur Welt bringt, von denen als letzter Eu­gene Gant alias Thomas Wolfe am 3. Oktober 1900 geboren wird. Für die Schilderung seiner Kindheits-, Lehr- und studentischen Wanderjahre benutzt Wolfe neben traditionellen, oft sogar rührseligen Erzählweisen zum Teil auch die von John Dos Passos und James Joyce entwickelten modernen Stilmittel wie dem Bewusstseinsstrom oder Collagetechniken. Der expressionistische Dichter Hans Schiebelhuth übersetzte das 1932 für den Rowohlt Verlag derart lebhaft, dass das Buch in Deutschland ein größerer Erfolg wurde als in den USA. Der Autor Ralph Giordano etwa erklärte den Roman nach der Lektüre zu seinem „Lebensbuch“ und nahm es als Vorbild für seine eigene Familiensaga „Die Bertinis“.

Als gefeierter Autor unternahm Wolfe weitere Reisen in die Heimat seines Vaters. So besuchte er 1936 die Olympischen Spiele und versuchte, in Briefen ein ihm verzerrt erscheinendes Bild vom Dritten Reich in den USA zurechtzurücken: „Ich begreife nicht, wie jemand herkommen und dies Land nicht, gleich mir, lieben kann, seine vornehme gotische Schönheit und seine geradezu lyrische Liebenswürdigkeit, oder die Deutschen selbst, die, wie ich glaube, das sauberste, das freundlichste, das warmherzigste und das ehrenhafteste Volk sind, das ich je in Europa traf.“

In seinem 1940 postum erschienen Roman „Es führt kein Weg zurück“, schildert Wolfe allerdings ein Erlebnis an der belgischen Grenze, als die Polizei einen jüdischen Reisegefährten aus dem Zug abführt. Für den Erzähler war dies nicht nur „ein Abschied von einem Menschen, sondern von der Menschlichkeit“.

Dieser letzte Roman setzte ebenso wie die beiden zuvor erschienenen Werke „Von Zeit und Strom“ und „Geweb und Fels“ Wolfes autobiografische Erzählung von „Schau heimwärts, Engel!“ fort. Er schrieb unermüdlich über sein Leben und lieferte ganze Koffer voller Manuskript­seiten bei seinen Verlegern ab, die daraus nach Gutdünken jeweils gekürzte Buchfassungen auf den Markt warfen. Wolfes Rechnung, auf diese Weise alle zwei Jahre ein neues, riesiges Kapitel seines Lebens zu veröffentlichen und so bis zu seinem 55. oder 60. Lebensjahr 20 dicke Bücher geschrieben zu haben, erfüllte sich nicht. Er starb am 15. September 1938 bereits mit 37 Jahren an Tuberkulose. Harald Tews


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