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28.09.13 / EU-Kritiker in Rage / Henryk M. Broder über undemokratisches, gleichmacherisches Brüssel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-13 vom 28. September 2013

EU-Kritiker in Rage
Henryk M. Broder über undemokratisches, gleichmacherisches Brüssel

Dieses Buch sollten Sie keinesfalls am Stück lesen. Die Lektüre könnte sonst Ihre Gesundheit gefährden“, steht auf der Rückseite des Buchumschlages zu „Die letzten Tage Europas. Wie wir eine gute Idee versenken“. Verfasser des Buches ist der ehemalige „Spiegel“-Autor, heutige „Welt“-Kolumnist und Begründer des politischen Blogs „Achse des Guten“ Henryk M. Broder. Und Broder steht zwar für Provokation, aber eben auch für klare Worte und die bietet er seinen Lesern auch in diesem Buch. Broder schreibt, dass Europa und die EU lange für ihn kein Thema waren. 1946 in Kattowitz in Polen geboren, seit Jahrzehnten in Deutschland lebend und gern den Kontinent bereisend, sah er sich immer als Europäer, doch bei den Recherchen zum Buch stellte er fest, dass zwischen seinem Empfinden und dem, was die EU unter dem Begriff Europa versteht, Welten liegen.

Und so gibt Broder in seinem Buch all jenen eine Stimme, für die dieses von oben verordnete Europa keineswegs alternativlos ist. Der Autor wehrt sich laut Klappentext gegen das „undemokratische, gleichmacherische und wertevernichtende Merkel-Barroso-Draghi-Europa und dessen Alarmismus“.

Broder denkt bei der jetzigen EU an Woody Allens Definition von Ehe, wonach diese ein Versuch sei, „zu zweit Probleme zu lösen, die man allein nicht gehabt hätte“. Und zumindest bei der europäischen Gemeinschaftswährung passt dieser Satz perfekt. Brüssel selbst ist für den Autor eine Art Varieté. „Hier werden Milliarden aus dem Hut gezaubert und gleich pulverisiert, hier werden Ströme von Wein in Wasser verwandelt, hier wird, wie früher in Rom, per Daumenzeichen über das Schicksal von Menschen entschieden, die Tausende von Kilometern entfernt erst dann merken, wie machtlos sie sind, wenn es zu spät ist.“ Und bei aller scheinbaren Polemik, die in diesem schönen Bild steckt, liefert der Autor allerdings noch genügend Beispiele mit, die belegen, dass das Gesagte eben nicht nur leere Worte sind. So schreibt er, über wie viel Geld die EU entscheiden kann, wie viele hochbezahlte Mitarbeiter sie beschäftigt, um am Ende Dinge zu beschließen, die selten das Leben der Menschen verbessern.

Auch schreibt Broder über die Rolle der Deutschen in der EU, die im Vergleich zu den anderen Mitgliedsstaaten als Wirtschaftsmacht gelten, „was an ein Wunder grenzt, wenn man sich vergegenwärtigt, wie viele Deutsche aus Prinzip nicht arbeiten (Berliner), unproduktiven Tätigkeiten nachgehen (Sozialpädagogen, Integrationsberater, Frauenbeauftragte) oder die Zeit bis zur Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens mit Klagen über die zunehmende soziale Kälte überbrücken“. Derartige, fein formulierte Spitzen hat Broder zahlreich zu bieten. Sie sorgen dafür, dass das Buch über das staubtrockene Thema EU flott lesbar ist. Zudem bringen sie die vorhandenen Probleme häufig auf den Punkt, auch wenn der Autor oft mit dem Stilmittel der Übertreibung arbeitet.

Außerdem beklagt Broder, dass „Europa-Kritiker“ inzwischen mindestens zu einem ähnlichen Schimpfwort geworden sei wie „Rechtspopulist“. Dabei stelle er doch nur berechtigte Fragen. Wie zum Beispiel sei es möglich, dass obwohl die EU Tausende Experten beschäftige, Länder wie Bulgarien und Rumänien aufgenommen worden seien, obwohl alles sachlich dagegen gesprochen habe. Gleichzeitig würden Massen an Papier beschrieben, die jedoch außer Lobpreisungen der EU, „Nullsätzen“ und „Wortlawinen“ kaum Inhalt hätten. Auch nervt es ihn, dass Politiker jede Kritik an der EU mit dem Argument ablehnten, dass sonst der Frieden in Gefahr sei. Alle paar Seiten zitiert Broder EU-Repräsentanten und verdeutlicht so, was für einen Quatsch diese häufig von sich geben und unter welcher Selbstüberschätzung sie leiden. Der Autor spricht angesichts des EU-Personals vom neuen europäischen Adel, fühlt sich aber auch oft genug an die Sowjetunion erinnert: „Es war, als hätte das Politbüro der KPdSU eine Feier zu Ehren des Zentralkomitees organisiert, zu der die Vertreter der Bruderstaaten angereist kamen, um Grußbotschaften abzuliefern.“

Die Idee der „Vereinigten Staaten von Europa“ hält Broder zudem für absoluten Blödsinn. „Mehr Europa, mehr Integration bedeutet mehr gegenseitige Abhängigkeit – und weniger Möglichkeiten, flexibel auf Unwägbarkeiten und überraschende Ereignisse zu reagieren“, begründet er seine Ablehnung ganz sachlich. Ansonsten bleibt Broder selten sachlich, was dazu führt, dass „Die letzten Tage Europas. Wie wir eine gute Idee versenken“ erstklassige Unterhaltung bietet, aber für eine Diskussion zum Thema EU zu wenig Fakten und Zahlen liefert. Rebecca Bellano

Henryk M. Broder: „Die letzten Tage Europas. Wie wir eine gute Idee versenken“, Knaus, München 2013, geb., 222 Seiten, 19,99 Euro


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