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© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-13 vom 05. Oktober 2013
Von einer Liebesheirat weit entfernt Aufgeschreckt von der eigenen Basis will die Union nun nicht über Steuererhöhungen verhandeln, sagt sie. Die SPD sitzt nicht minder in der Klemme zwischen Machtwillen und Druck aus der eigenen Partei. Die ersten Botschaften der möglichen Partner einer Großen Koalition deuten auf spürbare Verunsicherung auf beiden Seiten hin. Nur drei Tage nach der Bundestagswahl meldeten etliche Medien mit guten Quellen in Berlin übereinstimmend, dass das Haus von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bereits an Kompromissvorschlägen an die SPD für Steuererhöhungen arbeite. Der Minister selbst äußerte vielsagend: „Wir sollten jetzt schauen, wie die Gespräche laufen.“ Er sei „persönlich der Meinung, dass der Staat keine zusätzlichen Einnahmequellen benötigt“. Das klang unverhohlen wie der Anlauf zum Bruch eines zentralen Wahlversprechens. Die Union hatte höhere Belastungen der Steuerzahler vor der Wahl kategorisch ausgeschlossen. Schäubles Äußerung erschien wie ein billiger Trick, das Spiel mit verteilten Rollen: Die Union erfüllt scheinbar ihr Wahlversprechen, indem sie sich Steuererhöhungen – zunächst – widersetzt, um sich dann (in Wahrheit voller Genugtuung) den SPD-Begehrlichkeiten zu beugen, die insgeheim immer auch die eigenen waren. Doch das Manöver war zu leicht durchschaubar. Es hagelte Protest aus allen Teilen der Union, der offenbar Wirkung zeigte. Vergangenen Sonntag sahen sich CSU-Chef Horst Seehofer und CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder zu scharfen Formulierungen genötigt: Die „Bürger haben mein Wort“, dass es zu keinen Steuererhöhungen komme, so Seehofer. Kauder stellte zum Thema Steuererhöhungen klar: „Keine heißt keine!“ Das habe ihm die Bundeskanzlerin im Gespräch versichert. Worüber aber will man dann mit der SPD verhandeln? Die Sozialdemokraten pochen auf eine Mehrbelastung höherer Einkommen, mit der sie unter anderem Entlastungen bei unteren und mittleren Gehältern finanzieren wollen. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles spekuliert offenbar darauf, die Union notfalls per Geduldsspiel weichzukochen. Die Verhandlungen könnten sich auch bis Januar hinziehen. Die SPD wolle sich nicht drängen lassen, so Nahles. In Wahrheit ist auch die SPD-Spitze hochnervös. Bei der SPD-Basis, die das letzte Wort zu einem möglichen schwarz-roten Bündnis haben soll, ist eine Neuauflage der Großen Koalition außerordentlich unbeliebt. Genossen haben für diesen Fall gar mit ihrem Austritt gedroht. Das könnte auf einen erneuten Aderlass in Richtung Linkspartei hinauslaufen, wie ihn die SPD schon einmal nach den Hartz-Reformen durchlitten hatte. Nun, da „Die Linke“ ihren Zenit endlich überschritten zu haben scheint, soll das wieder losgehen? Eine Horrorvorstellung für Parteichef Sigmar Gabriel und die SPD-Führung. Daher wird er seiner Partei sichtbare Erfolge bei den Verhandlungen mit der Union vorweisen müssen – insbesondere bei der Steuerpolitik, die im SPD-Wahlkampf unter der Parole „Verteilungsgerechtigkeit“ die Rolle spielte. Und er wird dabei auf eine Union treffen, die sich aufs Gegenteil festgelegt, im Falle Seehofers sogar ihr „Wort“ gegeben hat. Bei anderen Themen wie Mindestlohn, Mindestrente, Frauenquote oder Energiepreise hatte sich die Union bereits im Vorfeld der Wahlen ein Mitte-Links-Profil zugelegt, das schnelle Einigungen mit den Sozialdemokraten möglich machen wird. In der Euro-Frage sind die Gegensätze ebenfalls eher symbolischer Natur: Die SPD will die europäische Haftungs- und Schuldengemeinschaft offen herbeiführen, während die Union das Gleiche bislang nur über Umwege eingeleitet hatte, um bürgerliche Wähler nicht allzu sehr aufzuschrecken. Im Ziel sind sich beide Parteien einig: Nach der Parole „Scheitert der Euro, scheitert Europa“ sind sie bereit, jede erdenkliche Belastung der Deutschen zu akzeptieren, sofern es die „Rettung“ des Euro-Systems zu erfordern scheint. Das wissen auch die europäischen Partner, die ihre vor der Wahl eher zurückgehaltenen Forderungen an die Deutschen nun umso lauter anmelden. Wer in der Steuerproblematik am längeren Hebel sitzt, ist kaum abzuschätzen. Dass allerdings Angela Merkel Lust verspürt, bis Januar mit den Ministern der skalpierten FDP zu regieren, ist zweifelhaft. Zudem eine so lange Zeit ohne ordentlich gewählte Regierung auch für EU und Euro-Zone sicher eine Belastung wäre. Die „Alternative für Deutschland“ (AfD) dürfte dem Gerangel von Rot und Schwarz gelassen zusehen. Den Einzug ins Parlament nur um Haaresbreite verpasst, steigen die Umfragewerte der Euro-kritischen Partei seit der Wahl weiter. Sieben Tage nach dem Urnengang ermittelte Emnid erstmals sechs Prozent für die Senkrechtstarter, so viel wie noch nie. Gleichzeitig rutschte die FDP in Umfragen auf drei Prozent ab. Daraus lässt sich ableiten, dass von den 4,8 Prozent, mit denen die Liberalen aus dem Bundestag geflogen waren, noch rund ein Drittel tatsächlich aus „Leihstimmen“ bestanden hat – Wähler also, welche die FDP nur angekreuzt hatten, um der Union den Partner zu retten. Die Union verbessert sich in der selben Emnid-Umfrage gegenüber dem Wahlausgang um ziemlich genau den Wert, welchen die FDP verliert, von 41,5 Prozent auf 43. Während es für die Freidemokraten nun weiter ums nackte Überleben geht, hat die AfD die harte Aufgabe, nach knapper Verfehlung des Wahlziels eine stabile Parteistruktur aufzubauen. Dieser Prozess wird, neben den zähen Verhandlungen von Union und SPD und dem Fortgang der Euro-Krise, die spannendste Entwicklung der kommenden Monate werden. Hans Heckel |
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