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02.11.13 / Zu Ehren der Königin / Charlottenburgs Geschichte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-13 vom 02. November 2013

Zu Ehren der Königin
Charlottenburgs Geschichte

Bis 1920 war Charlottenburg autonome Großstadt im Westen Berlins. Mit der 300-jährigen Geschichte Charlottenburgs und parallel dazu mit der Geschichte des ältesten Hauses im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf hat sich die Berliner Historikerin Dorothea Zöbl in ihrem jüngsten Buch „Wo der König Bürgermeister war. Charlottenburger Stadtgeschichten seit 1720“ befasst. Im ersten Teil des Buches werden die Gründung und Entwicklung von Stadt, Schloss und Garten bis 1735 erläutert. Jagdschneisen, Sichtachsen und Kanäle verflochten seit dem späten 17. Jahrhundert die Umgebung Berlins mit einem Ring von Herrensitzen und Schlössern.

Von 1695 bis 1699 ließ die hochgebildete Kurfürstin Sophie Charlotte (1668–1705) nahe dem Dorf Lietzow, ihrem Eigentum, ein Sommerschloss mit Tiergarten errichten. Schloss Charlottenburg, das ursprünglich Lützenburg hieß, hatte durch seine direkte Verbindung mit dem Berliner Schloss eine Sonderstellung im Residenzraum des Kurfürstenpaares, wie Zöbl anhand von Karten deutlich macht. 1701 wurde es zu einer repräsentativen Anlage ausgebaut; der Ausbau fiel zeitlich mit der Rangerhöhung des Kurfürsten zum König zusammen. Weit über die Grenzen hinaus war das Schloss als Musenhof berühmt. Ausgehend von einigen Anwesen für Hofbedienstete wurde südlich des Schlosses eine Idealstadt angelegt. 1705 verlieh König Fried-rich I. – bis 1701 Kurfürst Fried-rich III. – der kleinen Ansiedlung die Stadtrechte. Zu Ehren seiner verstorbenen Gemahlin gab er dem Schloss und der Stadt den Namen Charlottenburg und setzte sich selbst als Bürgermeister ein. Die Autorin erklärt die besondere Infrastruktur der Stadt und führt „Entwicklungen und Konflikte vor Augen, die beim Zusammenwachsen der Bürgerschaft Charlottenburgs vor allem nach Abzug des Hofstaates entstanden“ sind.

Im zweiten Teil des Buches sind sämtliche Phasen des Ausbaus von Charlottenburg bis zur Gegenwart dem Werdegang des ältesten Bürgerhauses im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf (Schustehrusstraße 13, erbaut 1712) gegenübergestellt. Dabei zeigt sich allerdings, dass der enorme städtische Wandel in der gewählten knappen Form und hauptsächlich anhand einzelner Häuser- und Menschenschicksale kaum darstellbar ist. Für die Epoche der Industrialisierung während der Kaiserzeit mit der gleichzeitigen rasanten Bevölkerungsentwicklung ergibt sich kein Gesamtbild. Und keineswegs nur die nicht-ortskundigen Leser dürften sich mit Plänen unterversorgt wähnen. Schon Ende des 18. Jahrhunderts lockten Restaurants und Sommerwohnungen stadtmüde Berliner in das ländlich-idyllische Ackerbürgerstädtchen Charlottenburg. Zöbl zitiert aus Georg Hermanns bekanntem Roman der Biedermeierzeit „Jettchen Gebert“ (1906). Die Rede ist von heimkehrenden Berliner Tagesgästen, die „in einer lärmvollen, staubigen Fülle von Sonntagswanderern und Ausflüglern, ein schier unvorstellbarer Strom, zurückfluteten nach dem Brandenburger Tor, aus den Gärten und Kaffeelokalen, dem Schlosspark und der Heide“. D. Jestrzemski

Dorothea Zöbl: „Wo der König Bürgermeister war. Charlottenburger Stadtgeschichten seit 1720“, Gebr. Mann Verlag, Berlin 2013, gebunden, 158 Seiten, 24,95 Euro


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