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19.10.13 / Den Mullahs ist nicht zu trauen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-13 vom 19. Oktober 2013

Gastbeitrag
Den Mullahs ist nicht zu trauen
von Saeid Yeganeh

Die verfassungsmäßig verankerte „Velayat-e Faqih“ – die totale Herrschaft des obersten Rechtsgelehrten – verleiht dem religiösen Oberhaupt im Iran, Ali Khamenei, uneingeschränkte Machtbefugnisse. Nach der Verfassung kann er den vom Volk direkt gewählten Präsidenten ablehnen, hat das Oberkommando über Armee und Revolutionsgarde inne und ernennt ihre Kommandeure, vom Chef des Generalstabs bis zu den Kommandeuren aller drei Teilstreitkräfte. Er bestimmt den Oberbefehlshaber der Polizei- und Ordnungskräfte. Er steht über allen: dem Staatspräsidenten, der Regierung, dem Parlament und der Justiz. Über die Außenpolitik und das Atomwaffenprogramm hat er das letzte Wort. Niemand, nicht einmal der Staatspräsident, kann ohne seine Zustimmung eine strategische Entscheidung treffen. Auch eine Verfassungsänderung kann nur mit seiner Billigung durchgeführt werden. Daher ist eine Reform im Iran vor einer Änderung des Systems im Ganzen ausgeschlossen. Die verschiedenen Flügel und Politiker des Regimes sind daran gebunden; es gibt innerhalb des Regimes keine Opposition, denn alle Personen, Parteien und Fraktionen gehorchen auch bei kritischer Haltung dem „Führer“, der „Velayat-e Faqih“.

Bei der Wahl im Juni 2013, die eher die Züge einer Scheinwahl trug, hat der Wächterrat 678 von den 686 zur Wahl des Präsidenten registrierten Kandidaten (98,8 Prozent) disqualifiziert. Nur die Kandidatur von acht der Funktionäre des Regimes (1,2 Prozent) wurde zugelassen. Der Wächterrat setzt sich aus Mullahs zusammen, die Khamenei ernennt; er ist eines von mehreren Kontrollorganen, die ihm direkt unterstehen. Diesmal wurde Hassan Rouhani als Präsident der Mullahs der Nachfolger Ahmadinejads. Rouhani war 16 Jahre lang Sekretär des Obersten Nationalen Sicherheitsrats, 13 Jahre lang nationaler Sicherheitsberater der ehemaligen Präsidenten und elf Jahre lang stellvertretender Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Während der landesweiten Aufstände im Jahre 2009 äußerte er im staatlichen Fernsehen: „Den Demonstranten muss mit aller Härte begegnet werden.“ Dabei wurden hunderte von Menschen getötet und tausende weitere verhaftet und schwer gefoltert. Rouhani machte in seiner ersten Pressekonferenz nach der Wahl im Juni 2013 deutlich, dass der Iran das Atomprogramm fortsetzen werde. Er unterstrich auch seine Bindung an das religiöse Oberhaupt.

Auch sein Kabinett spricht für sich; hier nur zwei Beispiele: Der Verteidigungsminister Hossein Dehgan gehörte zu den Studenten, welche am 4. November 1979 die US-Botschaft in Teheran stürmten und 53 US-Diplomaten als Geiseln nahmen. Er gehörte auch zu den Gründern der Hisbollah im Libanon. Der Justizminister Mostafa Pourmohammadi ist ein bekannter Verbrecher. Er hat die Exekution von Jugendlichen im Alter von 16 bis 18 Jahren befohlen und gehörte zu den ranghohen Vertretern der Führungsschicht, die für den Massenmord an 30000 oppositionellen Volksmudschahedin im Jahre 1988 verantwortlich sind.

Für die Verhandlungen über das Atomprogramm will Rouhani auf keine Vorbedingungen festgelegt werden. Ein Verzicht auf die Urananreicherung als Zeichen des Einlenkens kommt für die Mullahs nicht in Frage. Als das iranische Atomwaffenprogramm 2002 durch die Hauptopposition Volksmudschahedin (PMOI/MEK) und den Nationalen Widerstandsrat Iran (NWRI) ans Licht gebracht wurde, reagierten viele Politiker und Regierungen des Auslands darauf nicht, weil ihnen die Iran-Geschäfte wichtiger waren. Die Beschwichtigungspolitik des Westens bescherte den Mullahs einen bedeutenden Zeitgewinn. Heute aber muss man die Warnung der iranischen Oppositionsführerin Maryam Rajavi vor dem religiösen Faschismus, der den Weltfrieden gefährdet, unbedingt ernst nehmen.

