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12.10.13 / Der Wochenrückblick mit Klaus J. Groth / Die Gesetze des Hühnerhofes /Aufplustern und Federn lassen / Die grüne FDP / Das Lied vom Klassenfeind / Abtauchen wie Kieler Sprotten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-13 vom 12. Oktober 2013

Der Wochenrückblick mit Klaus J. Groth
Die Gesetze des Hühnerhofes /Aufplustern und Federn lassen / Die grüne FDP / Das Lied vom Klassenfeind / Abtauchen wie Kieler Sprotten

Alles wird gut, ganz bestimmt. Es wird zwar nicht so gut, wie es sich eine Mehrheit der Wähler bei der Bundestagswahl gewünscht hat, aber damit muss man sich abfinden, man kann nicht alles haben. Dann wird es eben anders, und warum das dann besser als gut ist, das wird man uns schon noch rechtzeitig sagen. Jedenfalls reden in Berlin wieder Leute miteinander, die sich vor ein paar Wochen noch nicht einmal mit dem Hintern angesehen haben (jedenfalls nicht, wenn Publikum dabei war). Nun haben sie diese Niederungen verlassen und befinden sich wieder auf Augenhöhe. Die „Augenhöhe“ ist im politischen Berlin eine ausgesprochen begehrte Position. Der Souverän, der Wähler, atmet auf. So wie die Parteien sich nach der Wahl aufgeführt haben, musste dem Souverän angst und bange werden. Ganz, ganz schwierig mache das Wahlergebnis eine Regierungsbildung, eigentlich vollkommen unmöglich, hieß es von allen Seiten. Der Souverän wollte bereits vorschlagen, mal in Italien nachzufragen, dort hat man reichlich Übung darin, Regierungen zu bilden, die es eigentlich gar nicht geben kann. Silvio Berlusconi soll über sehr spezielle Erfahrungen verfügen. Wahrscheinlich stünde der Cavaliere gerne zur Verfügung, weil er demnächst sowieso etwas mehr Zeit hat und vielleicht ganz froh wäre, wenn er mal für ein paar Tage aus Italien raus käme.

Aber so, wie die Dinge sich augenblicklich entwickeln, wird der Berlusconi in Berlin nicht gebraucht. Schade, wäre mal ein interessantes Experiment gewesen. Das sollte uns jedoch nicht weiter grämen, denn wir steuern auf andere Experimente zu. Doch Vorsicht, nicht alles, was interessant ist, ist auch wünschenswert. Auf jeden Fall reden jetzt alle wieder miteinander und sagen, dass sie nicht sagen, worüber sie reden.

Was uns jetzt vorgeführt wird, das kennen wir von Paradiesvögeln. Und von Gockeln. Und von Fröschen. Jeder, der sich wichtigmachen will, bläst sich auf. Meist ist er dann in der Balz. Wer das natürliche Verhalten bei den Balzritualen kennt, der beurteilt das Gebalze um Angela Merkel zurückhaltender als die weniger naturnahen Korrespondenten in der Hauptstadt. Dabei sollten sie sich bei diesen Ritualen auskennen, schließlich haben sie genug Paradiesvögel und Gockel in den eigenen Reihen.

Spätestens seit Franz Müntefering weiß das politische Deutschland: „Opposition ist Scheiße.“ Weil das so ist, will plötzlich so ziemlich jeder mit so ziemlich jedem. Für die CDU sind die Grünen plötzlich (aber keineswegs unerwartet) „eine echte Alternative“. Kann man ja verstehen, nachdem sich deren bisherige Frontmannen und Frontfrauen vom Acker gemacht haben. Aber weiß man, was kommt? Joschka Fischer (nein, keine Sorge, der kommt nicht zurück, der bleibt in seiner Villa im Grunewald) sieht die Grünen schon als Erben der FDP. Deren nunmehr verwaister Platz in der Mitte solle schleunigst von den Grünen besetzt werden, rät er seinen ehemaligen Parteifreunden: „Eine solche Gelegenheit nicht zu nutzen, das wäre mehr als dämlich. Das wäre dumm.“ Ganz schön schlau! Wenn man die Grundfarben Blau und Gelb mischt, dann gibt es ja auch Grün. Es gibt Dinge, über die kann man keine Witze reißen, weil sie bereits einer sind.

Da ist es beinahe schade, dass auch Claudia Roth den Bettel hinschmeißen will. Sie hatte sich, wie bereits an dieser Stelle zu lesen war, unmittelbar vor dem Wahlkampf noch so schön bei Angela Merkel angeschmust, der Kanzlerin einen „freundlichen, ruhigen und bescheidenen Stil“ bescheinigt, sie als „witzig und angenehm im persönlichen Umgang“ bezeichnet. Was bahnt sich denn da an, hatten wir damals gefragt. Nun wissen wir es. Aber wer weiß, vielleicht kommt Merkel durch diese Mutation, die Fischer empfiehlt, wieder zu ihrem Lieblingspartner, einer nunmehr grünen FDP. Da würde die rote SPD schön dumm gucken, nachdem sie sich vorauseilend von der fröhlichen Erhöhung der Steuern verabschiedete. Viel schneller als die Grünen war sie dabei allerdings nicht.

