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05.10.13 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Leesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-13 vom 05. Oktober 2013

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Leesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

es gibt Briefe, die sind lang, einige sogar sehr lang, und wenn ich auf alle darin enthaltenen Fragen eingehen wollte, müsste ich für die Bearbeitung eines einzigen Schreibens unsere ganze Seite zur Verfügung haben. Da das aber nicht möglich ist, heißt es selektieren, und so suche ich aus dem letzten Brief von Frau Edelgard Hesse aus Crivitz heute nur einige Themenkomplexe heraus, die anderen müssen warten. Mit den Anfangszeilen ihres Briefes will ich beginnen, weil sie aufzeigen, welche Wirkung eine Veröffentlichung in unserer Kolumne haben kann. Es ging für Frau Hesse um zwei Städte, die sie mit Herkunft und Kindheit verbindet: Riesenburg und Lyck, und sie konnte eine ungeahnte Resonanz auf die damit verbundenen Fragen verzeichnen. Frau Hesse schreibt:

„Ich muss immer wieder staunen, welche Auswirkungen die Veröffentlichungen auf Ihrer Seite haben, ein Zeichen, dass sie gerne und gründlich gelesen werden, sich viele Leser bei der Lösung von Fragen einbringen, eben wie beim Zusammenhalt einer Familie. Vor einiger Zeit veröffentlichten Sie meine Anfrage nach dem letzten fahrenden Personenzug von Riesenburg, Deutsch Eylau nach Lyck. Ich berichtete bereits über die Reaktion der Leser. Dass diese kleine Anfrage von damals immer noch weitere Kreise zieht, neue Gedanken und Verbindungen hervorruft, hätte ich nicht geahnt!“

Und zu diesen gehört auch das Thema, das sie bisher in ihrem gesammelten Material über Riesenburg kaum erwähnt fand und das vor allem durch eine sehr ausführliche Zuschrift ausgelöst wurde: Riesenburg als Fluchtburg für die Evakuierten und ersten Flüchtlinge aus dem nördlichen Ostpreußen. Sogar Angehörige ihrer eigenen Familie fanden Unterkunft in der Stadt, wie Frau Hesse jetzt von einer Cousine erfuhr, die mit Mutter und Geschwistern dort eine Bleibe fand, bis auch diese verlassen werden musste. Einer Information nach wurde damals aus einer Baptistenkapelle eine Behelfsschule für Flüchtlingskinder. Demnach müsste sich nach Meinung von Frau Hesse eine große Anzahl von Flüchtlingen in der Stadt aufgehalten haben. Sie richtet deshalb folgende Bitte an unsere Ostpreußische Familie:

„Gibt es noch Jemanden, der ebenfalls in Riesenburg vorübergehend Unterkunft fand? Wie wurden die Flüchtenden von den Behörden und den Einwohnern aufgenommen? Welche Erlebnisse gab es? Erinnert sich noch Jemand, wo und bei wem er untergebracht wurde? Wie erfolgte das Verlassen der Stadt? Es wäre schön, wenn mit Hilfe der Ostpreußischen Familie auch diese Zeit aufgearbeitet werden könnte!“ Diese Beiträge könnten später in eine Dokumentation über Riesenburg mit eingebracht werden. – So Frau Edelgard Hesse, die nun auf weitere Zuschriften auf unserem Leserkreis wartet. (Edelgard Hesse, Weinbergstraße 38 in 19089 Crivitz, Telefon 03863/222577.)

Frau Hesses bisherige Beiträge führten auch zu einer unerwarteten Suchfrage, die sie an uns weiterleitet. Eine Leserin aus Witten glaubte, als sie den Namen „Edelgard Hesse“ in unserer Zeitung las, dass es sich um ihre seit der Flucht verlorene Freundin Edeltraut Hesse handeln könnte, was ja nun leider nicht der Fall war. Frau Hesse regte aber die Schreiberin an, in unserer Ostpreußischen Familie nach der Freundin zu suchen, und wollte sie in dieser Sache unterstützen. Das Angebot wurde gerne angenommen, und so veröffentlichen wir nun den von Frau Hesse übermittelten Suchwunsch der Leserin aus Witten, der nach Johannisburg führt:

