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28.09.13 / Ignorierte Schuldenbremse / Von Merkel durchgesetzter EU-Fiskalpakt besteht nur auf dem Papier – Staatshaushalte entgleisen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-13 vom 28. September 2013

Ignorierte Schuldenbremse
Von Merkel durchgesetzter EU-Fiskalpakt besteht nur auf dem Papier – Staatshaushalte entgleisen

Nur ein Jahr ist es her, dass mit der Hinterlegung der deutschen Ratifikationsurkunde am 27. September 2012 der Euro-Rettungsfonds ESM seine Arbeit aufnehmen konnte. Zwölf Monate später versucht die EU-Kommission, die Bedingungen für die deutsche Zustimmung zum ESM – die sogenannte Schuldenbremse – per Statistiktricks wieder aufzuweichen.

Zumindest mangelnde Phantasie kann man der Brüsseler Bürokratie bei der Aushebelung des EU-Fiskalpaktes nicht vorwerfen. Merkels Bedingung für die Zustimmung zur Euro-Rettung mit deutschen Steuergeldern wollen die EU-Finanzexperten mit einer neuen Berechnungsmethode umgehen. Die Haushaltsdefizite der Euro-Krisenländer sollen einfach kleingerechnet werden. Der Trick: eine Neudefinition des sogenannten strukturellen Haushaltsdefizits. Dieses ergibt sich aus dem regulären Defizit, das um Konjunktureinflüsse und einmalige Effekte bereinigt wird. Nach den Brüsseler Plänen sollen künftig Länder mit hoher Arbeitslosigkeit oder schrumpfenden Volkswirtschaften besser dastehen als bisher und deutlich mildere Sparziele erhalten. Die Profiteure der Regelung: Spanien, Irland, Griechenland und Portugal.

Die statistische Trickserei, die einstweilen noch in den Schubladen der Brüsseler Amtsstuben liegt, mag zwar die breite Öffentlichkeit beeindrucken, nicht aber die Finanzmärkte. Dort wird langst registriert, dass die Schulden der Krisenländer trotz aller Rhetorik von den „Lichtblicken am Horizont“ immer weiter steigen. In Spanien ist die Staatsverschuldung zum Vorjahr um

17 Prozent gestiegen. Sogar ohne Schattenhaushalte und Schulden der Kommunen ist damit ein Schuldenstand von 942 Milliarden Euro oder 92 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung erreicht. Das mittlerweile obsolet scheinende Maastricht-Kriterium sah 60 Prozent vor, ab einem Stand von 80 Prozent gilt eine Staatsverschuldung gemeinhin als nicht mehr tragfähig.

Längst über diesen Punkt hinaus ist Italien. Dort rechnet das Finanzministerium damit, dass im nächsten Jahr eine Schuldenquote von 132 Prozent erreicht wird. Kaum besser sind die Aussichten für Frankreich. Wie „Le Figaro“ meldet, rechnet man in Paris, dass Frankreichs Staatsverschuldung Ende 2014 die Zwei-Billionen-Marke erreichen wird. Entsprechen wird dies 95 Prozent der französischen Wirtschaftsleistung. Dass Wolfgang Schäuble (CDU) in der Endphase des Bundestagswahlkampfes noch das Risiko einging, anzudeuten, dass Griechenland ein weiteres Hilfspaket brauchen wird, hat auch einen handfesten Hintergrund. Wie die griechische Zeitung „to vima“ berichtet, sind im ersten Halbjahr dieses Jahres Griechenlands Schulden auf 321 Milliarden Euro oder 180 Prozent der Wirtschaftsleistung angestiegen. Damit ist die sogenannte Rettungspolitik für Griechenland nur als Desaster zu bezeichnen: Das Land hat aktuell mehr Schulden, als zu Beginn aller Rettungsbemühungen im Jahr 2009.

Zwischenzeitlich sind allerdings im Jahr 2010 ein Rettungspaket über 73 Milliarden Euro und im Jahr 2012 ein zweites Paket mit 173 Milliarden Euro in Richtung Athen geflossen. Im März 2012 folgte ein Schuldenschnitt im Volumen von rund 100 Milliarden Euro. Wenn nun ein drittes Rettungspaket für Griechenland immer konkretere Formen annimmt, kann dies eigentlich nur als Offenbarungseid der „Euro-Retter“ aufgefasst werden. Naheliegend ist da der Verdacht, dass private Kreditgeber ihre Forderungen an Griechenland lediglich an Europas Steuerzahler weitergereicht haben, anstatt Verluste selbst zu tragen.

Dabei sind die Staatsschulden nur ein Teil des Problems. Mit der anhaltenden wirtschaftlichen Misere werden in den Krisenstaaten Südeuropas auch die Bankkredite an Privatleute und Unternehmen immer stärker notleidend. Allein Spaniens Banken haben mittlerweile die Rekordsumme von 178,7 Milliarden Euro an faulen Krediten bei der von Madrid gegründeten Bad Bank abgeladen. Damit sind inzwischen zwölf Prozent der Kredite spanischer Banken vom Ausfall bedroht. Auch hier droht, dass es letztendlich wieder Europas Steuerzahler und Bankkunden sein werden, die haften. Ausgerechnet das deutsche EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen hat unlängst vorgeschlagen, dass der Euro-Rettungsfonds ESM übergangsweise auch für die Abwicklung maroder Banken des Euro-Raums einspringen soll. Diese Übergangslösung solle dann solange greifen, bis ein geplanter Abwicklungsfonds des aus Frankreich stammenden EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier einsatzbereit ist.

Nach Barniers Vorstellungen soll der Fonds über zehn Jahre von den Kreditinstituten der Euro-Zone über Bankenabgaben aufgefüllt werden, bis ein Betrag von etwa

55 Milliarden Euro zusammenkommen ist. Klar dürfte damit sein, an wen die Banken die Rechnung für den Abwicklungsfonds weiterreichen werden: an ihre Kunden. Sowohl bei Asmussens Übergangslösung als auch bei Barniers Plan wären künftig die Deutschen – entweder als Steuerzahler, oder aber als Bankkunden – mit von der Partie, wenn irgendwo in der Euro-Zone marode Banken aufgefangen werden müssen.  Norman Hanert


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