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14.09.13 / Gar nicht so geheimer Geheimdienst / Geschichte und Aufgabe des »Stauffenberg-Dienstes« der CDU

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-13 vom 14. September 2013

Gar nicht so geheimer Geheimdienst
Geschichte und Aufgabe des »Stauffenberg-Dienstes« der CDU

Als die SPD 1969 in eine Große Koalition mit der CDU/CSU eintrat und sogar das Auswärtige Amt übernahm, sahen stramme Konservative das Abendland in Gefahr. Man gewann seitens politischer CDU-Hardliner einen bislang in einer Münchener BND-Nebenstelle mit dem Verfassen von Aufgabenstellungen beschäftigten, frustierten BND-Beamten und beauftragten ihn, einen CDU-internen „Informationsdienst“ zu außenpolitischen Fragen zu organisieren. Fortan beschäftigte sich jener Ex-BNDler Hans Christoph von Stauffenberg nebst seinen vom BND mitgebrachten Sekretärinnen in einem Zweieinhalb-Personen-Nachrichtendienst damit, die bei ihm regelmäßig einlaufenden, vertraulichen Informationsübersichten von zehn bis zwölf Informanten zu Fragen der europäischen und Weltpolitik in einem „Newsletter“ zusammenzufassen, der mit Vermerk „Persönlich“ an einen kleinen Kreis ausgewählter CDU/CSU-Politiker, konservativer Medienmänner und Industrieller versandt wurde. Die Informationen stammten von gutinformierten Zeitgenossen, die als Journalisten und ähnliches tätig waren und deren Identität von der Verfasserin teilweise enthüllt werden konnte. Sie waren gut bezahlt, nicht immer deutscher Herkunft, kannten so manchen ausländischen Spitzenpolitiker und Diplomaten und konnten neben politischen Interna nebst etwas Klatsch und Tratsch mitunter einmal aus Dokumenten ausländischer Nachrichtendienste zitieren. Jener „Stauffenberg-Dienst“ hatte ständig mit Geldmangel zu kämpfen und hauchte sein Leben aus, als die CDU endlich unter Helmut Kohl wieder die gewünschte Dominanz erreichte.

Doch was bewog den Verlag, hier von einem bedeutenden „politischen Skandal“ zu sprechen, und anzukündigen, das Buch werde das Bild mancher politischer Protagonisten der Bundesrepublik „gründlich zurechtrücken“? Dies ist vor allem der Fähigkeit von Verfasserin Stefanie Waske geschuldet, sich als „Geheimdienstexpertin“ und zielstrebige „Enthüllerin“ zu inszenieren. Waske spekulierte mit Erfolg darauf, dass das Gedächtnis der Bundesbürger in der Regel kurz ist und deren Kenntnisse über bundesdeutsche Geschichte recht begrenzt sind. Als erste bundesdeutsche Partei leistete sich nämlich nach 1945 ausgerechnet die SPD einen „Geheimdienst“, nämlich ihr „Ostbüro“, das genau in dem Moment beerdigt wurde, als die Oppositionspartei SPD Regierungsverantwortung übernahm. Außerdem hätte jeder Interessierte, der ab den 80er Jahren die Publikationen über die Langemann- und Goliath-Affäre verfolgte, über die Existenz und Wirksamkeit des „Stauffenberg-Dienstes“ informiert sein können.

Würde sich Stefanie Waske nur etwas in der Wirtschaft auskennen, so wäre sie erstaunt, welche privaten „Informationsdienste“ zur Versorgung genau umrissener Kreise mit offen zugänglichen, aber auch vertraulichen und mitunter sogar geheimen Informationen es in der Bundesrepublik einst gab und heute immer noch gibt.

Unsäglich komisch mutet es zudem an, wenn ausgerechnet die „Enthüllungsjournalistin“ Waske dem „Stauffenberg-Dienst“ das Recht abspricht, private Informationen über ausländische Politiker einzuholen, da ihm hierzu angeblich die „politische Berechtigung“ fehlte.

Stefanie Waske hat leider das wahrhaft Skandalöse am „Stauffenberg-Dienst“ nicht erkannt, nämlich den Staat in seiner Eigenschaft als Beute der Parteien. So leistete sich die CDU zwar einen parteieigenen Informationsdienst, aber zur Wahrung von Besoldungs- und Pensionsansprüchen wurde dessen Leiter natürlich in der bayerischen Staatskanzlei platziert und aus dem Staatssäckel besoldet.

Die SPD war nicht viel besser, höchstens durch lange Machtlosigkeit noch viel ausgehungerter. So konnte damals ein nachrichtendienstlich total unbeleckter SPD-Parteibuchinhaber plötzlich BND-Vizechef werden und ein gelernter Fotograf ohne akademische Ausbildung (Günter Guillaume) Referent im Bundeskanzleramt. Beide endeten später mit großen Skandal, der eine, weil er seine Triebe nicht im Zaum hatte, und der andere als ertappter Stasi-Spion. Auch wurde der „Stauffenberg-Dienst“ nicht etwa durch Parteigelder der CDU finanziert, sondern aus mancherlei anderen Quellen, wie etwa „Spenden“ aus der Wirtschaft. Für diese gab es dann ordnungsgemäße Quittungen, so dass am Ende noch der Steuerzahler für den kurzlebigen CDU-Informationsdienst aufkam. Wenn das mal kein Skandal ist … J. W. Schmidt

Stefanie Waske: „Nach Lektüre zu vernichten. Der geheime Nachrichtendienst von CDU und CSU im Kalten Krieg“, Hanser, München 2013, geb., 303 Seiten, 19,90 Euro


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