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05.10.13 / Vom König verschmäht, vom Kaiser geschätzt / Prinz Eugen war seiner Heimat nicht gut genug – Als Feldherr der Habsburger schrieb der edle Ritter Geschichte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-13 vom 05. Oktober 2013

Vom König verschmäht, vom Kaiser geschätzt
Prinz Eugen war seiner Heimat nicht gut genug – Als Feldherr der Habsburger schrieb der edle Ritter Geschichte

„Meine Herren, Sie haben nur eine Lebensberechtigung, wenn Sie beständig auch in der größten Gefahr als Beispiel wirken, aber in so leichter und heiterer Weise, dass es Ihnen niemand zum Vorwurf machen kann.“ Dieses Wort, das Prinzen Eugen von Savoyen als Befehlshaber an seine Offiziere gerichtet hat, charakterisiert ihn nicht nur als den großen Feldherrn und Staatsmann, der jene Leitlinie seinen Soldaten stets vorlebte, sondern auch als ein Genie der Menschenführung schlechthin und als überragenden Diplomaten.

Auch das war Prinz Eugen: ein Feldherr und Staatsmann, den das Kaisertum und das Reich als die Kristallisationszentren eines zukünftigen Europa nach Deutschland gezogen hatten. Eigentlich war dieser so bedeutende, geniale und charaktervolle Mann, der später der „Atlas“ des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation und schließlich des Hauses Österreich und dessen Monarchie werden sollte, im französischen Lebenskreis um den macht- und prunksüchtigen Ludwig XIV. herangewachsen. Er war der jüngste von fünf Söhnen, denen Olympia, Spross des römischen Patrizierhauses Manzini und Nichte des allmächtigen französischen Premierministers Kardinal Jules Mazarin, am 18. Oktober 1663 das Leben schenkte. Eugens Vater, Eugen Moritz von Savoyen-Carignan, Graf von Soissons und Dreux, entstammte der savoyischen Nebenlinie der Carignan und war mütterlicherseits Erbe der Grafen von Soissons, eines Seitenzweiges des französischen Königshauses Bourbon. Graf Eugen Moritz wurde deshalb am Hofe von Versailles als Prinz behandelt. Eugen, der fünfte Sohn jenes Paares, war alles andere als ansehnlich. Er war nicht groß, war unscheinbar und schwächlich, sein Gesicht war lang und hager, die Nase aufgestülpt und die Oberlippe schien zu kurz geraten, so dass zwei große Schneidezähne stets sichtbar waren. Nur Eugens feurige schwarze Augen ließen auf seine tapfere Seele schließen, die in diesem schmächtigen Körper wohnte.

Nachdem der Vater gestorben und die Mutter die Gunst des Sonnenkönigs verloren und wenig später einer Intrige wegen nach Brüssel geflohen war, lehnte Ludwig XIV. das Ansuchen des jungen Eugen ab, in die französische Armee aufgenommen zu werden. Er solle — so entschied der König von Frankreich — Abbé, also Priester werden, nachdem er vorher im Jesuitenkolleg La Flèche erzogen worden war. Gegen diese Entscheidung lehnte sich Prinz Eugen entschieden auf. Er verließ heimlich und mit nur geringen Mitteln Frankreich, um sich als Offizier dem Kaiser Leopold I. zur Verfügung zu stellen, so, wie es vordem sein älterer Bruder getan hatte, der kurz vorher in der Schlacht bei Petronell gegen die Türken gefallen war.

Eugens Fürsprecher war sein Vetter, der kaiserliche Feldherr Markgraf Ludwig von Baden, den sie den „Türkenlouis“ genannt haben. Kaiser Leopold I. nahm den unansehnlichen, aber sehr klugen Fürstensohn mit offenen Armen auf, denn die Ungarn hatten sich unter Graf Tököly gegen Habsburg erhoben und der türkische Großwezir, den die magiarischen Rebellen um Hilfe gerufen hatten, zog mit einem gewaltigen Heer geradewegs in Richtung Wien. Prinz Eugen war der Reiterei des „Türkenlouis“ zugeteilt.

Schon im ersten wilden Zusammenstoß mit der rasenden türkischen Reiterei zeichnete sich der Prinz, soeben zum Oberst ernannt, am 7. Juli 1683 durch seine soldatische Unerschrockenheit besonders aus. Wien war von den Türken eingeschlossen und von dem Fürsten Rüdiger von Starhemberg großartig verteidigt. Als sich endlich die Heere des Herzogs Karl von Lothringen und des Königs Johann Sobieski von Polen verei­nigt hatten, begann am 14. September 1683 die Befreiungsschlacht von Wien gegen das zahlenmäßig weit überlegene Übergewicht der Osmanen. Es war Prinz Eugen, der mit seinen Dragonern kaltblütig in Richtung Stadttore die Linien des Feindes durchbrach und die einmal aufgerissenen türkischen Linien, die in wilder Flucht davoneilten, verfolgte. Sein ungewöhnlich mutiger Einsatz hatte die Befreiung Wiens entscheidend beeinflusst. Als Anerkennung ernannte der Kaiser Prinz Eugen noch vor Ablauf eines Jahres zum Inhaber des Dragonerregiments Kufstein, das seither bis 1918 den Namen des Prinzen trug.

