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19.10.13 / Vererbtes Trauma / Tochter erinnert sich, wie die Vertreibung der Mutter auf sie überging

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-13 vom 19. Oktober 2013

Vererbtes Trauma
Tochter erinnert sich, wie die Vertreibung der Mutter auf sie überging

Die Beziehung zwischen Mutter und Tochter ist eine ganz besondere. Sie verändert sich im Laufe des Lebens, ist vielschichtig, selten einfach und lässt sich nicht in einem Satz beschreiben. So erging es auch Gabriele Schreib. Nach dem Tod ihrer Mutter im Dezember 2009 begann sie, die Erinnerungen an und die Erlebnisse mit ihrer Mutter aufzuarbeiten. Im Zuge dieses Prozesses beschäftigte sie sich auch mit der Kindheit der Verstorbenen.

„Viel Zeit vergeht, bis ich mich endlich daran mache, die Regale mit den Tagebüchern meiner Mutter zu sichten … Der Krieg, der zunächst einmal nur aus der Ferne wirkt, verursacht bei ihr schon Horror genug. Aber jetzt können die Russen theoretisch schon bald in der Nähe ihrer Heimatstadt ankommen. Aber lassen wir das kleine romantische und verträumte Mädchen mit den blonden Zöpfen und den hellblauen Augen selber erzählen …“

„Marjellchen“ ist die heutzutage nicht mehr gebräuchliche, aus dem Ostpreußischen stammende Bezeichnung für ein „Mädchen“. Und ein solches Mädchen war Gabriele Schreibs Mutter Irmgard noch, als sie im Jahre 1941 mit ihren Tagebuchaufzeichnungen begann. Geboren wurde sie 1928 im ostpreußischen Gumbinnen. Und bis der Krieg begann, war Irmgard ein relativ unbeschwertes und glückliches Kind.

Gabriele Schreib hat eine Reihe von Auszügen aus den Tagebüchern ihrer Mutter ausgewählt und in „Marjellchen. Kleine Mädchen im Strudel der Weltgeschichte“ veröffentlicht. In dem Buch geht es um die Beziehung zu ihrer Mutter, die furchtbaren Erlebnisse, die diese durch den Krieg durchleben musste, die Härten der Nachkriegszeit und das tief sitzende Trauma, das ihre Mutter seit der Flucht aus Ostpreußen nach Schleswig-Holstein zeitlebens mit sich herumschleppte.

Die 1949 geborene Autorin möchte mit ihrem Buch daran erinnern, dass die Nachkriegsgeneration zwar an den schrecklichen Kriegsgeschehnissen quasi vorbeigeschrammt ist, aber nichtsdestotrotz unter den seelischen Schäden der Elterngeneration zu leiden hatte. Durch die Aufzeichnungen von Irmgard kann der Leser die Gefühle der Entwurzelung und auch die Sehnsucht nach der verlorenen Heimat gut nachvollziehen und sie erkennt durchaus, welche folgenschwere Einflüsse dies auf das Leben der Tochter sowie auf die Mutter-Tochter-Beziehung gehabt hat.

Das Wort Trauma steht für Wunde, und anhand der Tagebuchaufzeichnungen und der Vita der Mutter von Gabriele Schreib kann man erkennen, dass es Wunden gibt, die auch nach vielen Jahrzehnten niemals richtig verheilen werden. Vanessa Ney

Gabriele Schreib: „Marjellchen, Kleine Mädchen im Strudel der Weltgeschichte“, VAS, Bad Homburg, broschiert, 95 Seiten, 14,80 Euro


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