Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-13 vom 23. November 2013
Die ostpreußische Familie Lewe Landslied, ich freue mich immer, wenn ich Zuschriften von Landsleuten erhalte, die noch heute in der Heimat leben, ihre deutsche Herkunft nicht vergessen haben und die Erinnerung an das Land ihrer Kindheit lebendig erhalten wollen. Wie in alten deutschen Liedern und Gedichten – und nach denen sucht Frau Gerda Krystina Jakubowska aus Angerburg. Nicht nur für sich selber, sondern auch für andere Heimatgefährten aus dem Kreis der Deutschen Minderheit, der sie angehört. So legt sie den Geburtstagsgrüßen an die Betreffenden immer ein Gedicht oder einen Spruch in deutscher Sprache bei. Aber manche hat sie aus ihrer Schulzeit nur noch in Bruchstücken behalten, und die stammen mitunter auch noch aus anderen Gedichten. Aber wozu gibt es denn die Ostpreußische Familie. Frau Gerda geborene Blask hat sich schon einmal an uns gewandt und manche Leserinnen und Leser werden sich noch an die im Dargainen-See gefundene Flaschenpost erinnern, von der wir in Folge 40/2005 berichteten. Das war schon eine seltsame Geschichte, die uns damals Frau Gerda vortrug. Ihr Enkel hatte die Flasche von polnischen Fischern bekommen, denen sie ins Netz gegangen war und die mit dieser „Beute“ nichts anfangen konnten, weil sie zweifellos deutscher Herkunft war. Was sich dann auch bestätigte: Die Bierflasche stammte von der Brauerei Bischofsburg (F. Daum) und war als Transportmittel für eine Mitteilung benutzt worden. Diese bezog sich auf die Feldpostnummer 09933, an die der Finder oder die Finderin Grüße senden sollten. Datiert war das Schreiben vom 18. Juli 1941 – die Flasche hatte also 63 Jahre lang in masurischen Gewässern gedümpelt, bis sie entdeckt wurde. Das war schon eine ganz besondere Geschichte und als solche musste sie auch betrachtet werden, denn außer dem kaum leserlichen Absendernamen Luschke oder Tuschke und der Feldpostnummer gab es keinerlei Hinweise, und so war die Möglichkeit, den richtigen Empfänger oder Absender zu finden, kaum denkbar. Was sich dann auch bestätigte, denn wir haben nichts mehr von der Flaschenpost gehört. Eine Brücke zu unseren Landsleuten in der Heimat baut Herr Siegfried Kugies auf seinen Reisen nach Ostpreußen, wenn er für die Deutsche Gesellschaft Mauersee und die Johanniter-Sozialstation in Angerburg Medikamente und andere von ihm gesammelte Hilfsmittel mitbringt. Der in Eschingen, Kreis Angerapp geborene Sohn eines Landwirts wuchs in Klein-Budschen, Kreis Angerburg auf, musste 1944 die Heimat als 17-Jähriger verlassen, blieb ihr aber bis heute so eng verbunden, dass er für sein soziales Engagement mit dem Verdienstkreuz am Bande geehrt wurde. Für sein Buch „Der ostpreußische Eisenbahner und die Amerikaner“ wurde er mit dem Angerburger Kulturpreis ausgezeichnet. In diesem im vergangenen Jahr erschienenen Buch, in dem der Autor seine Lebensgeschichte erzählt, erwähnt Siegfried Kugies auch das Evangelische Gesangbuch für Ost- und Westpreußen, das uns in den vergangenen Folgen beschäftigte und das für ihn der eigentliche Grund war, an uns zu schreiben. Er berichtet darin, dass seine Mutter ihr Gesangbuch auf die Flucht mitgenommen hatte und er es zu seinem 60. Geburtstag im Jahr 1986 wieder bekam. Seine Mutter hatte ihm erzählt, dass dieses Gesangbuch in den Lagerhallen in Gotenhafen und im dänischen Flüchtlingslager für sie wie auch für die anderen Frauen