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02.11.13 / Tragischer Held / Polnischer Offizier sammelte Belege für NS- und Sowjetverbrechen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-13 vom 02. November 2013

Tragischer Held
Polnischer Offizier sammelte Belege für NS- und Sowjetverbrechen

Noch heute jagt einem die bloße Erwähnung des Konzentrationslagers Auschwitz einen Schauer über den Rücken. Es ist bekannt, dass die Inhaftierung dort einem Todesurteil gleichkam. Würde man mit einer Zeitmaschine zurückversetzt, wäre dies der letzte Ort, den man freiwillig aufsuchen würde. Der 1901 geborene polnische Offizier Witold Pilecki hingegen tat jedoch genau dies. 1940 ließ er sich absichtlich verhaften und in Auschwitz einliefern, um im Lager eine Widerstandsorganisation aufzubauen.

Viele entsetzliche Dinge sah der Soldat, doch waren die Momente der Besinnung scheinbar für ihn die fürchterlichsten. Die Aufzeichnungen des zweifachen Familienvaters wurden mehr als 50 Jahre unterdrückt, doch nun liegen sie erstmals mit dem Titel „Freiwillig nach Auschwitz. Die geheimen Aufzeichnungen des Häftlings Witold Pilecki“ auch in deutscher Sprache vor. Die Schilderungen vom Lagerleben rauben dem Leser manchmal schier den Atem. Kaum fassbar erscheinen die Grausamkeiten, welche die Inhaftierten hier durchleben mussten, sofern sie diese denn überhaupt überlebten. Das Buch ist nichts für Zartbesaitete.

Drei Jahre durchlebte der Soldat die Hölle auf Erden, ehe ihm im April 1943 die Flucht gelang. Pi-leckis Berichte über die fürchterlichen Geschehnisse im Lager Auschwitz gelangten tatsächlich über Umwege zur polnischen Exilregierung nach London und somit auch zu den Alliierten. Doch diese hielten die Berichte für übertrieben und lehnten eine gewaltsame Befreiung der Inhaftierten ab. Das Ziel, einen Aufstand im Lager anzuzetteln und den Ausbruch zu versuchen, konnte Pilecki aber ohne Hilfe von außen nicht erreichen.

Der erschütternde Bericht des Soldaten erscheint dem Leser umso tragischer unter dem Gesichtspunkt, dass ihm zwar 1943 die Flucht aus Auschwitz gelang, er aber 1947 vom polnischen Geheimdienst gefasst wurde und ein Jahr darauf wegen angeblicher Spionage für den Westen hingerichtet wurde. Pilecki hatte, nachdem er 1946 seine Auschwitz-Aufzeichnungen beendet hatte, angefangen, Belege für sowjetische Gräueltaten und Gulags zu sammeln, was Moskau missfiel. Vanessa Ney

Witold Pilecki: „Freiwillig nach Auschwitz. Die geheimen Aufzeichnungen des Häftlings Witold Pilecki“, Orell Füssli Verlag, Zürich 2013, gebunden, 256 Seiten, 19,95 Euro


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