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12.10.13 / Sie allein sind übrig geblieben / Eindrücke von der Gedenktafel-Einweihung in Coadjuthen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-13 vom 12. Oktober 2013

Sie allein sind übrig geblieben
Eindrücke von der Gedenktafel-Einweihung in Coadjuthen

Es war seine 30. Ostpreußenreise, die Bernd Dauskardt im August dieses Jahres unternahm, und sie unterschied sich von ihren Vorgängerinnen darin, dass er diesmal den bereits erwähnten Auftrag hatte, für die deutsche Coadjuthengruppe an der Feier zur Einweihung der von ihr gestifteten Gedenktafeln in der Patronatskirche des memelländischen Kirchdorfes teilzunehmen. Das sollte am 11. August dieses Jahres im Rahmen des sonntäglichen Gottesdienstes mit Kindtaufe geschehen. Wie die Feier ablief und mit welchen Eindrücken er zurückkehrte, ist dem folgenden Bericht zu entnehmen.

„Bevor an diesem Augustsonntag der Gottesdienst in Coadjuthen stattfand, hatte ich eine abenteuerliche Reise von Rominten bis nach dem südlich von Nimmersatt gelegenen Uszameiten hinter mir. Zum Gottesdienst in der wunderschönen Patronatskirche von Coadjuthen war Pfarrer Reinhold Moras aus Memel angereist, um im Rahmen einer Kindstaufe die Einweihung der in deutscher und litauischer Sprache gehaltenen Gedenktafeln vorzunehmen. Die in einem Memeler Werk hergestellten Tafeln waren schon vorab angebracht worden. Es hatte alles wunderbar geklappt. Den Gottesdienst hatte ich zum Anlass genommen, die letzten mir bekannten deutschen Memelländer abzuholen und zur Kirche zu bringen: Käthe Lendrath aus Schustern, Eva Schultze aus Szugken, Adolf Schultze aus Tauroggen und Edwin Henseleit aus Lompönen. Aus Coadjuthen war Werner Petereit zugegen. Alle wiesen ein Alter von 75 bis 87 Jahren auf – es sind die letzten aus dieser Gegend mit deutscher Zunge. Der Gottesdienst, den ich mit Kirchenliedern auf Deutsch begleiten konnte, war eine zu Herzen gehende Angelegenheit. Wir sangen gemeinsam in deutscher Sprache: Jesu, geh voran …, So nimm denn meine Hände …, Nun danket alle Gott und Oh, dass ich tausend Zungen hätte … Nach der Kindtaufe weihte Pfarrer Moras die Gedenktafeln ein. Alles fand in einem feierlichen Rahmen statt, eine Dolmetscherin war zugegen.“

Die Inschrift auf der in deutscher Sprache gehaltenen Tafel lautet: „1525: Einführung der Reformation in Preußen durch Herzog Albrecht von Brandenburg-Ansbach. In Basnitzkehmen bei Coadjuthen, am Oberlauf der Sziesze, bildet sich bald darauf die protestantische Gemeinde, noch ohne eigenes Kirchengebäude. / 1574–1733: Erste Kirche aus Holzfachwerk in Coadjuthen unter dem Patronat des Herzogs Albrecht Friedrich von Preußen.

Der erste Pfarrer ist Thomas Sitt (1568–1584). Er und seine Nachfolger müssen auch die litauische Sprache beherrschen und predigen. / 1733/34: Abbruch der baufälligen Holzkirche und Errichtung eines Neubaus mit Pfarrhaus aus Stein. Kirchenweihe im April 1734. Neben verschiedenen baulichen Veränderungen ist es dieselbe Kirche, in der Sie sich jetzt befinden. Sie ist eine der ältesten noch erhaltenen evangelischen Kirchen in Litauen aus deutscher Zeit. Bis zum Jahr 1938 wurde in ihr zweisprachig gepredigt. / 1942–1945: Der letzte deutsche Pfarrer in Coadjuthen ist Bruno Sziel. 1955: Gescheiterter Versuch zur Umnutzung der Kirche als Kino-Saal, aber Abriss des Turms und der historischen Glocken durch die russische Verwaltung. / 1956: Proteste treuer Gemeindemitglieder in Coadjuthen gegen Glaubensbehinderung und Kirchen-Frevel. / 1994: Am 28. Mai vollzieht Bischof Jonas Kalvanas die Weihe der mit litauischer und deutscher Hilfe restaurierten Kirche.“

Bernd Dauskardt, der nach der Feier zusammen mit den deutschen Memelländern von der litauischen Kirchenvorsteherin zu einem Gastmahl im Schulgebäude von Coadjuthen eingeladen wurde, macht sich im Nachhinein Gedanken darüber, was an dieser alten Patronatskirche so einmalig ist. Es dürfte vor allem daran liegen, dass diese Dorfkirche ihren deutschen Charakter bis in die heutige Zeit bewahrt hat. Sie ist dank der Initiative der Litauischen Evangelischen Kirche ein Juwel von innen und außen. Das Gebäude wurde unter Denkmalschutz gestellt, das rote Ziegeldach vollkommen erneuert. Im Innern befinden sich an der Empore große Gedenktafeln für die gefallenen Memelländer in den Kriegen von 1813/14, 1866, 1870/71 und 1914/18. Und über den Tafeln steht: „Für König und Vaterland!“ „Wo gibt es so etwas noch im heutigen Deutschland?“, fragt Bernd Dauskardt.

Er hatte seinen Bericht mit „Wir sind die Letzten“ betitelt, und damit die Memelländer gemeint, die der Feier beiwohnten. Mir fiel die Zeile in dem Gedicht von Agnes Miegel „Die Frauen von Nidden“ ein, die als letzte, von der Pest verschonte Bewohner des Nehrungsdorfes die Düne bitten, sie mit ihrem Sand zuzudecken. „… wir Sieben sind allein noch übrig geblieben!“ Unsere im Memelland verbliebenen Landsleute wissen, dass ihre Kirche nicht dem Verfall preisgegeben ist, dass sie ihnen bis zum letzten Atemzug heimatliche Vertrautheit und Geborgenheit vermitteln wird. Dank aller, die dieses wunderschöne Gotteshaus in Coadjuthen und seine Vergangenheit bewahren! R.G.


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