und Kinder ein Stück Heimat war. Sein Buch „Der ostpreußische Eisenbahner und die Amerikaner“, das bereits in der PAZ ausführlich besprochen wurde, ist nicht nur für seine Landsleute sondern auch für Leser interessant, die sich für die Eisenbahngeschichte der Nachkriegszeit interessieren. Kugies ist heute der letzte Eisenbahner aus dem Rhein-Main-Gebiet, der an der Luftbrücke beteiligt war. (Siegfried Kugies, Taunusstraße 40 in 65468 Trebur, Telefon 06147/7353, Fax: 06147/209056, E-Mail: siegfried.kugies@t-online.de) Für Frau Helga Schneider aus Wiesbaden ist unsere Ostpreußische Familie Pflichtlektüre und als solche las sie ja auch von den Taufengeln in ostpreußischen Kirchen, über die Herr Dr. Wolfgang Fiedler Angaben für seine Dokumentation sucht. Da hatten wir einige Kirchen mit Taufengeln genannt, über die er mehr wissen wollte, und nur auf diese bezogen sich unsere Veröffentlichungen. Für Frau Helga Schneider war es bedauerlich, dass ich einen nicht erwähnt habe, nämlich den Taufengel in der Kirche von Aweyden, denn er hielt auch die Schale mit dem Taufwasser, als sie am ersten Augustsonntag 1929 dort getauft wurde, Aber dieser stand nicht auf Herrn Dr. Fiedlers Suchliste, und alle bisher gezählten 85 Taufengel in ostpreußischen Kirchen können wir ja nicht auflisten. Doch die beigefügte Abbildung des Aweyder Taufengels soll eine Ausnahme bilden, weil uns dazu Frau Helga Schneider einen aufschlussreichen Vorgang aus der heutigen Zeit schildert. Zuerst aber zu der Kirche von Aweyden, Kreis Sensburg, die das älteste Gotteshaus Masurens sein soll, als Gründungsjahr wird das Jahr 1437 genannt. Nach der Reformation entstand ab 1600 ein Kirchenneubau, der aber immer wieder durch Kriegswirren und Tatareneinfälle in Mitleidenschaft gezogen wurde. Als dann ruhige Zeiten einkehrten, erhielt die Kirche eine bedeutsame Bereicherung durch den großen Barockaltar mit seinen Schnitzereien und Bildwerken, der bis zum heutigen Tag erhalten geblieben ist. Wie der weiße Taufengel, der später hinzukam, aber inzwischen grell bunt bemalt wurde, was den heute erwachsenen Täuflingen aus der Zeit vor der sowjetischen Eroberung, die nun ihre Taufkirche besuchen, gar nicht gefällt. Frau Helga Schneider macht da keine Ausnahme. Im Jahr 2002 war sie mit ihrem Mann, Sohn und Schwiegertochter auf den Spuren ihrer Kindheit in Aweyden. Sie stammt von dem einst zu diesem Kirchspiel gehörenden Hofgut Wyludda und besitzt noch ausnehmend gut erhaltene Aufnahmen von ihrer Taufe und der anschließenden Feier auf dem Gut. Die heute katholische Kirche steht unter dem Schutz der Unesco. Trotzdem wurden von polnischer Seite gravierende Veränderungen vorgenommen, so auch die paradiesvogelbunte Bemalung des Taufengels. Frau Schneider schreibt über den Besuch in ihrer Taufkirche: „Es war ein Sonntag, und wir warteten am Vormittag den ersten Gottesdienst ab, ein zweiter sollte später folgen. Als die Kirche leer war, betraten wir das Gotteshaus und kamen zu meinem Taufengel, der mir jetzt so buntbemalt nicht mehr so gut gefiel, als plötzlich der polnische Pfarrer erschien und uns den Weg zur Türe wies. Ich erklärte ihm – natürlich auf Deutsch –,dass ich hier getauft worden bin und diesen Hort der Erinnerung meiner Familie zeigen wollte, was er mit einem kurzen ,Nicht verstehen‘ beantwortete. Das war natürlich für mich ein schmerzlicher Moment.