26.04.2024

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05.10.13 / Im Schatten der fünf Prozent

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-13 vom 05. Oktober 2013

Im Schatten der fünf Prozent
von Hans Heckel

Stabile Mehrheiten sollte sie sicherstellen, indem sie eine Zersplitterung der Parteien verhindert. Seit 1953 herrscht in Deutschland die Fünf-Prozent-Sperrklausel, nicht geliebt, aber hingenommen als scheinbar notwendiges Übel.

Nunmehr aber mehren sich die Stimmen, welche die Schattenseiten der hohen Hürde in den Mittelpunkt stellen. Drei Gründe werden gegen die Klausel in Anschlag gebracht.

Erstens habe sie diesmal nicht etwa für „stabile Verhältnisse“ gesorgt, sondern eher fürs Gegenteil. Mit FDP und AfD gäbe es im Bundestag eine stabile bürgerliche Mehrheit, nur die Hürde habe das verhindert, was zum zweiten Einwand führt: Deutschland hat mit absoluter Mehrheit bürgerliche Parteien gewählt. Im Bundestag aber sitzen, auch wenn es zur Großen Koalition kommt, mit SPD, Linkspartei und Grünen mehr linke als bürgerliche Abgeordnete. Der Wählerwille wird also verfälscht.

Drittens erscheint das Argument „Verhinderung von Splitterparteien“ 2013 besonders unglaubwürdig: FDP und AfD haben je mehr als zwei Millionen Stimmen gewonnen. Hans-Jürgen Papier, von 2002 bis 2010 Präsident des Bundesverfassungsgerichts, hält den Begriff „Splitterpartei“ für derart große Wählergruppen für abwegig und hält eine Senkung der Hürde auf drei Prozent für sinnvoll. Dort liegt die Klausel in Deutschland derzeit bei den Wahlen zum EU-Parlament.

Zusätzlich sollte ein vierter Einwand nicht übersehen werden: Die Sperrklausel verhindert nicht nur, dass neue Parteien allzu leicht den Sprung ins Parlament schaffen. Sie wirkt damit auch disziplinierend auf die Abgeordneten des Bundestages im Sinne ihrer Parteispitzen.

Wenn sich eine kleinere Gruppe Abgeordneter gegen ihre Partei wendet, hat sie praktisch keine Aussicht, notfalls außerhalb der bisherigen Fraktion eigene Wege zu gehen. Abspaltungen stehen nahezu ohne Aussicht da, ins Parlament zurückzukehren. Also müssen sie sich letztlich der eigenen Führung fügen, wenn sie ihre politische Zukunft nicht verspielen wollen.

Dies verschafft den Partei- und Fraktionsspitzen eine Macht über die Volksvertreter, die mit der Gewissensfreiheit der Abgeordneten kaum zu vereinbaren ist. Ja, welche die Gewissenfreiheit, die das Grundgesetz garantiert, letztlich zur Papierformel ohne viel realen Wert herabwürdigt.

Es zeigt sich: Sowohl aus pragmatischen wie aus grundsätzlichen Erwägungen heraus muss die Fünf-Prozent-Hürde auf den Prüfstand. Die Frage ist, ob die großen Parteien, für die die Hürde ein Machtinstrument nach innen wie gegen äußere Konkurrenz ist, sich dieses zweifelhafte Werkzeug entwinden lassen wollen. Doch die Debatte ist eröffnet, und schon das ist ein Erfolg.


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