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26.10.13 / Wenn Isolationshaft Folter wird / Neuer Anlauf zu einer besseren gesetzlichen Regelung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-13 vom 26. Oktober 2013

Wenn Isolationshaft Folter wird
Neuer Anlauf zu einer besseren gesetzlichen Regelung

In der juristischen Fachpublikation „Legal Tribune“ setzt sich derzeit Christine Graebsch, Hochschullehrerin an der FH Dortmund und Leiterin des dortigen Strafvollzugsarchivs, für eine Abschaffung der sogenannten Isolationshaft ein. Die noch heute in manchen Vollzugsanstalten geübte Praxis langjähriger Einzelhaft sei als inhuman zu bezeichnen. Weitere namhafte Kritiker definieren diese Haftform sogar als Folter und fordern eine Überarbeitung der gesetzlichen Regeln. Bis zu 20 Jahre Isolationshaft seien in jedem Fall als inhuman zu bezeichnen. Bislang hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nur die Nacktunterbringung in einer Sicherheitszelle als gegen die Menschenwürde verstoßend gerügt.

Im Gesetz gibt es den Begriff Isolationshaft erst gar nicht, es heißt schwammig Einzelhaft oder wie beim Justizministerium Niedersachsen „die unausgesetzte Absonderung eines Gefangenen“ und regelt keinesfalls die jeweils damit verbundenen Konditionen wie etwa die Betreuung während dieser Prozedur.

Erforderlich sind nach Meinung kritischer Juristen Kontrollgremien zur Folterprävention, die ihrer Aufgabe entsprechend ausgestattet sind und das zivilgesellschaftliche Engagement haben, einen Missbrauchsverdacht publik zu machen und so dem „Verschwinden“ von Gefangenen unter Isolationsbedingungen entgegenzuwirken.

Im Fall des in der Justizvollzugsanstalt Celle nach einem Ausbruch untergebrachten ehemaligen Autodieb Günther Finneisen sprechen Fachleute heute bereits offen von angewendeter Folter. Finneisen musste 16 Jahre unter Isolationsbedingungen hinter Panzerglas leben. In anderen Fällen betrug die Zeitdauer sogar 20 Jahre. Der sogenannte Polizistenmörder von Augsburg war bereits nach 15 Monaten strikt angewandter Isolierung soweit, dass er – psychisch zerbrochen – nicht mehr verhandlungsfähig war. Da es aber auch Bundesländer gibt, die ganz ohne Isolationshaft auszukommen scheinen, obwohl es sicherlich auch dort zum Teil problematische Gefangene gibt, wäre nach Ansicht der Kritiker der Versuch naheliegend, die Isolationshaft abzuschaffen.

Der Psychiater Sjef Teuns schreibt zu den Folgen der Isolation: „Die Herstellung und Aufrechterhaltung einer künstlichen Umgebung, die sich einerseits durch ihre Konstanz und Unveränderlichkeit und andererseits durch willkürlich dosierte Reize – auch im Schlaf – auszeichnet, legt im Laufe der Zeit die Sinnesorgane lahm und führt zu einer Desintegration und extremen Desorientierung des so isolierten Individuums, so wie etwa lang andauernde, erzwungene Bewegungslosigkeit zu einer Erschlaffung der Muskulatur, zu Gelenkversteifungen und Knochenverformungen führen kann.“ Die Kriminologin Sharon Shalev fordert, dass solche Haftbedingungen, die oft zur Erzwingung von Ge-ständnissen angewendet werden, nur vier Wochen dauern dürften.

Bei der Wiesbadener Kriminologischen Zentralstelle, der „Bundesstelle zur Verhütung von Folter“, überwachen nur vier Mitarbeiter die Einrichtungen in den Bereichen Justizvollzug, Polizei und Psychiatrie. Allein im Straf- und Maßregelvollzug sind sie für 84000 Menschen zuständig. J.F.


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