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21.09.13 / Sanssouci der Pferde / Brandenburger Gestüt Neustadt/Dosse feiert 225-jähriges Bestehen – Friedrich Wilhelm II. war der Geburtshelfer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-13 vom 21. September 2013

Sanssouci der Pferde
Brandenburger Gestüt Neustadt/Dosse feiert 225-jähriges Bestehen – Friedrich Wilhelm II. war der Geburtshelfer

1788 von Friedrich Wilhelm II. gegründet, hat das Kleinod der Königlich Preußischen Gestütsverwaltung in der Ostprignitz alle Wirren der Geschichte überlebt. In diesen Tagen feiert das Gestüt Neustadt/Dosse sein Jubiläum noch am 21. und 28. September bei den Hengstparaden.

In Neustadt/Dosse finden seit den 1920er Jahren alljährlich im September Hengstparaden statt. Modern ausgedrückt stellen sie eine Art Casting Show dar, die dem Züchter die Wahl des Vaters seines zukünftigen Fohlens erleichtern soll. Wie überall, hat sich auch hier der Charakter der Paraden im Lauf der Zeit geändert. Neben traditionellen Schaubildern wie Ungarische Post, Dressur- und Springquadrille ge­hören heute immer mehr Show­elemente dazu. Im Jubiläumsjahr stehen sie unter dem Motto „Von der Gründerzeit eines Zucht- und Landgestütes 1788 bis hin zur Gegenwart einer modernen Sportpferdezucht“, selbstredend in entsprechenden historischen bis neuzeitlichen Kostümen.

Dabei darf man sich auf eine umfangreiche Palette einstellen. Denn das Kleinod preußischer Baukunst ist nicht nur ein anerkanntes Kompetenzzentrum deutscher Pferdezucht mit einem Landgestüt und einem Hauptgestüt für Hengste und Stuten. Beide sind durch eine ein Kilometer lange Lindenallee miteinander verbunden. Auf dem 400 Hektar großen Areal ist jedes Jahr auch der Sport mit einem internationalen Springturnier zu Hause ge­nauso wie das in Deutschland einmalige Projekt „Reiten in der Schule“, bei dem in Kooperation mit der Neustädter Prinz-Homburg-Schule das Fach Reiten auf dem Stundenplan steht und dessen Note versetzungsrelevant ist.

Neustadts Geschichte als „Stadt der Pferde“ begann allerdings schon vor 1788. Begründet wurde sie von Landgraf Friedrich II. von Hessen-Homburg, der 1662 die Sumpfgebiete rund um die Stadt trockenlegen und in Weiden verwandeln ließ. Ein Unterfangen, das ihm die Pferdehaltung ermöglichte und sich als äußerst profitabel erwies. Denn schon bald konnte er seine Rösser mit gutem Gewinn an die kurfürstliche Reiterei verkaufen. 1694 gingen Neustadt und Umgebung über in den Besitz des Kurfürsten Fried-

rich III., des späteren Königs Fried­rich I., und fiel somit an Brandenburg. Die Zuchtstätte wurde Hofgestüt. Friedrich Wilhelm I. hielt es jedoch für finanziell sinnvoller, hier Maultiere statt Pferde für die Armee zu züchten. Sein Sohn Friedrich der Große sah das nicht anders.

Erst dessen Nachfolger, Fried­rich Wilhelm II., der 1786 den Thron bestieg, erkannte den großen wirtschaftlichen Nutzen der Landespferdezucht. Mit sicherem Gespür für das Notwendige nahm er sich ihr mit Passion und Sachkenntnis an und begann unverzüglich damit, das preußische Gestütswesen völlig neu zu konzipieren. Passender als mit dem Einzug seiner Krönungskutsche können die Hengstparaden 2013 dann auch nicht beginnen.

Die Reformierung übertrug der König Carl Heinrich Graf von Lindenau, der zu seiner Zeit als bester Hippologe, Reiter und Organisator galt. Eine seiner ersten Amtshandlungen war es, 1787 im Haupt- und Landgestüt Trakehnen eine Generalmusterung des Pferdebestandes durchzuführen und rigoros zu selektieren. Von 38 vorhandenen Hauptbeschälern wurden 25, von 356 Stuten 144 ausgemustert. Eine Maßnahme, die sich für die Zucht als segensreich erweisen sollte.