Die vom linken Flügel der SPD wollen ohnehin lieber an die ganz und gar Roten ranrobben, trauen sich aber noch nicht richtig. Ralf Stegner, Landesvorsitzender der SPD in Schleswig-Holstein mit auffallender Präsenz in Berlin, hat aus seinem Herzen keine Mördergrube gemacht, als er prophezeite, die vergangene Bundestagswahl sei die letzte gewesen, bei der seine Partei den Linken die kalte Schulter gezeigt habe. Offenbar macht der Mann bei den SED-Nachfolgern mehr Gemeinsamkeiten als bei der CDU aus. Da zu befürchten ist, dass der Mann fürs Grobe ausspricht, was andere denken, sei ihm und seinen Gesinnungsgenossen das „Lied vom Klassenfeind“ von Berthold Brecht zur Lektüre empfohlen: „Da mag dein Anstreicher streichen, / den Riss streicht er uns nicht zu! / Einer bleibt und einer muss weichen, / entweder ich oder du … / Das Wort wird nicht gefunden, / das uns beide jemals vereint! / Der Regen fließt von oben nach unten. / Und du bist mein Klassenfeind.“

Jeder kann mit jedem? Na, so ganz scheint das wohl nicht zu stimmen. Stegner mit den linken Sehnsüchten erlebt das gerade ziemlich drastisch im dem von ihm geführten Landesverband. Der Krieg von Kiel könnte freilich auch ein Grund sein, warum sich Ralf Stegner lieber in Berlin als in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt aufhält. Da wird gerade vorgemacht, was Parteifreunde voneinander halten, nämlich gar nichts. Und wie ein Parteifreund den Worten des anderen traut, nämlich überhaupt nicht. Und wie jeder fest überzeugt sein kann, das Gegenteil des Gesagten sei in Wahrheit gemeint. Ja, wie kommt man denn bloß auf solche Gedanken? Ralf Stegner sagt doch, der Krieg von Kiel habe mit Intrigen nichts zu tun und typisch für die Landespolitik sei die Sache auch nicht. Fehlte nur noch, der Mann behauptete, das seien alles nur kleine Fische, Kieler Sprotten eben. Aber solche Behauptung kann selbst Stegner nicht aufstellen. Schließlich sind die handelnden Figuren die Bürgermeisterin der Landeshauptstadt, der Ministerpräsident des Landes höchstselbst, sein Innenminister, der den Generalstaatsanwalt in Marsch setzte, ein Bundestagsabgeordneter und der Parteivorsitzende, der sich aus der Geschichte nicht raushalten kann.

Nein, kleine Fische sind das allesamt nicht, auch wenn sich jeder gerne zur Sprotte machen würde, um abzutauchen. Aber das geht nun nicht mehr, nachdem die Bürgermeisterin einem bisher als vermögend geltenden Augenarzt, der sich möglicherweise verspekuliert hat, mal so eben in eigener Machtvollkommenheit im Alleingang eine Steuerschuld von 3,7 Millionen Euro erlassen hat. Wie das zu den hehren Forderungen ihrer Partei nach Gerechtigkeit und Steuerehrlichkeit passen soll, hat zum Glück niemand ernsthaft zu erklären versucht. Halt, stopp, der Ministerpräsident, der Parteifreund, der hat es versucht. Der schrieb der Bürgermeisterin eine SMS. Darin stand, wie sie den Verzicht als Segen zum Wohle der Stadt ummünzen könne (nebenbei war das eine kleine Lektion, wie man politisch aus einem Minus ein Plus macht). Leider hat die Bürgermeisterin den fürsorglichen Rat in den falschen Hals bekommen oder nicht richtig verstanden. Jedenfalls hatte sie sofort den Verdacht, ja, war sie felsenfest überzeugt, der angeblich wohlmeinende Rat beweise, dass der Absender Einfluss auf die den Vorgang prüfende Behörde genommen habe (wie kam sie nur darauf?).

Die Bürgermeisterin, gar nicht faul, posaunt diesen schlimmen Verdacht raus, damit war dann nichts mehr zu retten. Als sie und ihr Mann, ein Bundestagsabgeordneter, dann den Innenminister aufforderten, einen Prüfungsbericht vorerst nicht zu veröffentlichen (wozu kennt man sich schließlich und hat in besseren Zeiten in so mancher froher Runde zusammengesessen), sah sich der genötigt und schaltete den Generalstaatsanwalt ein. Jetzt befasst sich der Generalbundesanwalt mit dem Fall. Mit Intrigen und tiefem Misstrauen hat das alles überhaupt nichts zu tun, da können wir ganz beruhigt sein. Und die Fortsetzung abwarten – in aller Freundschaft.

Hans Heckel ist diese Woche im Urlaub.


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