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05.10.13 / Aus dem Dornröschenschlaf erwacht / Der »Koloss von Prora« wird zum Leben erweckt – In der denkmalgeschützten Bausünde auf Rügen entstehen Appartements

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-13 vom 05. Oktober 2013

Aus dem Dornröschenschlaf erwacht
Der »Koloss von Prora« wird zum Leben erweckt – In der denkmalgeschützten Bausünde auf Rügen entstehen Appartements

Prora – das sind 4,5 Kilometer steingewordene Hässlichkeit auf Rügen. 20000 Menschen sollten sich hier in der NS-Zeit durch die Organisation „Kraft durch Freude“ entspannen. Geblieben ist ein grauer Wohnkoloss, der zu zerfallen drohte. Jetzt werden einzelne Komplexe aufwendig saniert. Wohn- und Freizeitappartements sind im Entstehen. Aber wer zieht dort bloß freiwillig hin?

Kann ein Koloss im Dornrös­chenschlaf liegen? Das erscheint widersinnig, aber auf Rügen ist es durchaus möglich. Jedenfalls wenn man den Prospekten glauben will, die sich mit einem Mammutbau beschäftigen, der auf der Ostseeinsel berüchtigt ist: Prora. Jenes Relikt aus zwei Epochen deutscher Geschichte, das sich als endlos scheinende Häuserzeile an einem der schönsten Strände der Ostseeinsel hinzieht, irgendwie vergessen wirkend in seiner nie vollendeten Gestaltung, eine Art ungenutztes Denkmal, aber als solches ge­schützt.

Doch nun soll sich hier an der Prorer Wiek eine neue Bäderkultur entwickeln, einige Komplexe des 4,5 Kilometer langen Gebäude­stranges werden zu modernen Wohn- und Feriendomizilen sowie einem Hotel mit Eigentums-Appartements umgebaut. Nicht die Erweckung aus einem Dornröschenschlaf, eher die Metamorphose einer Riesenraupe zu einem neuen Prora, das eine Ergänzung zu der traditionellen Bäderarchitektur des beliebtesten Inselbades Binz bilden soll.

Nun hat Prora ja auch keine 100 Jahre verschlafen, aber immerhin 77 Jahre, denn 1936 begann die Geschichte dieses Mammutprojektes. Es sollte ein riesiges Seebad für das Volk werden, und dafür wurde der schönste unverbaute Strand auf Rügen gesucht und an der Prorer Wiek gefunden. Ein Urlaubsparadies für 20000 Menschen, die in strandnahen Unterkünften mit Blick auf die See Erholung finden sollten. Kein Hochhausprojekt sollte es werden. So ergab sich zwangsläufig ein sechsgeschossiger Superbau, der als der längste Gebäuderiegel der Welt in die Architekturgeschichte eingehen konnte.

Der Kölner Baumeister Clemens Klotz entwarf ein von den Visionen des Architekten Le Courbusier inspiriertes Gebäude mit klarer und zeitlos moderner Linienführung. Sein Entwurf wurde auf der Weltausstellung 1937 in Paris mit dem Grand Prix ausgezeichnet.

1937 begann man mit den Bauarbeiten, die aber schon bei Beginn des Zweiten Weltkrieges beendet wurden, so dass die Anlage nie in der geplanten Weise genutzt wurde, sondern in unvollendetem Zustand blieb. Der änderte sich nur wenig nach Kriegsende. Zwar wurden zu DDR-Zeiten einige Häuser vollendet und vor allem als Armeeunterkunft benutzt. Prora wurde Militärstandort für 10000 Soldaten, diente auch höheren Militärrängen als Fe­rienheim. Für die normale Bevölkerung war die Anlage nicht zu­gänglich, und so rankten sich bald Mythen um den liegenden Koloss.

Im Westen war Prora so gut wie unbekannt, und die ersten Gäste, die nach der Wende nach Rügen kamen, waren erstaunt über diese „Häusermauer“, die den Traum­strand vom Inneren der Insel abzuriegeln schien. Man diskutierte viele Konzepte und verwirklichte auch einige von ihnen, so die auf einen 150 Meter begrenzten Teil als Jugendherberge für 400 Gäste, Museum und Galerie. Schließlich wurde der Bau unter Denkmalschutz gestellt, und man begann ihn Großinvestoren zur Projektentwicklung anzubieten. Die große Herausforderung für die Architekten war, Denkmalschutz und Wohnkomfort zu harmonisieren. Dass dies verwirklicht werden kann, beweisen die ersten beiden Projekte, die bereits große Nachfrage von interessierten Investoren bewirkt haben und die nun vor ihrer Realisierung stehen.