Die konsequente Verfolgung der geschlagenen Türken führte die kaiserlichen Waffen nach Ungarn. Seit 160 Jahren hatte von der Festung Ofen aus ein türkischer Pascha zwei Drittel Ungarns beherrscht. Nun — 1686 — wurde den Osmanen jene Herrschaft durch den Kurfürsten Max Emanuel von Bayern als Feldherrn des Kaisers entrissen. Bald darauf wurde das türkische Hauptheer am Berge Harsan vernichtend geschlagen, wobei Prinz Eugen mit seinen Dragonern allen anderen voran dem fliehenden Feind in fast halsbrecherischem Tempo folgte, bis er an die starke türkische Verschanzung bei Mohacs kam, wo ihn ein mörderisches Kanonenfeuer empfing. Ohne Zögern ließ Eugen seine Reiter absitzen. Zu Fuß setzte er sich an ihre Spitze, den Degen im Munde, und überkletterte die Schanze. Der Feind war völlig überrascht. So hat der noch jugendliche Prinz die Niederlage der Türken besiegelt. Im Jahre 1689 wurde Prinz Eugen — damals 25 Jahre alt — zum Feldmarschall-Leutnant (Generaloberst) befördert und machte unter Max Emanuel von Bayern den siegreichen Sturm auf Belgrad mit, wobei er allerdings schwer verwundet wurde.

Nach seiner Wiederherstellung übernahm der Prinz wichtige militärische Führungsaufgaben im Westen gegen Ludwig XIV., der über ein Heer von 200000 Mann gebot – etwas noch nie Dagewesenes –, während Kaiser Leopold I. kaum über 50000 Mann verfügte. Ludwig XIV. führte ohne jede Rück­sicht auf die Rechte vornehmlich deutscher Reichsfürsten seine Raubkriege, überfiel im Frieden die Reichsstadt Straßburg und annektierte mittels der „Reunionskammern“, die er eingerichtet hatte, bis 1681 weiteste Teile der westlichen Gebiete des Reiches. Wenn auch nicht so phantastisch und gigantisch, so war Ludwig XIV. doch der Vorläufer des 100 Jahre später ganz Europa verheerenden Korsen Bonaparte. Er kaufte sich seine „deutsche Fürstenpartei“ durch hohe Pensionen und Subsidien, bezahlte österreichische und schwedische Minister, wusste als der „allerchristlichste Fürst“ den türkischen Sultan gegen die christlichen Fürsten, allen voran den Kaiser, zu gewinnen und hielt durch seine kriegerischen Aktionen und durch seine Diplomatie ganz Europa in Unruhe und Angst.

Als nun französische Heereseinheiten schon das Rheinland, die Pfalz und Gebiete entlang des Mains förmlich überschwemmten, kam erneut die Stunde Prinz Eugens. Er riet dem Kaiser, den immer dringlicher werdenden Friedensgesuchen der Türken endlich nachzukommen, damit den Frieden auch in Ungarn wiederherzustellen und alle verfügbaren Kräfte sodann gegen den gefährlichsten Feind zu vereinen. Allein der Kaiser wollte „seinen“ Heiligen Krieg gegen den Islam nicht unterbrechen und er wurde darin vom päpstlichen Nuntius bestärkt. Er entschied, zwei Kriege gleichzeitig zu führen, was Eugen so erzürnte, dass er sagte, nur ein Pfaffe könne dem Kaiser einen solchen Rat gegeben haben. Für den Prinzen aus dem Hause Savoyen hieß das aber, den Schauplatz seines Wirkens als Feldherr gegen den, der ihn einst gedemütigt hatte — Ludwig XIV. — nach Nordwestitalien zu verlegen, wo er volle sechs Jahre bleiben musste, ehe im Vertrag von Rijswijk von 1697 der Sonnenkönig zwar nicht geschlagen, aber doch nachhaltig geschwächt aufgeben musste.

Sogleich entschloss sich Kaiser Leopold I., seinem begabtesten Feldherrn, dem Prinzen Eugen, den Oberbefehl über alle Truppen im Kampf gegen die erneut heranziehenden Türken und die mit ihnen zusammenwirkenden aufständischen Ungarn zu übertragen. Zum ersten Male war Eugen völlig selbstständig. Weder untereinander zerstrittene Bundesgenossen oder unfähige Vorgesetzte noch Eifersüchteleien oder Intrigen hemmten jetzt Eugens operative, strategische und taktische Entschlüsse. Doch als er beim Hauptheer in Esseg ankam, hatte sich seit der Erstürmung Belgrads fast alles geändert: Belgrad war wieder türkisch, ganz Serbien, der Banat und Temeswar ebenso, Kroatien und Slawonien zur Hälfte. Siebenbürgen war bedroht. Und das Hauptheer war auf 300000 Mann zusammengeschmolzen und in einem desolaten Zustand. Die schlechte Verfassung der Truppen ließ keinen freundlichen Empfang Eugens im Lager Esseg aufkommen. Den unscheinbaren, kleinen und hässlichen Mann im schlichten braunen Rock mit den Messingknöpfen tauften die Soldaten den „Kapuziner“, der den Türken auch keine Haare ausreißen werde. Doch das änderte sich sehr rasch: Eugen wurde bald zum Feldherren, für den die Kaiserlichen durchs Feuer zu gehen bereit waren. In einem der kühnsten militärischen Unternehmen, welche die Kriegsgeschichte kennt, schlug der Prinz die Türken am 11. September 1697 bei Zenta vernichtend. Fünf Wezire, 13 Paschas sowie 53 Agas und Beis waren unter den Toten, dazu war bis auf 2000 Mann das ganze Fußvolk Sultan Mustafas gefallen.

