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12.10.13 / Büchners linke Erben / Der Dichter des Vormärz wurde vor 200 Jahren geboren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-13 vom 12. Oktober 2013

Büchners linke Erben
Der Dichter des Vormärz wurde vor 200 Jahren geboren

Anfang der 1970er Jahre hatte sich in den Lehrplänen für den Deutschunterricht an Schulen im Westen der Republik ein Dramenklassiker fest etabliert. Georg Büchners „Woyzeck“ wurde von ganzen Legionen von Schülern gelesen, analysiert, interpretiert und oft genug sogar in den Schulaulen aufgeführt. Es war dem Geist der Zeit geschuldet. Nach 1968 wurden Klassiker en vogue, die man für „links“, wenn nicht gar „revolutionär“ hielt.

Der Mitverfasser des aufrührerischen Kampfpamphlets „Der Hessische Landbote“ mit seinem bis in die Sponti-Szene hinein viel zitierten Einleitungsspruch „Friede den Hütten! Krieg den Palästen!“ war wie prädestiniert dafür, um Goethe und die Romantiker wie rechtskonservative „Vorgestrige“ aussehen zu lassen. Die Politisierung Büchners durch die 68er oder durch die DDR, wo er zur linken Kultfigur heraufbeschworen wurde, lässt sich durch das schmale dichterische Werk – drei zum Teil fragmentarisch hinterlassene Dramen und eine Erzählung – nur sehr bedingt rechtfertigen.

Es waren die Zeitumstände und Büchners kurzes Leben, welche die Saat vom Trugschluss eines frühsozialistischen Autors schufen. Genau vor 200 Jahren in die Völkerschlacht am 17. Oktober 1813 hineingeboren, wuchs Büchner in der hochbrisanten Zeit des revolutionären Vormärz auf. In Darmstadt erlebte er in der Praxis seines Vaters, eines Hospitalarzts, das ganze Elend der Armen, Kranken und syphilitisch dahinsiechenden Prostituierten. Büchner wollte ihnen beistehen, be­kannte sich zur französischen Revolution, trat revolutionären Studentenzirkeln bei, musste wegen des „Landbotens“ fliehen und landete im Exil in Straßburg.

Das reicht, um ihm den Mythos eines Klassenkämpfers anzudichten. Auf diese Weise wurde der Autor interessanter als sein schmales Werk, das erst durch die bewegte Vita ihres Autors eine Aufwertung in der Rezeption erhielt. Hätte der in Zürich mit nur 23 Jahren an Typhus gestorbene Büchner länger gelebt und weitere Werke geschrieben – vielleicht wäre dadurch so manches (Fehl-)Urteil relativiert worden.

Schon gegen Ende seines kurzen Lebens gibt es Hinweise auf ein Erlahmen seines revolutionären Elans. Er widmete sich seinem Medizinstudium, schrieb nebenbei das Revolutionsdrama „Dantons“ Tod“, warf mit „Leonce und Lena“ ein Lustspiel über die Langeweile hin und setzte sich in der Erzählung „Lenz“ über den aus dem livländischen Seßwegen stammenden Sturm-und-Drang-Autor

J. M. R. Lenz mit der Religion auseinander. Wie im letzten Drama, dem allbekannten „Woyzeck“, sind es die Außenseiter und Ausgestoßenen, denen sich Büchner in seinem Werk widmet. Ein revolutionärer Klassenkampf findet darin jedoch nicht statt. Harald Tews

Vom 13. Oktober bis 16. Februar 2014 läuft im Darmstädter Kongresszentrum „Darmstadtium“, Schloßgraben 1, die groß angelegte Ausstellung „Georg Büchner. Revolutionär mit Feder und Skalpell“ mit 350 Objekten zu Büchners Leben und Werk.


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