“ Dass man so des Gotteshauses verwiesen wurde, unter dessen Schutz man die Taufe empfangen hatte, ist schon bitter. Sie waren noch einmal in ihrer Heimstadt, die „Kinder Königsbergs“, wie sie sich selber nennen, denn keine Institution trug zu ihrem Zusammenschluss bei. Wir haben schon oft über sie berichtet und sie auf ihrem Weg zur Selbstfindung begleitet, denn sie hatten keine Lobby. Sie waren das Strandgut des letzten Krieges, angespült an ein zerstörtes Ufer, das ihnen keinen Halt bot. Verwaist, hilflos und unversorgt sich selbst überlassen, starben Tausende von Kindern in den Ruinen Königsbergs an Hunger und Seuchen. Etwa 500 von ihnen überlebten und versuchten, als ihr Leben in ruhigere Bahnen verlief, diese unvorstellbar grausamen Kinderjahre zu verarbeiten. Erst spät fanden sie sich zusammen zu einer Schicksalsgemeinschaft und beschlossen, das Gedenken an die Kinder zu bewahren, die keine Chancen gehabt hatten, ein Leben in Freiheit und Frieden zu gewinnen. Für diese errichteten sie einen Gedenkstein im Garten der Propstei, der die Erinnerung an die so früh Verstorbenen wach halten soll. Dass dies auch außerhalb ihres Kreises anerkannt wird, konnten die „Kinder Königsbergs“ jetzt bei ihrem diesjährigen Aufenthalt in ihrer Geburtsstadt feststellen. Eine kleine Reise ohne festgelegtes Programm, aber für die drei Teilnehmerinnen Helga van de Loo, Hannelore Müller und Sigrid Klein wurde es ein erfüllter, groß- und einzigartiger Besuch in der geliebten Heimatstadt. Helga van de Loo berichtet für die Ostpreußische Familie über diese Heimkehr auf Zeit: „Eines stand für uns schon von vorneherein fest: der Gottesdienst-Besuch in der Evangelisch-Lutherischen Kirche (Propstei). Sehr bewegt und nachhaltig beeindruckt waren wir von der spontanen herzlichen wie heimatlichen Begrüßung, Aufnahme und Bewirtung. Hier allein fühlen wir inzwischen wohltuend Hort und Halt unserer Heimatstadt Königsberg. Erfreulich ist auch, dass unsere kleine Gedenkstätte, der Stein mit der Inschrift: ,Zum Gedenken der Kinder die von 1945–1948 ihr junges Leben verloren – die Überlebenden – Juni 2010‘, im gepflegten Garten mit vielen Blumen inzwischen von Gruppen und Einzelpersonen besucht wird. Man sieht es an den kleinen Aufmerksamkeiten wie an einer Bonbondose, einem kleinen Figürchen oder einem bunt bemalten Stein.“ Der Rosenstock, der neben dem Grabstein gepflanzt wurde, zeigte im Herbst noch rosa Blüten. Das mag tröstlich wirken, denn die drei Besucher fanden zwar auf ihren Fahrten und Wanderungen durch die Stadt tief im Gedächtnis verwurzelte Stellen und historische Wahrzeichen, aber ein wohliges heimatliches Gefühl wollte nicht aufkommen. Viele kleine flüchtige Begegnungen und Berührungen mit den jetzigen Bewohnern, ihre spontane Aufgeschlossenheit und Freundlichkeit milderten dann doch manchen traurigen Eindruck. Fazit von Frau van de Loo: „Auch über das große Leiden der Kinder Königsbergs in den Jahren 1945 bis 1948 wird interessiert, offen und sensibel gefragt und gesprochen. Rückblickend dominiert die gewonnene erfreuliche Feststellung darüber, dass viele der neuen Bewohner unserer Heimatstadt zu verstehen geben, dass sie sich der deutschen Vergangenheit, der Kultur, aber auch des großen Leides und der Vertreibung der Bevölkerung aus dieser Region bewusst sind und in Zukunft dieses Bewusstsein auch ausbauen, festigen und historisch ausweisen wollen. Das empfinden wir als Trost und Hoffnung.“ Eure Ruth Geede |
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