Zwei Tage nach der Schlacht erhielt Eugen ein Schreiben des Kaisers, in dem er ihn zu einer Feldschlacht ermahnte. Eugen meldete sogleich, es sei bereits mehr erreicht worden, als zu hoffen gewesen war. Er sprach ein hohes Lob der Truppe in seinem Antwortschreiben aus. Über sein eigenes Verdienst fand sich kein Wort. Aber dieser großartige Sieg bei Zenta wurde zur Geburtsstätte des berühmt gewordenen Marsches „Prinz Eugen, der edle Ritter“ und der schönen Ballade gleichen Namens von Carl Loewe, dem Komponisten, der da schildert, wie jenes Lied, am Abend im Feldlager vom Trompeter angestimmt, spontan von den Soldaten, einem Hymnus ähnlich, gesungen wurde.

Der Spanische Erbfolgekrieg, den Ludwig XIV. in seinem Hegemonialstreben, ganz Europa zu beherrschen, entfesselte, zwang den Feldherrn Eugen wieder nach Italien, wo er am 20. Mai 1701 in Rovereto eintreffend, nun dem französischem Marschall Nicolas de Catinat gegenüberstand. Der hatte alle Alpentäler abgesperrt und einen Alpenübergang für unmöglich erklärt. Eugen vollbrachte ihn durch eine kühne Kombination von Umgehung und Durchbruch dennoch, stand unversehens im Rücken der Franzosen und hatte eine strategisch vorteilhafte Basis für die kommenden Operationen. Die Siege bei Carpi und Chiari und die Einnahme wichtiger Festungen seien hier nur deshalb erwähnt, weil Eugen das mit 28000 Mann gegen 80000 Mann des Feindes erreichte. Bleibt zu erwähnen, dass der Versailler Sonnenkönig den dereinst gedemütigten Eugen jetzt auf geheimen Wegen für Frankreich zu gewinnen suchte, was der edle Ritter mit Verachtung zurückgewiesen hat.

Die Neider und Widersacher des Prinzen am Wiener Hofe waren unermüdlich. Hofschranzen und Schlendrian vernachlässigten die Armee, so dass Prinz Eugen sich genötigt sah, den Winter 1702/03 in Wien zu verbringen, um den Schlendrian zu beenden. Er wurde Präsident des Hofkriegsrates und er arbeitete rastlos an der Reorganisation der Armee. An dem Zustandekommen der „Großen Allianz“ von Kaiser, England und Holland und dem Zusammenwirken mit dem späteren Herzog von Marlborough John Churchill, dem kongenialen englischen Feldherren gegen Frankreich, war der Prinz maßgebend beteiligt. Die großartigen Siege beider Männer bei Höchstädt, Oudenaarde und Malplaquet in Holland brachten Ludwigs XIV. Vorherrschaftsabsichten in Europa fast zum Erliegen, als Prinz Eugen durch den unehrenhaften Frontwechsel Englands und durch Marlboroughs Sturz die schwerste Erschütterung seines Lebens erfuhr. Den Verrat Englands wertete Eugen als Gefahr, „mit einer solchen Conduite sich selbst und ganz Europa zu verlieren“.

Das Kaisertum hat Prinz Eugen von Savoyen nach Deutschland gezogen. Er wollte im Kaisertum dem europäischen Festland den stabilen Kern im Verein mit dem artverwandten England zwischen den Weiten des Ostens, des Orients und in Übersee geben. Er führte das uralte und eben durch seine Siege neu belebte großzügige Werk der deutschen Besiedelung des Donauraumes mit der Zielstrebigkeit fort, die er jeder Stärkung des Deutschtums gewidmet hat. Durch Englands Verrat wurde Eugens europäische Lösung unmöglich gemacht. So war die von ihm geschaffene Donaumonarchie der Habsburger nur die Notlösung.

Preußens König Friedrich der Große, der ihn kannte und verehrte, schrieb: „… er regierte nicht nur die österreichischen Erblande, sondern das Reich. Eigentlich war er Kaiser …“ Und das vom edlen Ritter bewohnte untere Schloss Belvedere in Wien wirkt wie ein Vorbild von Sanssouci in Potsdam. Der Betende Knabe auf der Terrasse von Sanssouci entstammt dem Nachlass des Prinzen Eugen, der das aufstrebende Preußen visionär für den Erneuerer des Reiches hielt. PAZ


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