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23.11.13 / Im Wettbewerb um Touristen / Was der Titel »Weltkulturerbe« bringt – und wem er schadet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-13 vom 23. November 2013

Im Wettbewerb um Touristen
Was der Titel »Weltkulturerbe« bringt – und wem er schadet

Das Würzburger Schloss, die Residenz der Fürstbischöfe, seit 1981 Weltkulturerbe, gehört zu den fe-sten Zielen auf vielen internationalen Reiserouten. Der Zweite Weltkrieg hat Würzburg übel zugerichtet – die barocke Schönheit wurde an vielen Stellen durch eine traurige Moderne ersetzt. Doch die Touristen stellen meist keine Fragen zu den Widersprüchen. Wenn ein Ort die Auszeichnung „Welterbe“ trägt, dann muss er eben bedeutend und sehenswert sein.

Seit dem Jahr 1979 vergibt die Unesco den Status Welterbe. Seit 1979 wurden weltweit 981 materielle und in jüngere Zeit auch immaterielle Welterbestätten ausgezeichnet – allein 38 Orte in Deutschland. Hehre Idee ist, besondere Aufmerksamkeit auf die wichtigsten Denkmale der Menschheit zu richten, damit diese langfristig geschützt bleiben. Der Blick der Weltöffentlichkeit soll die Entscheider und Planer in den jeweiligen Ländern und den Städten davon abhalten, sich an den Bauwerken oder den Ensembles zu vergreifen. Der Welterbe-Status wird zwar nicht durch Strafen verteidigt, wirkt aber wie ein moralischer Schutz. Wer ein Welterbe zerstört, der wendet sich gegen die internationale Gemeinschaft. Nur Dresden hat es bislang gewagt, den Titel durch einen Brückenbau über die Elbe zu ris-kieren – und hat ihn 2009 verloren.

Besonders für die Reisebranche hat sich der Titel Welterbe als bedeutend erwiesen. Fast jeder Bürgermeister und fast jeder Tourismusmanager liebäugelt mit dieser werbewirksamen Marke. Denn eines hat sich in der Vergangenheit gezeigt: Die Zahl der Touristen steigt mit der Auszeichnung stark an. In Regensburg beispielsweise soll sich die Zahl der Übernachtungen seit der Auszeichnung fast verdoppelt haben.

Doch schon seit Jahren gibt es Kritik an der Wirksamkeit der Auszeichnung. Durch den Status Welterbe würden die Denkmale nicht geschützt, sondern – im Gegenteil – gefährdet. Die Besucherströme, die sich immer mehr auf die Denkmal-Hitparade konzentrierten, führten zu mehr Abnutzung, zu mehr Andenkenläden, zu weniger Ruhe und Kontemplation. Beobachter haben oftmals den Eindruck, dass die Menschen in Bussen von Welterbestätte zu Welterbestätte gefahren werden, jeweils kurz aussteigen, hastig ein Foto machen, dann weitereilen.

Menschen suchen heute fast zwanghaft nach Rankings und Bestsellerlisten. Sie fühlen sich in der modernen Welt unsicher und benötigen scheinbar die Empfehlungen von Experten. Eine eigene Meinung, eine eigene Bildung wird von den Reisenden heute kaum noch entwickelt, Entdeckungen werden nicht mehr gemacht. Diese sich Jahr für Jahr verstärkende Entwicklung führt dazu, dass die Denkmäler, die nicht als Welterbe ausgezeichnet werden, allmählich im Nirgendwo verschwinden. Ungewollt entzieht die Unesco den anderen, nicht ausgezeichneten Orten die Aufmerksamkeit.

Die Auswahl zum Welterbe wäre vielleicht noch hinnehmbar, wäre sie jedes Mal gerecht und nachvollziehbar. Aber tatsächlich ist die Wahl der Stätten subjektiv, oft von nationalen und lokalen Interessen geleitet. Einer Stadt wie Görlitz, in deren Zentrum 4000 Baudenkmälern stehen, von unzähligen Bauherren und Architekten aus einem gemeinsamen Bürgerwillen geschaffen, anders als beispielsweise Würzburg vom Krieg komplett verschont, wurde bislang der Titel versagt.

Welcher Ort das tourismusfördernde und umsatzsteigernde Siegel bekommt, ist nicht allein von der Qualität der Denkmale abhängig. Welterbe-Bewerbungen werden über Jahre strategisch vorbereitet und als eine Kampagne durchgeführt. Dicke vielfarbige Kataloge und psychologisch gut vorbereitete Präsentationen sollen wie bei einer Olympia-Bewerbung die Jury überzeugen. Nicht der bessere Ort gewinnt, sondern der besser vermarktete. Nils Aschenbeck


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