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02.11.13 / Dokumentationsstätte für Flucht und Vertreibung / Das Projekt Gnadenkirche Tidofeld in Norden steht vor seiner Vollendung − Einweihung am 2. November

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-13 vom 02. November 2013

Dokumentationsstätte für Flucht und Vertreibung
Das Projekt Gnadenkirche Tidofeld in Norden steht vor seiner Vollendung − Einweihung am 2. November

Wenn uns Frau Ursula Karge auf die Gnadenkirche Tidofeld in Norden aufmerksam macht, dann hat sie dafür einen guten Grund: Eine aus ihrer Sammlung zusammengestellte Mappe mit Konfirmationsurkunden wird die Dokumentationsstätte zur Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen erhalten, die an diesem Wochenende eingeweiht wird. Und es werden gerade Urkunden aus den ehemaligen Ostgebieten sein, die dort bewahrt und den Besuchern gezeigt werden, unter denen sich mit Sicherheit auch Zeitzeugen befinden, die nach Flucht und Vertreibung hier eine erste Bleibe fanden. Als Kinder oder Jugendliche, denn es sind 65 und mehr Jahre vergangen, aber die Erinnerung daran soll wach gehalten werden in Kirche und Baracke, dort, wo während der ersten Nachkriegsjahre 6000 Flüchtlinge und Vertriebene untergebracht waren. Die Initiatoren aus dem evangelisch-lutherischen Kirchenkreis Norden, der als Träger des Projekts sich dieser Aufgabe stellt, konnten mit der Unterstützung von Bürgern und Politikern rechnen, denn sie banden nicht nur die Themen Flucht und Vertreibung sondern auch die Integration der Heimatlosen in die Planung mit ein. Gute Voraussetzung für die Realisierung war gegeben, denn die Gnadenkirche Tidofeld bot sich als Dokumentationsstätte geradezu an. Bereits vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde in dem kleinen Ort, der damals noch nicht in die Stadt Norden eingemeindet war, ein Durchgangslager für Marinesoldaten errichtet. Dieses wurde nach dem Krieg von der Stadt Norden als Flüchtlingslager genutzt, das zu einem der größten in Niedersachen wurde. Obwohl die ersten Jahre von Not, Entbehrung und Ungewissheit über die eigene Zukunft geprägt waren, entstand unter den 1200 Menschen, die hier im Durchschnitt lebten, eine lebendige Solidar- und Schicksalsgemeinschaft. In den Holzbaracken wurde eine Krankenstation eingerichtet, kleine Läden und Handwerksbetriebe und sogar eine Gaststätte trugen zu einer Normalisierung des Alltagslebens bei, das sich auf engsten Raum beschränken musste, was aber auch das Zusammengehörigkeitsgefühl förderte.

Einen wesentlichen Beitrag zur Aufnahme und Eingliederung der Heimatlosen leisteten die Kirchen durch geistliche Betreuung und materielle Hilfe. Der kleine Kirchenraum der Baracke II erhielt 1951 einen Glockenstuhl, der sich wie ein Mahnmal über den Baracken erhob. Nachdem diese bis 1960 abgebaut wurden und damit auch der Kirchenraum verschwand, wurde ein Jahr später die heutige Gnadenkirche Tidofeld als evangelisch-lutherische Kirche erbaut. Sie dokumentiert schon als Gebäude die Geschichte von Flucht, Vertreibung und Integration, die für das 20. Jahrhundert so prägend war. Ihre Lage inmitten einer für Flüchtlinge errichteten Siedlung zeichnet sie als eine der herausragenden Vertriebenenkirchen aus.

Aber auch im neuen Jahrhundert bleibt das Thema Flucht, Vertreibung und Integration von großer Aktualität. An dieser historischen Stätte einen Ort des Erinnerns entstehen zu lassen, an dem das Schicksal der Flüchtlinge und Vertriebenen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten dokumentiert wird, war ein Hauptanliegen der Initiatoren dieses Projekts, das den vollen Titel „ Gnadenkirche Tidofeld – Dokumentationsstätte zur Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen in Niedersachsen und Nordwestdeutschland“ erhielt. Aber man will sich nicht nur auf die Dokumentation allein beschränken, sondern die Besucher in die aktuelle Thematik mit einbinden. Aus leidvoller Erfahrung und gelungener Integration lässt sich für Gegenwart und Zukunft lernen - deshalb hat die Projektgruppe, in der Theologen, Historiker, Zeitzeugen und Vertreter des Bundes der Vertriebenen zusammen arbeiten, besonders an die nachfolgenden Generationen gedacht. Für Schulklassen, Konfirmanden – und Jugendgruppen aus dem In-und Ausland soll hier ein Ort lebendigen Geschichtsunterrichts entstehen. Da die Region Norden und Norddeich zu den beliebtesten Urlaubsregionen in Deutschland gehört, könnte Tidofeld zu einer internationalen Begegnungsstätte werden. Für die Heimatlosen, die damals in den Baracken eine erste Unterkunft fanden, wird Tidofeld ein Ort der Erinnerung bleiben, der unterschiedliche Empfindungen auslöst.

Über die am 2. November um 14 Uhr stattfindende Einweihung werden wir gesondert berichten. R.G.


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