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16.11.13 / Erfinder neuer Welten / Schicksalsjahr 1963 – Die britischen Autoren Aldous Huxley und C. S. Lewis hatten eines mit J. F. Kennedy gemein: den Todestag

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-13 vom 16. November 2013

Erfinder neuer Welten
Schicksalsjahr 1963 – Die britischen Autoren Aldous Huxley und C. S. Lewis hatten eines mit J. F. Kennedy gemein: den Todestag

In seinem utopischen Roman „Schöne neue Welt“ sah Aldous Huxley die Zukunft voraus. Später sah er auch den eigenen Tod vor 50 Jahren kommen.

Mit seinen letzten Worten, die er zu Papier brachte, besiegelte er seinen Tod: „LSD – versuche es. 100 mm intramuskulär.“ Diese schriftliche Bitte richtete der an Kehlkopfkrebs leidende Aldous Huxley am 22. November 1963 an seine zweite Frau Laura, die ihm daraufhin die Spritze verabreichte. Der Romanautor und Essayist er­hoffte sich durch die Droge eine Linderung seines Leidens. Vielleicht auch den Tod. Kaum hatte seine Frau ihm diese hohe Dosis verabreicht, verstarb er im Obergeschoss seiner Villa auf einem Hügel oberhalb von Hollywood, wo der Engländer seit 1937 lebte.

Es ist nicht ohne Ironie, dass ihm die Droge die Pforte zu einer anderen Welt öffnen sollte. Schon in seinem bekanntesten Werk, dem utopischen Roman „Schöne neue Welt“, spielt eine Droge namens „Soma“ eine nicht unwesentliche Rolle bei der Realitätsbewältigung. Mit dem staatlich sanktionierten Halluzinogen stellt die Regierung dieses Zukunftstaates dessen Bewohner ruhig. Bevor jemand aufmüpfig wird, bekommt er eine Dosis Soma. Heute heißt die Volksdroge Fernsehen oder Internet, aber es funktioniert so ähnlich.

Hellsichtiger als sein Landsmann George Orwell mit seiner Anti-Utopie „1984“ sah Huxley den Triumph der heutigen kapitalistischen Gesellschaft voraus. Hat Orwell noch den Schrecken des Stalinismus abgebildet, der heute überwunden ist, bildet Huxleys „Schöne neue Welt“ den materialistischen Totalitarismus nach US-amerikanischem Vorbild ab, der heute aktueller ist denn je. Die Menschen leben in einem Fünf-Kasten-System, entsprechend den sich immer mehr voneinander abgrenzenden heutigen Schichten. Für höhere Aufgaben werden in Gebäranstalten die Eliten aus Alpha- und Beta-Menschen und für die niederen Arbeiten ein Prekariat aus Epsilons herangezüchtet. Eine Schere zwischen Arm und Reich ist durchaus gewollt. Der ganze Sinn des Lebens besteht im ungehinderten Konsum und Gefühlsduselei, wozu Gruppensex und die Droge Soma zählen.

Ein Aufstand verpufft am Ende des Romans. Wozu und wogegen auch? Das ist, als würde sich heute jemand gegen die Finanzkrise oder das Bankensystem erheben wollen. Es gibt ja Arbeit, und Hunger muss auch keiner leiden. Also blasen wir das Ganze gleich ab. Huxley hat erkannt, dass ein Staat mit der Macht der sanften Kontrolle einen möglichen Widerstand erfolgreicher unterbinden kann als ein totalitärer Staat, der mit Zwang und Terror regiert. Deshalb sind die USA erfolgreich, deshalb war es die UdSSR nicht.

Woran lag es, dass Huxley 1932, als er seinen Roman schrieb, so hellsichtig war? Der Kapitalismus erlebte zu jener Zeit eine Scheinblüte. Pferdekutschen armer Leute konkurrierten auf den Straßen mit den Automobilen der Reichen. Der Gott der Eliten dieser neuen Zeit hieß Ford. Mit dem ersten Ford-T-Automodell von 1908 begann eine neue Zeitrechnung, meint Huxley, der seinen leicht satirischen Zu­kunftsroman schließlich auch im Jahr 632 „nach Ford“ spielen lässt. Doch auch die „Roaring Twenties“, die den 1894 (oder im Jahr 14 „vor Ford“) geborenen Autor prägten, haben im Roman ihre Spuren hinterlassen. Man feierte sich durch die Krise. Huxley ge­hörte zum illustren Kreis jener Intellektuellen um die Schriftstellerin Virginia Woolf, die als „Bloomsbury-Gruppe“ in die britische Literaturgeschichte einging. Man traf sich auf Partys im Londoner Stadtteil Bloomsbury, man diskutierte und man „genoss“ das Leben auf Partys mit Haschisch und Kokain.