„Frau Hannelore Majewski geborene Nikolay, *1938 in Johannisburg, sucht ihre Freundin Edeltraut Hesse, *1939. Ihre Eltern hatten einen Bauernhof in der Fischerstraße [Ribatska]. Hannelores Vater war Schuhmacher. Die Familie Nikolay verließ 1957 Johannisburg und zog nach Westdeutschland. Edeltrauts Familie soll ein Jahr später nach Deutschland gekommen sein. Edeltraut könnte später auch den Nachnamen Pawelszik (oder ähnlich) angenommen haben, da ihre Mutter noch einmal geheiratet hat. Hannelore hat nie ihre Freundin vergessen, mit der sie ihre Kinderjahre zusammen verbrachte, und hofft, dass sie nun Edeltraut durch unsere Ostpreußische Familie wie­der­findet, auch wenn diese jetzt einen anderen Namen tragen sollte. Frau Hesse hat ihr aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen Mut gemacht. Hannelore würde sich jedenfalls über jede Zuschrift freuen und ganz besonders von Johannisburgern, die sie als Kind gekannt hatten. (Hannelore Majewski, Theodor-Heuss-Straße 2 in 58452 Witten, Telefon 02302/9889657.)

„Vor mir liegt ein Berg mit Schriftstücken, die man voller Hoffnung aufgehoben hat“, schreibt Frau Ursula Gehlhaar aus Stuttgart und da sie sich an uns wendet, liegt es nahe, dass dazu auch ein Schreiben gehört, das an unsere Ostpreußische Familie gerichtet ist. Und weil sie von Hoffnung schreibt, dürfte es auch eine Suchfrage beinhalten, die bisher nicht geklärt werden konnte. Stimmt, denn ihre Pflegeschwester Ingrid Hartlehnert, für die Frau Gehlhaar auf die Suche nach deren leiblicher Mutter ging, hat bisher kein positives Ergebnis zu verzeichnen, auch nicht nach einer Veröffentlichung in unserer Kolumne vor drei Jahren. Da wir nun in letzter Zeit von Erfolgen berichten konnten, die noch weiter zurückliegen, bittet Frau Gehlhaar uns, noch einmal auf Suche zu gehen, zumal auch ein Auszug aus dem Geburtenbuch der Universitätsfrauenklinik Königsberg vorliegt. Danach wurde dort die ledige 22-jährige Erna Heise am 11. August 1941 von einer Tochter entbunden. Vater des Kindes war ein Flaksoldat, der auch die Vaterschaft anerkannte. Das Mädchen erhielt den Namen Ingrid und wurde von der Mutter im Dezember 1941 zu dem Ehepaar Max und Therese Funk aus Königsberg, Speichersdorferstraße 121 B, in Pflege gegeben. Das Mädchen wuchs mit deren Tochter Ursula zusammen auf, und diese enge Verbindung blieb bis heute bestehen, wie aus dem Bemühen von Frau Gehlhaar um eine Auffindung von Ingrids Mutter ersichtlich ist. Es gibt nur wenige Anhaltspunkte aus deren Leben und die beziehen sich auch nur auf die Zeit bis zur Bombardierung Königsbergs. Aus dem Geburtenregister geht hervor, dass Erna Heise zur Zeit der Entbindung in Königsberg, Tragheimer Pulverstraße 27, gewohnt hat. Sie arbeitete in einer Konditorei auf dem Steindamm, dem „Café Rhode“ – so jedenfalls hat Frau Gehlhaar den Namen in Erinnerung, denn sie hat Frau Heise dort einmal aufgesucht. Nach der Zerstörung der Stadt durch die Bombenangriffe gab es wohl kein weiteres Zusammentreffen zwischen Frau Heise und der Familie Funk. Ob Ingrids Mutter die Kriegswirren überlebt hat, ob und wohin sie flüchten konnte – das ist alles unbekannt, alle Bemühungen um eine Klärung des Schicksals von Erna Heise waren vergeblich, auch unsere erste Suche. Nun bleibt zu hoffen, dass diese ergänzende Nachfassung vielleicht doch noch einige Hinweise erbringt, wie das weitere Leben von Ingrids leiblicher Mutter verlief. Frau Hartlehnert wäre dann von einer Ungewissheit befreit, unter der sie immer noch leidet. (Ingrid Hartlehnert, Hebelweg 7 in 79771 Klettgau-Erzingen, Telefon 07742/6971.)