Prora ist ein Ortsteil von Binz, des bekanntesten und beliebtes­ten Seebades der Insel, das die leichte, etwas verspielt wirkende Bäderarchitektur früherer Zeiten bewahren konnte und zu neuer Blüte gebracht hat. Im „Sorrent des Nordens“ kurten sogar gekrönte Häupter. Noch heute wird die Erinnerung an die letzte deutsche Kaiserin, Auguste Viktoria, in dem ehemaligen Kurhaus, in dem sie ihren Tee zu trinken pflegte, wach gehalten. Mit viel Liebe und feinem Gespür für die historische Substanz hat man die erhalten gebliebenen Villen restauriert, so dass Binz als Musterbeispiel für eine in das Heute transferierte Jugendstilarchitektur gelten kann. Sie ist besonders von dem an dem 3,5 Kilometer langen weißen, feinen Sandstrand gelegenen Seesteg zu bewundern.

Alljährlich im September begeht das Ostseebad den „Monat der Bäderarchitektur“ mit Vorträgen, Ausstellungen und Themenführungen. Das nur drei Kilometer Strandlinie entfernte Prora mit seiner schmucklosen Riesenzeile bildet da einen harten Kontrast, der nun in eine gewollte Ergänzung zur traditionellen Bäderkultur von Binz umgewandelt werden soll. Das wird aus den Entwürfen ersichtlich, die von der Eigentümerin des ersten Blocks, der „Wohnen in Prora Vermögensverwaltungs GmbH & Co. KG“, die zur Berliner Irisgerd-Unternehmensgruppe gehört, vorgelegt wird. Das sich auf einem 21000 Hektar großen Grundstücksareal befindende, 435 Meter lange Gebäude soll von Grund auf saniert werden. Die größte Herausforderung für die Architekten war, Denkmalschutz und modernen Wohnkomfort zu harmonisieren. Die Lösung: Außen erhält das Gebäude ein helles, freundliches Gesicht mit Balkonen zum Meer, ohne dass die markante Linie der Architektur geopfert wird.

Innen aber wird alles neu. Rund 250 Einheiten werden hier als Ein- bis Fünf-Zimmer-Eigentumswohnungen sowie als voll ausgestattete Eigentums-Appartements eines Hotels entstehen. Sie verfügen alle über modernen Wohnkomfort und einen Balkon zur See mit einem unverbauten Blick über die weit geschwungene Bucht. Von der Landseite sind sie über eine Anliegerstraße zu erreichen.

In der Anlage, die sich „Neues Prora“ nennt, werden Lobby, Gastronomie, ein Wellness- Bereich, Geschäfte, diverse Sport- und Freizeiteinrichtungen sowie Stellplätze zur Verfügung stehen. Durch den Denkmalschutz bieten sich für interessierte Investoren Steuervorteile, denn sie können die „Denkmal-AfA“ in Anspruch nehmen, durch die eine Abschreibung der Sanierungskosten bis zu 100 Prozent möglich ist, beim Kauf einer selbst genutzten Denkmal-Immobilie bis zu 90 Prozent.

Die Bauarbeiten im Rahmen des Projektes „Neue Prora“ sollen im nächsten Jahr beginnen, die Fertigstellung der Gesamtanlage ist für das Jahr 2016 vorgesehen.

Fast muten die beiden Musterwohnungen, die im nächsten Block bereits interessierte Besucher empfangen, wie eine Fata Morgana an, so hell, ja licht sind die Räume, durch die hohen Fenster leuchtet das Blau der See, die zum Greifen nahe erscheint. An stillen Abenden dürfte auch ihr Wellengang zu hören sein – vielleicht hat deshalb die Unternehmensgesellschaft Lutter-Immobilien aus Rostock ihrem Projekt den romantischen Namen „Meersinfonie“ gegeben.

Das Gesamtkonzept gliedert sich in zehn „Häuser“ mit großzügig gestalteten Appartements und Maisonette-Wohnungen. Interessenten können sich ihr Rügen-Domizil nach Maß schneidern lassen, sogar zweistöckige Lofts sind vorgesehen. Jedes Haus erhält nicht nur einen besonderen Namen, sondern auch eine Innenausstattung mit unverwechselbarem Charakter. „Haus Verando“, das die ersten fertiggestellten Wohnungen präsentiert und bereits im nächsten Jahr voll bezugsfertig sein soll, besticht durch den dominierenden Seeblick und die großzügigen Balkone. Jede der 28 Wohnungen in der Größe von 46 bis 98 Quadratmetern ist mit Parkett, Einbauküche und energiesparender Fußbodenheizung ausgestattet. Sie können seniorengerecht oder barrierefrei gebaut werden.

Beide Projekte haben bereits Interessenten gefunden, vor allem aus Berlin und Hamburg. Anfragen aus dem Ausland zeigen, dass Prora auch dort bekannt ist. Bemerkenswert ist, dass sich auch viele Insulaner für diese Freizeitanlage interessieren, womit sie ihr wohl gute Zukunftsaussichten bescheinigen. Günther Falbe


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