Virginia Woolf beschrieb Huxley so: „Ein höchst bewundernswerter, kühler, antiseptisch, zerrütteter, aber menschlicher & sanfter Mann … Ein wenig theoretisch über Religion & Sex, nicht aus diesem Grund ein Romantiker.“ Und –ähnlich den Protagonisten in „Schöne neue Welt“ – ein „Alpha“-Mann. Huxley stammte aus der Bildungsaristokratie. Sein Großvater war mit Charles Darwin befreundet, der Vater ein klassischer Philologe, über seine Mutter be­stand Verwandtschaft mit dem Dichter Matthew Arnold und der Bruder Julian machte sich als Biologe einen Namen. Dass die Menschen in „Schöne neue Welt“ in Reagenzgläsern herangezüchtet und bei der Geburt „entkorkt“ werden, kann als Seitenhieb auf die darwinistische Evolutionstheorie gelesen werden, die der Bruder vertrat. Heute nennt man das Retortenkinder durch künstliche Befruchtung. Auch diese Zukunft sah Huxley kommen. Harald Tews

 

Auch den Tod von C. S. Lewis, dem großen britischen Literaten, nahm kaum je­mand im Schatten der Ermordung des US-Präsidenten zur Kenntnis.

Umso erstaunlicher ist es, dass das umfangreiche literarische Werk von C. S. Lewis durch immer neue Auflagen, Verfilmungen oder Hörspiele seiner Romane auch 50 Jahre nach seinem Tod als hochaktuell empfunden wird.

Der 1898 in Nordirland geborene Clive Staples (privat: „Jack“) Lewis studierte an der renommierten Universität von Oxford, um schließlich in Cambridge zum Literatur-Professor zu avancieren. Sein Werk umfasst literaturwissenschaftliche Studien, Romane, Tagebücher, Lyrik und Werke der christlichen Apologetik. Der als Atheist groß gewordene C. S. Lewis bekehrte sich 1931 zu dem christlichen Glauben, blieb zeitlebens in der Anglikanischen Kirche und verfasste in den folgenden Jahrzehnten Werke, die bis heute die Leser faszinieren.

Die „Anweisungen an einen Unterteufel“, auf Deutsch im Jahr 1958 erschienen, ist ein Werk, das humoristisch auf tiefe spirituelle Erkenntnisse hinweist. Der Unterteufel Wormwood erhält dabei von seinem Onkel Screwtape den Auftrag, einen jungen Gentleman auf die schiefe Bahn zu bringen. In 31 Briefen gibt so der Teufel Dienst­anweisungen, wie man die Seele des Patienten zur Beute der Hölle machen kann. Eine köstliche Beschreibung, aber auch eine schrecklich wahre Begebenheit. Die ironische Weise, wie Lewis seine guten und interessanten Ansichten zum Leben als Christ, aber in den Augen des Teufels dem Leser vermittelt, ist genial. Der Leser muss umdenken, weil Gott der „Feind“ genannt wird. Viele Dinge des alltäglichen Le­bens sieht der Leser dadurch mit anderen Augen, weil der lügnerische Oberteufel sich dabei verstrickt, die Wahrheit zu erzählen.

Auf andere Weise, aber nicht minder ideenreich und humorvoll bringt Lewis seine Leser in dem Klassiker „Pardon, ich bin Christ“ zum Lachen. Apologetik, die Verteidigung des christlichen Glaubens, nennen Theologen dieses so wichtige Fach, wo die Argumente der Gegner auf subtile oder offene Art und Weise widerlegt oder entkräftet werden. Mehr erzählerisch geht Lewis in seinem umfangreichen Romanwerk vor. Herausragend hier die Weltraum-Trilogie „Perelandra“ (1938–1945) und die siebenbändigen „Chroniken von Narnia“ (1950–1956). Die Bücher aus dieser Reihe erscheinen bis in die Gegenwart in immer neuen Ausgaben in einer Auflage von insgesamt 100 Millionen in 47 Sprachen. Sie sind das mit Abstand bekannteste Werk von C. S. Lewis, das verfilmt wurde, als Theaterstück zu sehen oder als Hörspiel im Radio zu hören ist.

Die Chroniken handeln von einer Phantasie-Welt, in der Kinder und Erwachsene verschiedene Abenteuer in der magischen Welt Narnias erleben. Die Figuren dieser Parallelwelt zur Erde sind teils aus der Mythologie, teils aus britischen Märchen entnommen. Die zentrale Gottheit Narnias, der Löwe Aslan, trägt Züge des christlichen Gottes. Der Garten Eden mit dem Baum des Lebens taucht ebenso auf wie der Tod Gottes, der so die Sünden anderer auf sich nimmt und Auferstehung feiert. Zuletzt erscheint im Königreich von Narnia der „Antichrist“ und die Erde geht in der Apokalypse unter. Hinrich E. Bues


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