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02.11.13 / Japan schafft sich ab / Nicht nur die Regierung, auch die Bevölkerung arbeitet an der Selbstzerstörung des Landes mit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-13 vom 02. November 2013

Japan schafft sich ab
Nicht nur die Regierung, auch die Bevölkerung arbeitet an der Selbstzerstörung des Landes mit

Seit zwei Jahren sinkt die japanische Bevölkerungszahl jährlich um 300000 Menschen. Das entspricht der Einwohnerzahl von Bonn oder Münster. Und die Zahl wird noch steigen, denn immer mehr Mitglieder der jungen Generation verweigern sich nicht nur der Ehe, sondern jeglichem nicht-virtuellen Sex.

Derzeit gibt es noch 127 Millionen Japaner. Im Jahr 2060 sollen es nur noch 86 Millionen sein. 35 Millionen, das heißt 40 Prozent der Bevölkerung, werden dann über 65 Jahre alt sein. Die arbeitende Bevölkerung, die diese Senioren unterhalten muss, wird von derzeit 81 Millionen auf 44 Millionen fallen. Nur noch sieben Millionen Kinder unter 15 wird es dann noch in Japan geben. Diese Voraussagen beruhen auf der optimistischen Annahme, dass sich die derzeitige Geburtenrate von 1,4 Kindern pro Frau halten wird. 2,1 Kinder sind bekanntlich für eine stabile Bevölkerungszahl notwendig.

Tatsächlich sieht nach der ehe- und sexfeindlichen Einstellung der jungen Generation die Zukunft jedoch viel düsterer aus. 90 Prozent aller jungen Frauen bekunden ein nur geringes Interesse an einer Ehe, 45 Prozent sind sogar an sexuellen Erfahrungen nicht interessiert. Ein Drittel aller unter 30-Jährigen hat noch nie eine romantische Verabredung gehabt.

Nach einem japanischen Sprichwort gilt die Ehe als das Grab der Frau. Nach der Hochzeit wird sie kaum noch gefördert. Mit der Geburt eines Kindes geben die meisten ihren Arbeitsplatz auf, denn die überlangen Arbeitszeiten und die rücksichtslose Versetzungspraxis japanischer Unternehmen sind mit der Erziehung von Kindern nicht vereinbar. Zudem hat auch der Ehemann lange Arbeitszeiten, minimalen Urlaub und kümmert sich traditionell nicht im Geringsten um den Haushalt und den Nachwuchs. So haben die meisten jungen Frauen die Konsequenzen gezogen. Sie leben meist weiter bei ihren Eltern und geben ihr Geld in teuren Restaurants, für Mode, Schönheitspflege und Auslandsreisen mit Freundinnen aus. Aktuell ist es sehr beliebt, sich niedliche kleine Hündchen zu halten, die aufgeputzt in Kinderwagen herumgefahren werden. Sind sie dann aber nicht mehr niedlich oder stören, werden sie allerdings mitleidslos in Krematorien vergast.

Die jungen Männer mussten sich auf das Desinteresse ihrer weiblichen Altersgenossen einstellen. Auch bei ihnen gibt ein Viertel mittlerweile an, an Sex nicht mehr interessiert zu sein. Den meisten ist Flirten und das ganze Drumherum auch zu mühsam geworden. Oft sieht man auch Paare in Restaurants, die statt miteinander zu sprechen, schweigend jeweils ihre Smartphones konsultieren und Textnachrichten schicken. So flüchtet die heiratsmüde Männerwelt in virtuelle Welten mit Internet-Pornos, Anime-Figuren und virtuellen „Freundinnen“.

Tatsächlich haben gut ein Drittel der jungen Männer ohnehin keine Heiratschancen, weil sie nur in prekären Teilzeitjobs mit niedrigen Löhnen und Hilfsarbeiten beschäftigt sind, wo sie weder Aufstiegs- noch Ausbildungschancen haben. Eine Japanerin geht nicht freiwillig ein Armutsrisiko ein. Dieses Präkariat ist deshalb so angewachsen, weil die Firmen verstärkt ihre Fertigung ins Ausland verlagern. Da ihre alten Stammarbeiter Kündigungsschutz genießen, stellen sie kaum noch Nachwuchs ein. Wenn die Alten dann irgendwann in Rente gehen, fehlen Japan dann die qualifizierten Facharbeiter in der ohnehin schrumpfenden arbeitsfähigen Bevölkerung.

Die japanischen Regierungen der letzten Jahre belassen es bei Appellen zum Kinderkriegen. Unzählige Expertenkommissionen tagten bereits zum Pro und Contra von Kinderkrippen. Aber passieren tut wenig. Optimismus und neues Wirtschaftswachstum werden es schon richten, verkündet Premier Shinzo Abe. Er ließ den Geldumlauf verdoppeln, lässt die Notenbank 70 Prozent aller neuen Staatsanleihen aufkaufen, legte einen neuen Schuldenhaushalt auf, der die Staatschulden, die derzeit bereits 250 Prozent des Bruttoinlandsproduktes betragen, weiter in die Höhe schnellen lässt. Die Exportwirtschaft ist zufrieden, weil der billig gewordene Yen den Absatz und die Profite steigert. Wie aber die nächste Generation neben der unbezahlbaren Rentenlast auch noch die Staatschuld begleichen soll, bleibt ein Rätsel.

Langfristig ist Wachstum nur mit einer erhöhten Binnennachfrage möglich, doch seit 20 Jahren sind die Familieneinkommen

rückläufig und ist die Beschäftigungslage unsicherer geworden. Spareinlagen bringen Nullzinsen. Im Zuge der jahrzehntelangen Stagnation ist die Schere zwischen Arm und Reich in der einst von einer breiten Mittelschicht dominierten Gesellschaft immer größer geworden. Jetzt halten sich 37 Prozent für Unterschichtenangehörige. Die Armutsquote ist auf 16 Prozent gestiegen. Gleichzeitig steigen die Energiepreise für das importierte Öl und Erdgas. Die Verkaufsteuern sollen im nächsten Jahr auf acht Prozent steigen, und die Regierung tut alles, um die Deflation der letzten Jahre in eine leichte Inflation umzukehren. Der Durchschnittsjapaner wird also weiter ärmer. Wie er dennoch, mit einer Sparquote von nur zwei Prozent, wie von Abe beabsichtigt, jetzt den Konsum anheizen soll – die kleinen Wohnungen sind ohnehin mit allem vollgestopft – bleibt das Geheimnis des Premiers. Wenn das Strohfeuer seiner Ausgabenprogramme erloschen ist, bleibt wieder nur eines: noch unbezahlbarere Staatsschulden in einem überalterten, schrumpfenden Land im unaufhaltsamen Niedergang. Albrecht Rothacher


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