Der Iran verfügt über unendliche Erd­öl- und Erdgasquellen, so dass er auf die teure Atomenergie niemals angewiesen sein wird. Es ist ein fruchtbares Land, mit Landwirtschaft und vielen Rohstoffen – ausreichend für Nahrung, Bau und Technologie. Daher sind die Behauptungen der Mullahs, sie benötigen die Atomenergie, absurd.

Rouhani hat kürzlich in den staatlichen Medien hervorgehoben, dass er in den vergangenen Jahren die mit der Vermittlung in dem Atomstreit befasste, aus den Außenministern Großbritanniens, Frankreichs und Deutschlands gebildete „EU-Troika“ getäuscht habe, um das Programm des Regimes zur Entwicklung von Atomprogramm voranzubringen. Nun kündigt er schnelle Verhandlungen über das iranische Atomprogramm an, während er zugleich auf dem Recht seines Landes auf Urananreicherung beharrt.

Rouhani bezeichnete in seiner vor der UN-Vollversammlung am 24. September gehaltenen Rede sein Regime als „Anker der Stabilität in einer Region der Instabilität“ und schlug sich selbst als Vermittler in der Syrien-Frage vor. Aber die Tatsachen zeigen umgekehrt, dass die Mullahs Paten des internationalen Terrorismus sind.

Am 26. Januar 2013 machte Mullah Taeeb, der Kommandeur der paramilitärischen Kräfte im Iran und einer der führenden Ideologen des Regimes, die Strategie der Mullahs deutlich: „Syrien gilt für uns als 35. Provinz des Iran und ist wichtiger als die Provinz Khuzestan (dort liegen die Ölfelder des Iran). Wenn wir Khuzestan verlieren, können wir es zurückerobern. Aber wenn wir Syrien verlieren, werden wir auch Teheran nicht halten können.“

Noch interessanter ist, dass Mohammed Ali Dschafari, der Kommandeur der iranischen Revolutionsgarde, sagte: „Die Feinde, die keine Macht haben, die Widerstandsfront in Syrien anzugreifen, werden auch nicht die Macht haben, irgendetwas gegen den Iran zu unternehmen“. Die „Verschwörung der arroganten Mächte“ gegen Damaskus und Teheran sei gescheitert, die USA hätten „eine Niederlage und ein Scheitern“ in Syrien erlebt.

Es ist inzwischen kein Geheimnis mehr, dass zehntausende iranischer Gardisten sich in Syrien aufhalten, um Assad an der Macht zu halten. Sollte das Assad-Regime tatsächlich Chemiewaffen eingesetzt haben, hätte das nur mit der Zustimmung von Khamenei geschehen können. Dann hätte es ein Test gewesen sein können, um herauszufinden, wie die Weltgemeinschaft reagieren würde, wenn der Iran den letzten Schritt zum Bau einer Atombombe unternähme.

Erfahrungen mit den Mullahs sind genug vorhanden. Man sieht, was den Iran betrifft, das Ende eines Verbrechersystems voraus. Wenn die Mullahs und Rouhani sich glaubwürdig machen wollen, müssen sie von sich aus die Urananreicherung, die Hinrichtungen und die Folter beenden. Seit der Wahl im Iran sind mehr als 200 Menschen hingerichtet worden. Ein Vampir wird niemals eine Taube in die Welt bringen. Die Reaktionen der Mullahs zeigen nur, dass die Sanktionen gewirkt haben. Aber sie haben keine Kapazität, sich zu ändern. Ohne freie Meinungsäußerung und Menschenrecht und solange die kriegerische Politik des Regimes in Syrien und im Irak anhält, wird sich nichts verändern; darüber darf die Weltgemeinschaft sich nicht täuschen lassen.

Saeid Yeganeh ist exiliranischer Publizist und Iranexperte. Er lebt und arbeitet in Berlin.


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