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23.11.13 / Spaniens Potemkinscher Aufschwung / Im Irrlicht der schönen Zahlen: Lagevon Staat und Banken vermutlich dramatischer als behauptet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-13 vom 23. November 2013

Spaniens Potemkinscher Aufschwung
Im Irrlicht der schönen Zahlen: Lage von Staat und Banken vermutlich dramatischer als behauptet

Ein kleines Wirtschaftswachstum in Spanien und die Tatsache, dass Madrid neben Dublin nun verkündet, keine Hilfe mehr vom Euro-Rettungsschirm zu benötigen, sollen belegen, dass es dem Land wirtschaftlich besser geht. Doch selbst Brüssel ist misstrauisch.

Dass momentan überhaupt der Eindruck erweckt werden kann, Spaniens Lage habe sich wesentlich gebessert, hat einerseits damit zu tun, dass die EZB mit einer Flut billigen Geldes sowohl den Staat als auch den Bankensektor über Wasser hält. Die andere Zutat der spanischen „Erfolgsgeschichte“ sind die Bilanzierungskünste auf der iberischen Halbinsel. Auch wenn dies nicht an die große Glocke gehängt wird, in Brüssel sind längst die Versuche angelaufen, um herauszubekommen, welche reale Dimension der spanische Schuldenberg jenseits der Madrider Statistik hat.

Bereits im September waren Vertreter der EU-Statistikbehörde Eurostat in Spanien, um sich Fragen zur Datenerhebung für das Haushaltsdefizit beantworten zu lassen. Gemessen an den Brüsseler Sprachregelungen kann der sogenannte Ad-hoc-Besuch als massiver Misstrauensbeweis gegen-über Madrid gewertet werden. Zweifel scheint es vor allem zu geben, ob alle Schulden der unteren staatlichen Ebenen weitergemeldet werden. Hintergrund des Misstrauens ist das altbekannte Phänomen der „Rechnungen in der Schublade“. Kommunen oder Behörden sitzen auf einem Berg offener Lieferantenrechnungen, deren Bezahlung über Jahre aufgeschoben wird. Vor allem Katalonien, das mit Madrid ohnehin über Kreuz liegt, soll auf beachtlichen Schuldenbergen sitzen.

Doch selbst die offiziell bekannten Zahlen liefern ein schockierendes Bild von der Zahlungsfähigkeit des Königsreichs. Allein für Lieferungen aus dem Jahr 2011 ist Madrid Unternehmen noch 6,5 Milliarden Euro schuldig. Bis Ende Mai dieses Jahres sollen weitere 14 Milliarden Euro dazugekommen sein, so die Zeitung „Cinco Dias“. Der aktuelle Schuldenstand dürfte Thema beim Besuch der EU-Vertreter in Madrid gewesen sein.

Deren Erkenntnisse waren derart ernüchternd, dass der anfänglich für die Öffentlichkeit freigegebene Eurostat-Bericht zu Spanien schon nach kurzer Zeit nicht mehr im Internet einsehbar war. Die offizielle Erklärung für den Rückzieher lautete: Vertreter Spaniens hätten sich darüber beschwert, dass der Bericht „generalisierende Formulierungen“ enthalten habe. De facto scheint es damit ein Vetorecht bei Eurostat zu geben – zumindest für Spanien.

Nicht viel besser als ums Haushaltsdefizit scheint es um die Aussagekraft der spanischen Bankbilanzen zu stehen. Angesichts dessen, dass Spanien inzwischen mit 26 Prozent nach Griechenland die zweithöchste Arbeitslosenquote in der Euro-Zone hat, sind die von den Banken ausgewiesenen Kreditausfälle verdächtig niedrig. Des Rätsels Lösung: Billiges EZB-Geld hat es Spaniens Banken ermöglicht, große Mengen an eigentlich nicht mehr bedienten Krediten von Hausbesitzern und Unternehmen einfach weiter zu refinanzieren. Hunderttausende Spanier, die ihre Hypotheken nicht mehr bedient hatten, konnten so ihre Häuser und Firmen länger zu behalten. Auch Spaniens Banken haben von der Trickserei profitiert, indem gigantische Risiken in den Bilanzen verschleiert wurden.

Fast 28 Milliarden Euro mehr Eigenkapital können Spaniens Banken bei dem geplanten EZB-Stresstest ausweisen, wenn Madrid mit einem anderen Bilanztrick durchkommt. Obwohl die Basel-III-Regelungen dies ab 2014 ausschließen, sollen im Falle Spaniens die Banken künftige Steuergutschriften als sicheres Eigenkapitalpolster ausweisen dürfen. Voraussetzung dafür, dass solcherart Insolvenzverschleppung weitergehen kann, ist die Politik des billigen Geldes der EZB.

Wie das Spiel für Spaniens Banken und damit auch die Illusion vom spanischen Aufschwung weitergeht, entscheidet sich nicht zuletzt bei den aktuellen Verhandlungen über den EU-Bankenrettungsfonds. Von EU-Kommissar Michel Barnier liegt ein Plan vor, der es in sich hat. Offiziell sollen künftig die Banken selbst für die Bankenrettung aufkommen. Schaut man genauer hin, was konkret geplant ist, dann scheint es allerdings wieder einmal der Steuerzahler zu sein, der die Rechnung vorgelegt bekommt. Bis Europas Banken in zehn Jahren ihren eigenen Rettungsfonds aufgefüllt haben, soll für Bankensanierungen erst einmal der Euro-Fonds ESM einspringen, so Barniers Vorschlag. Der Haken dabei: Die Masse der kostspieligen Banksanierungen – etwa in Spanien – wird schon in den nächsten zwei, drei Jahren auf der Tagesordnung stehen. Die nötigen Finanzspritzen würden nach Barniers Plan damit zwangsläufig über den ESM laufen – Deutschlands Steuerzahler wären mit dem größten Anteil wieder mal am Haken. Norman Hanert


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