19.04.2024

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09.11.13 / Alte Friedhöfe, die Geschichten erzählen / Im Memelland spürt Bernd Dauskardt ihren Geheimnissen nach

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-13 vom 09. November 2013

Alte Friedhöfe, die Geschichten erzählen
Im Memelland spürt Bernd Dauskardt ihren Geheimnissen nach

Sie sind die letzten Horte deutscher Familiengeschichte, die Friedhöfe in den verlassenen Heimatgebieten, die heute in anderer Hand sind. Häuser, Höfe, Güter, ja ganze Dörfer sind dem Erdboden gleichgemacht worden, und so ist es oft ein Grabkreuz oder ein Gedenkstein, der als ein einziger Anhaltspunkt wenigstens etwas Orientierungshilfe bietet. Und wenn der Suchende dann einen vertrauten Namen findet – vielleicht ist sogar der seine -, dann bekommt Familiengeschichte feste Konturen. Alte Kirchhöfe können viel erzählen, auch dem fremden Besucher. Einer, der ihren Geschichten nachgeht, ist unser Landsmann Bernd Dauskardt. Auf seiner Reise in das nördliche Ostpreußen - von der er uns über die Einweihung der Gedenktafel in der Kirche von Coadjuthen bereits berichtete - führte ihn sein Weg immer wieder auf die Friedhöfe. Und was er dort entdeckt hat, möchte er der Ostpreußischen Familie mitteilen:

„Hier im Memelland sind noch viele alte deutsche Friedhöfe vorhanden mit Grabsteinen und Kreuzen, oft über hundert Jahre alt. Von den zahlreichen Kirchhöfen, die ich in den letzten Jahren dort aufgesucht habe − mindestens fünfzig! −, haben mich drei auf meiner diesjährigen Reise besonders beeindruckt. Da gibt es zwischen Memel und Nimmersatt zwei direkt an der Ostsee gelegene Friedhöfe, hoch über dem Steilufer, wie ich sie sonst nirgends gesehen habe. Es ist einmal der Kirchhof von Karkelbeck, errichtet 1904, und dann der Friedhof von Uszaneiten. Dieses kleine Dorf gehört zur Kirche in Deutsch-Grottingen, die 1652 erbaut wurde. Karkelbeck sollte die letzte Kirche sein, die ich im Memelland noch nicht aufgesucht hatte. Bei meiner Ankunft erfuhr ich, dass dieses Gotteshaus im Krieg zerstört wurde. Aber vielleicht gibt es einen Friedhof? Und in der Tat, ich habe ihn gefunden. Am Steilufer der Ostsee, wunderbar erhalten, mit vielen deutschen Gräbern. Als ich über den Kirchhof ging, hatte ich immer einen Blick auf die See und hörte ihr Rauschen. Es war für mich ein eindrucksvolles Erlebnis, noch nie hatte ich so etwas erfahren.“ Hier empfand Bernd Dauskardt die Geborgenheit, die dieser Friedhof im wahrsten Sinne des Wortes bot, hier waren die Toten eingebettet in ihre Heimat, aus der sie niemand vertreiben konnte. Sie gehörten zu diesem Lande und es gehört zu ihnen für immer und ewig. Ähnliche Empfindungen verspürte er auf dem Friedhof in Uszaneiten, der ebenfalls wie der von Karkelbeck gut gepflegt ist. In dieser Abgeschiedenheit hier im nordöstlichen Teil unserer Heimat hatte er das kaum erwartet. Und Bernd Daus-kardt macht sich Gedanken: Wer pflegt denn die Gräber, von denen einige erst in der Nachkriegszeit angelegt worden sind? Wer kommt jemals aus dem fernen Deutschland hierher? Er hat einige der Namen, die auf den Grabsteinen und Kreuzen standen, aufgeschrieben. Dazu gehört die Familie Lepies: Johann, *1904 †1985 – Trude *1912 †1992 – Gerhard *1937 †1942. Auf einem anderen Grabstein steht zu lesen: „Hier ruht in Frieden unser geliebtes Söhnchen und Bruder Gerhard Erich Bliesze *1941 †1942“ und auf einem weiteren „Hier ruht in Frieden mein lieber Mann, unser guter Vater Hans Leonhardt *1869 †1941“. Und einmal ist nur das Geburtsdatum vermerkt: Martin Kurt Kapust *1925 †2006 – Else Ella Kapust *1929. Diese Frau scheint noch zu leben, wie Herr Dauskardt vermutet. Wenn er sie ausfindig machen kann, will er sie im nächsten Jahr aufsuchen.

Auf dem dritten Friedhof in Kawohlen im Kirchspiel Coadjuthen machte er eine rätselhafte Entdeckung, die er so schildert: „Auf diesem abseits im Wald gelegenen Friedhof scheint die Zeit stehen geblieben, die zumeist sehr alten Gräber werden bewacht von einer mächtigen Eiche, deren Alter auf mindestens 250 Jahre geschätzt wird. Hinter dem dicken Stamm befindet sich eine Grabstätte mit einer stark verrosteten Eisenplatte. Die Inschrift ist aber noch zu entziffern: „Hier ruht in Gott der Königliche Förster F. Ludszuweit – dessen Sohn Otto – 1886“. Dieses Schicksal bewegt mich sehr. Was hat sich da ereignet? In meinem Archiv über memelländische Förstereien stellte ich fest, dass in der damaligen Försterei Kawohlen /Oberförsterei Dingken im Jahre 1886 der Förster F. Ludszuweit seinen Dienst angetreten hat. Im gleichen Jahr muss er noch zusammen mit seinem Sohn Otto zu Tode gekommen sein. Was war geschehen? Wurden beide von einer Epidemie dahingerafft, wurden sie durch Blitzschlag getötet, kamen sie durch einen Unfall ums Leben? Eine Ermordung durch Wilderer schließe ich aus, da mir alle damals vorgekommenen Förstermorde bekannt sind. So bleibt wohl dieses Schicksal im Dunkeln“. Vielleicht auch nicht, lieber Bernd Daus-kardt. Warten wir mal, ob nicht irgendwo und irgendwann eine Antwort aus unserem Leserkreis kommt. Wir danken Ihnen für diesen schönen Betrag zu den Gedenktagen, die unseren Verstorbenen gehören. R.G.


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