„Ich freue mich immer, wenn ich einen Familienzweig entdecke“, schreibt Frau Sigrid Matthee-Kohl aus Rohrbach, und deshalb taucht ihr Name öfters in unserer Kolumne auf. Auch für meine eigene Ahnenforschung hat sie mir schon einige interessante Hinweise geben können, und umgekehrt hofft sie nun, dass auch ich etwas zu ihrer Familiengeschichte beitragen könnte. In Folge 34 erwähnte ich einen Cousin meines Vaters, den Lehrer Gustav Preuß, dessen Frau eine geborene Matthee war. Sie waren die Eltern von Lotte Kerwin, die zusammen mit ihrem Mann und ihren Kindern beim Einmarsch der Russen in Hanshagen Selbstmord beging. Mein Onkel Gustav wurde erschossen, über das Schicksal seiner Frau ist mir nichts bekannt. Über sie wollte Frau Mathee-Kohl nun mehr von mir erfahren, aber ich besitze leider keine Unterlagen über diese Tante, an die ich mich kaum erinnern kann, denn unsere Begegnungen spielten sich in meiner frühesten Kindheit ab. Damals war Gustav Preuß Lehrer in Seligenfeld bei Königsberg und meine Spielgefährtin war die drei Jahre ältere Tochter Gerda. Von ihr erfuhr ich erst vor einigen Jahren, dass die fünfköpfige Familie bei meiner Geburt im Februar 1916 wegen der Kriegswirren bei uns in Königsberg einquartiert war. Nach dem Krieg haben wir sie oft in Seligenfeld besucht, und ein Maitag ist mir noch genau in Erinnerung, weil dichter Schnee auf blühenden Obstbäumen lag und „Tante Preuß“ die schon aufgetragenen Kuchen schnell ins Haus bringen musste. Aber diese Erinnerung nützt uns im Hinblick auf die Frage nach der Herkunft der Ehefrau von Gustav Preuß überhaupt nichts, und so muss ich sie an unsere Leserinnen und Leser weitergeben: Wer kannte die damalige Lehrersfrau aus Seligenfeld und kann über ihre Familie – Matthee – nähere Angaben machen? (Sigrid Matthee-Kohl, Hauptstraße 45 in 76865 Rohrbach, Telefon 06349/7450.)

Ja, die Ahnenforschung! Wer so weit zurückgreifen will wie unser emsiger Familienforscher Knut Walter Perkuhn aus Wriedel muss wohl zäh wie Elchleder sein. Dazu verpflichtet ja schon der Name, der auf unseren obersten Prussengott Perkunos zurückgeht. Bis zu ihm führt seine Ahnensuche nun doch nicht, aber immerhin zu jenem Adalbert Perkuhn, dessen Name anno 1410 in ein Fenster der Ordenskapelle des Allensteiner Schlosses eingraviert wurde. Zwölf lange Jahre sucht Knut Walter nun schon nach Beweisen von dessen Existenz, aber er stieß bisher nur auf eine gähnende Informationsleere. Wir haben ihm schon einmal bei der Suche geholfen, kamen aber auch nicht weiter, zumal die Angaben etwas ungenau waren. Jetzt konzentrieren sich diese auf die Unterlagen einer – inzwischen verstorbenen – Verwandten, aus denen hervorgeht, dass im Jahre 1939 dieses Fenster mit der Gravur noch existierte. Ihr Vater, der Lehrer Walter Perkuhn, *1904 in Inse, wurde damals auf einer Bildungsreise, die nach Allenstein führte, von dem Seminarleiter auf das Fenster mit dem eingravierten Namenszug in der Kapelle des Ordensschlosses aufmerksam gemacht. Der ältere Bruder des Lehrers, Herbert Perkuhn, hat diese Begebenheit 1939 schriftlich festgehalten. Das sind Belege, auf die Knut Walter Perkuhn nun zurückgreifen kann, wenn er jetzt auf die Suche nach weiteren Informationen über Adalbert Perkuhn geht. Wer war dieser Mann prussischer Abstammung, der sich vielleicht in der Schlacht von Tannenberg so große Verdienste erwarb, dass sein Name in einem Kapellenfenster verewigt wurde? Die Jahreszahl 1410 lässt diese Vermutung zu. Oder diente er auf andere Weise dem Orden, nachdem er den christlichen Glauben angenommen hatte und dabei wohl den Namen Adalbert erhielt, den ja der erste Missionar Altpreußens, Adalbert von Prag, getragen hatte. Er muss schon etwas Außergewöhnliches vollbracht haben, dass ihm diese Ehre zu Teil wurde. Herr Perkuhn hofft nun, dass Leser aus unserem Kreis, die sich mit der Ordensgeschichte befassen – er nennt sie „Altforscher“ – vielleicht etwas herausfinden, was Licht in dieses Dunkel bringen könnte, zumal die von Herbert Perkuhn gemachten Angaben als authentisch angesehen werden müssen. Auch er hat sich einen guten Namen gemacht: Der in Wehlau geborene sportbegeisterte Ostpreuße hat sich im Eishockeysport als Schiedsrichter internationalen Ruf erworben und wurde auch als Förderer dieser Sportart geehrt, wie das Ostpreußenblatt im September 1995 berichten konnte. (Knut Walter Perkuhn, Bergstraße 25 in 29565 Wriedel/Brockhöfe, Telefon 05829/1668.)

Eure Ruth Geede


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