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05.10.13 / Nicht standesgemäß / Bekämpfte »Mésalliance«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-13 vom 05. Oktober 2013

Nicht standesgemäß
Bekämpfte »Mésalliance«

Unerwiderte Liebe mag furchtbar sein, aber noch viel grausamer ist es, wenn die Liebe erwidert wird und lediglich aufgrund von äußeren Umständen, Konventionen und Engstirnigkeit Dritter unerfüllt bleiben muss. Dagmar von Gersdorff hat sich in dem Buch „Auf der ganzen Welt nur sie“ der Liebe zwischen Prinzessin Elisa Radziwill und Wilhelm von Preußen, dem späteren Kaiser Wilhelm I., gewidmet.

Bereits im Jahr 1808, als der elfjährige Wilhelm, Sohn des preußischen Königs Friedrich III. und Königin Luise, die damals fünfjährige Elisa erblickte, fand er sie bezaubernd. Im Erwachsenenalter sollte er sich dann restlos in die junge hübsche und lebhafte Frau verlieben, eine offensichtliche Zuneigung, die sich bald nicht mehr verbergen lies.

Völlig widersinnig erscheint es heutzutage, dass Wilhelms Vater Gutachten um Gutachten anforderte, um die alles entscheidende Frage zu klären, ob die junge Frau, Tochter eines polnischen Fürsten und einer preußischen Prinzessin, eine standesgemäße Partie für seinen Sohn sei. „Die daumendicken Schriften gipfelten in dem Resultat, dass Prinzessin Elisa Radziwill auch durch Heirat mit Prinz Wilhelm nicht zu einer ,Prinzessin von Preußen und Brandenburg‘ werden könne und die Verbindung ,nach Deutschem Haus- und Staatsrecht‘ eine ,Missheirat‘ sei. Der Ausdruck ,Mésalliance‘ sollte die Katastrophe drastisch bezeichnen.“

Chronologisch beschreibt Dagmar von Gersdorff die geschichtlichen Ereignisse in Preußen und Polen rund um das verliebte Paar. Zahlreiche Zitate aus dem Kalender von Wilhelm von Preußen und diverse Briefwechsel, unter anderem zwischen den Verliebten, geben dem Leser einen Eindruck davon, wie stark das Paar füreinander empfunden haben muss und wie verzweifelt es mit den Jahren über die Unerfüllbarkeit ihrer Liebe zueinander war. Äußerst bezeichnend ist auch die Tatsache, dass Wilhelm von Preußen das Bild von Elisa auch noch nach der arrangierten Ehe mit Augusta von Sachsen-Weimar und sogar bis zu seinem Tod 1888 in seinem Arbeitszimmer verwahrte.

Friedrich Wilhelm III. erwartete relativ emotionslos von seinem Sohn das Eingehen einer Vernunftehe. Anrührend beschreibt die Autorin den Einsatz des Kronprinzen, Wilhelms Bruder, der ebenfalls alle Hebel in Bewegung setzte, um seinem Bruder seinen sehnlichsten Wunsch zu erfüllen.

Unfassbar scheinen die Inhalte der Gutachten, in denen Richtlinien, Stammbäume, Titel und Paragrafen bis ins kleinste Detail immer wieder neu ausgelegt und interpretiert wurden. Ganze Heerscharen an Gelehrten müssen hier von den Königs- und Fürstenhäusern regelmäßig auf Trab gehalten worden sein.

Die Literaturwissenschaftlerin und freie Schriftstellerin Dagmar von Gersdorff beendet das Buch mit dem Tod durch Tuberkulose der damals nicht einmal 31-jährigen Elisa. Wer warum die Ehe zwischen Wilhelm von Preußen und Elisa Radziwill am Ende nicht gewollt hat, lässt Spielraum für Interpretationen. Da erscheint dem Leser der Blick in die aktuellen Hochglanzmagazine über die noch bestehenden Königshäuser doch äußerst erfrischend, da die Liebe dieser Tage auch die Ehe zwischen einer Prinzessin und ihrem Fitnesstrainer oder einem Prinzen und einer Bürgerlichen ermöglicht.Vanessa Ney

Dagmar von Gersdorff: „Auf der ganzen Welt nur sie, Die verbotene Liebe zwischen der Prinzessin Elisa Radziwill und Wilhelm von Preußen“, Insel Verlag, Berlin 2013, geb., 295 Seiten, 22,95 Euro


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