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16.11.13 / Volkspädagogik statt Kriegsgräberfürsorge? / Wahl des Ex-DDR-Außenministers Markus Meckel zum Präsidenten lässt neue Prioritätensetzung beim Volksbund befürchten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-13 vom 16. November 2013

Volkspädagogik statt Kriegsgräberfürsorge?
Wahl des Ex-DDR-Außenministers Markus Meckel zum Präsidenten lässt neue Prioritätensetzung beim Volksbund befürchten

In diesen Tagen sind wieder die Sammler der Kriegsgräberfürsorge unterwegs. Vielen, die spenden, dürfte nicht bewusst sein, dass sie nicht nur die Gräberpflege, sondern auch eine betont politisch korrekte Bildungsarbeit finanzieren. Kritikern geht diese Entfernung vom Kernauftrag des Volksbundes zu weit.

Für Gertrud Henze steht eine Mitgliedschaft im Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge außer Frage. Das ist kein Wunder, denn im Alter von 111 Jahren hat dessen ältestes Mitglied noch lebhafte Erinnerung an die beiden Weltkriege, in denen sie mehrere nahe Angehörige verlor. Ihr Vater gehörte 1919 zu den ersten Mitgliedern und seine Tochter setzte die Mitgliedschaft nach seinem Tod fort. Bis heute, denn Getrud Henze findet es „einfach sehr anständig“, was der Volksbund tut. Die meisten Deutschen indes dürften nicht einmal recht wissen, was der Volksbund tut. Seine Existenz kommt ihnen zumeist nur bei den alljährlichen Straßensammlungen oder an dem von ihm ins Leben gerufenen Volkstrauertag flüchtig ins Bewusstsein. Mit dem zunehmenden zeitlichen Abstand zu den beiden Weltkriegen schwindet das öffentliche Interesse an der Pflege und dauerhaften Erhaltung der Kriegsgräberstätten. Dabei hat Charles de Gaulle den Völkern eine ewiggültige Mahnung ins Stammbuch geschrieben: „Den Charakter eines Volkes erkennt man daran, wie es nach einem verlorenen Krieg mit seinen Soldaten umgeht.“ Selbstverständlich schließt das die im Feld gebliebenen Soldaten ein.

Nach Ende des Ersten Weltkrieges gab es weder bei den Siegern noch den Besiegten daran einen Zweifel. Während die Sieger die Kriegsgräberfürsorge als staatliche Aufgabe betrachteten, musste das politisch und wirtschaftlich zerrüttete und kaum handlungsfähige Deutsche Reich alle Kräfte und Mittel für die Daseinsvorsorge einsetzen. Für die Millionen Toten blieb da nichts mehr übrig. Deshalb gründeten im Dezember 1919 vormalige Soldaten und Angehörige von Gefallenen den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Mit dem Namensteil „Volksbund“ wollten sie deutlich machen, dass der Verein von allen gesellschaftlichen Kreisen getragen wird. Das mahnende Erinnern und die Sorge für die Gräber sollte über alles Trennende gestellt werden. Da fast jede Familie Kriegsopfer zu beklagen hatte, stieg die Mitgliederzahl innerhalb von zehn Jahren auf über 133000 an. Unter der nationalsozialistischen Herrschaft profitierte der Volksbund zwar von der das Militärische und den Totenkult überhöhenden NS-Ideologie, ließ sich aber widerstandslos für die „Heldenehrung“ instrumentalisieren.