Als Oberstallmeister, also Leiter der gesamten preußischen Gestütsverwaltung, gehörte auch die Errichtung neuer Gestüte zu von Lindenaus Aufgaben. Im Zuge dieser Maßnahmen wurde 1788 der Grundstein zum Friedrich-Wilhelm-Gestüt gelegt, dem heutigen Brandenburgischen Haupt- und Landgestüt Neustadt/Dosse. Dabei beschränkte sich der König nicht allein auf die Erneuerung der Pferdezucht, er modernisierte auch dessen Rahmen. Denn mit Friedrich Wilhelm II. hielten die Formen des Klassizismus in Preußen Einzug. Einer seiner ersten Bauten war der prachtvolle frühklassizistische Kutschenstall in Potsdam. Erbaut von 1787 bis 1790 unter Hofbaumeister Andreas Ludwig Krüger, beherbergt er heute das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte.

Für die Pläne der Neustädter Anlage waren jedoch Graf von Lindenau und der Baumeister Ephraim Wolfgang Glasewald verantwortlich. Ebenso schön wie zweckmäßig, konnte das denkmalgeschützte Ensemble jetzt mit Hilfe des Europäischen Ausgleichsfonds und Mitteln des Landes Brandenburg bereits zum Großteil saniert werden. Seitdem erstrahlen nicht nur das schloss­ähnliche Land­stallmeisterhaus und die Kavaliershäuser wieder im alten Glanz. Während in Trakehnen das Königreich der Pferde 1945 unterging, erlebte das Sanssouci der Pferde in Neustadt immer wieder eine Renaissance.

Denn untergegangen war das Gestüt nie. Bis 1945 war es Teil der Preußischen Gestütsverwaltung und ähnlich wie Trakehnen aufgebaut. Zu DDR-Zeiten avancierte Neustadt zur wichtigsten Zuchtstätte der Republik, von der jährlich etwa 700 Pferde in den Westen verkauft wurden. 1992 wurde das Gestüt dem Land Brandenburg übertragen und seit 2001 ist es eine Stiftung öffentlichen Rechts. Heute stehen dort wieder rund 40 Hengste, die sich während der Deckperiode auf rund zehn Deckstellen in Brandenburg und Sachsen-Anhalt verteilen. 14 bis 16 Hengste verbleiben in Neustadt/Dosse, wo alle modernen Fortpflanzungstechniken praktiziert werden.

Im Neustädter Haupt- und Landgestüt stehen heute über 320 Pferde. Von denen hat vor allem in der Stutenherde, ursprünglich beson­ders für die Erzeugung eigener Zuchthengste eingerichtet, der weibliche Nachwuchs von sich reden gemacht. Denn mit Poetin erblickte 1997 eines der teuersten Dressurpferde aller Zeiten in Neustadt/Dosse das Licht der Welt. Mehrfach Siegerin beim Bundeschampionat und Weltmeisterin der sechsjährigen Dressurpferde, wechselte das Ausnahmepferd 2003 über die PSI-Auktion von Paul Schockemöhle für die Rekordsumme von 2,5 Millionen den Besitzer. Doch all ihre Ta­lente brachten der lackschwar­zen Schönheit kein Glück. Nochmals verkauft, erkrankte Brandenburgs Wunderpferd an Hufrehe, einer schweren Huf-Entzündung, und musste schließlich im Alter von nur acht Jahren eingeschläfert werden. Als Denkmal lebt das Aushängeschild der brandenburgischen Pferdezucht je­doch in Neustadt/Dosse weiter.

Quicklebendig ist dagegen der Neustädter Starvererber Quaterback, der 2003 auf dem Gestüt zur Welt kam. Auch sein Zuhause ist das Dressurviereck, wo er mit leichtfüßigem Trab und revolutionärem Galopp glänzt. Seine bisher 50 gekörten Söhne sind inzwischen in fast allen Zuchtgebieten der Welt vertreten. Und damit auch der Name Brandenburg. Helga Schnehagen


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