Mit Unterstützung der ausländischen Gräberdienste nahm der Volksbund seine Arbeit 1946 wieder auf. Als Lehre aus Krieg und Diktatur bekannte er sich ausdrück­lich zu Frieden, Menschlichkeit, Toleranz und Demokratie und betonte seine weltanschauliche, religiöse und wirtschaftliche Unabhängigkeit. Im Jahre 1952 wurde die Zuständigkeit des Volksbundes für die Betreuung der deutschen Kriegsgräber im Ausland gesetzlich festgeschrieben. Dazu gehörte nicht nur die Grabanlage und Grabpflege, sondern auch die Umbettung von Gefallenen aus den Feldgräbern auf Sammelfriedhöfe, wobei viele als vermisst geltende Gefallene identifiziert werden konnten. Der politische Umbruch in Osteuropa stellte den Umbettungsdienst vor die Mammutaufgabe, unzählige Grablagen zu identifizieren und Hunderttausenden von Kriegstoten eine würdige Ruhestätte zu geben. Heute betreut der Volksbund in 44 Ländern rund 840 Kriegsgräberstätten, von denen fast 400 in den vergangenen 15 Jahren in allen Ländern Osteuropas angelegt wurden. Seine Arbeit finanziert er überwiegend aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden und Sammlungen und nur zu einem geringen Teil aus Zuwendungen des Bundes und der Länder. Wer schon einmal an einer Straßensammlung des Volksbundes teilgenommen hat, weiß, dass die Menschen, unabhängig von der Altersgruppe, gern für die Kriegsgräber geben. Für den gefallenen Opa, den vermissten Bruder oder einfach, weil es für einen kultivierten Christenmenschen eine selbstverständliche Pflicht ist.

Doch der Volksbund will nach eigenem Bekunden nicht „lediglich ein landschaftsgärtnerischer Verein“ sein. Deshalb sieht er neben dem Gräberdienst die Jugend- und Bildungsarbeit als seine wichtigste Aufgabe an. Getreu seinem Motto „Versöhnung über den Gräbern“ bringt er junge Menschen aus ganz Europa in Jugendcamps sowie in Begegnungs- und Bildungsstätten zusammen. Dabei sieht er die Friedenserziehung und die „Sensibilisierung für die Gefahren extremistischer Weltanschauungen“ als wichtigen Teil seines „frühpräventiven Bildungsauftrags“. Allerdings stellt sich die Frage, ob die „Friedensarbeit“, der sich ohnehin unzählige Vereine und Initiativen auf unterschiedliche Art widmen, bei aller Ehrenhaftigkeit des Anliegens tatsächlich eine originäre Aufgabe des Volksbundes ist. Vor allem ältere Mitglieder kritisieren, dass die Kernaufgabe des Volksbundes, die Kriegsgräberfürsorge, immer mehr in den Hintergrund trete. Dies zeige sich nicht zuletzt an der Umbenennung der seit Jahrzehnten etablierten Mitgliederzeitschrift „Stimme und Weg“, die seit einiger Zeit „Frieden“ heißt. Sie finden es auch befremdlich, wenn sich der Volksbund in Initiativen „gegen Rechts“ engagiert oder wenn am Volkstrauertag an den Gräbern von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern ein langes Gedenken abgehalten wird, während Kranzniederlegungen an deutschen Kriegsgräbern im Schnelldurchlauf abgehandelt werden. Oder wenn den alliierten Soldaten für die „Befreiung“ gedankt und gleichzeitig eine nie zu tilgende Scham über die „Verbrechen der Wehrmacht“ demonstrativ zur Schau getragen wird. Auf viele wirkt das wie eine übertriebene Anpassung an den Zeitgeist und das krampfhafte Bemühen, eine Schuld wegen der Gleichschaltung des Volksbundes in der NS-Zeit abzutragen.

Die Kritiker erfüllt es daher mit Sorge, dass kürzlich ein Wechsel an der Spitze des Volksbundes stattgefunden hat. Auf den ehemaligen CDU-Politiker Manfred Führer folgte der ehemalige DDR-Außenminister und Bundestagsabgeordnete Markus Meckel (SPD), der das Ziel vorgegeben hat, „der Opfer von Krieg und Gewalt aus europäischer Perspektive zu gedenken“. Er will sich persönlich dafür einsetzen, dass die Friedhöfe als „Lernorte der Geschichte“ erkannt werden. Das nährt bei vielen die Befürchtung, dass sich der Volksbund unter der neuen Führung von einer Kriegsgräberorganisation zu einer volkspädagogischen Bildungseinrichtung entwickelt. Jan Heitmann


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