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© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-13 vom 23. November 2013
Im Auftrag des Herrn Am Tag des Herrn soll niemand arbeiten. Eine Ausnahme machten schon immer die Pfarrer, die auch beim Gottesdienst am Totensonntag wieder die richtigen Worte des Gedenkens finden müssen. Aber auch an den anderen Wochentagen sind sie nicht untätig. Arbeiten Pastoren nur am Sonntag? Das ist wohl eines der am meisten gepflegten Vorurteile über den Alltag von Priestern und Pastoren, das aber einen gewissen Hintergrund besitzt. Denn immerhin vier Millionen Deutsche besuchen jeden Sonntag einen katholischen oder evangelischen Gottesdienst. Damit ziehen die Geistlichen hierzulande mehr Besucher an als „König Fußball“ oder jede andere regelmäßige Veranstaltung. Wie aber gestaltet sich der Alltag von Pfarrern von Montag bis Sonnabend wirklich? Mal abgesehen davon, dass ein evangelischer Pfarrer in der Regel mit seiner Familie und der katholische Priester alleine in seinem Pfarrhaus wohnt, sind die Unterschiede in der Tätigkeit zwischen evangelisch und katholisch gar nicht so groß, wie viele denken. Einzigartig sei die Vielfältigkeit des Berufes, schwärmt Pfarrer Johannes Schultheiß aus Bad Heilbrunn. Wie in keinem anderen Beruf sei der Pastor als Lehrer und Manager, Seelsorger und Theologe, Beamter und Künstler gefordert. Das mache den Reiz aus, auch wenn die Arbeitsbedingungen hart seien. Eine richtige Trennung zwischen Beruf und Freizeit gäbe es nicht, und in seinem Dienstvertrag sind 55 Wochenstunden als Arbeitszeit vorgeschrieben. Oft genug fällt dann auch noch der Montag als „Pastoren-Sonntag“ aus, weil ein dringender Seelsorge- oder Trauerfall das Erscheinen des Seelsorgers notwendig mache. Unter dieser Dauerbelastung leidet oft genug die Familie. Die Frau oder der Mann des Pastors/ der Pastorin ist heute oft nicht mehr bereit, ehrenamtlich und mit voller Kraft in der Gemeinde mitzuarbeiten. Ein eigener Beruf wird ausgeübt, was logischerweise die Belastung im Pfarrhaus zusätzlich erhöht und heute zu einer überdurchschnittlich hohen Scheidungsrate evangelischer Pfarrer oder Bischöfe führt. Der katholische Zölibat, die Verpflichtung zur Ehelosigkeit, erscheint aus diesem Blickwinkel als durchaus sinnvolle Lebensform. Oft genug hat auch das im Fernsehen gepflegte Bild eines Pfarrers, der sich in den Nöten der Menschen auskennt, Zeit für ihre Sorgen aufbringt, wenig mit der Realität zu tun. Nicht nur der Gottesdienst am Sonntagmorgen erfordert viel Zeit, zumal wenn er im Team vorbereitet werden soll. Daneben gilt es Taufen, Konfirmationen, Trauungen, Trauerfeiern, Krabbel-, Kinder-, Jugend- und Familiengottesdienste zu gestalten. Egal, ob es einem Pfarrer liegt oder nicht: Eine Fülle von Verwaltungsaufgaben gehört zu seinen meist wenig geliebten Pflichten. Zusammen mit dem Kirchenvorstand sind Bauprojekte zu organisieren, Mitarbeiter für die Gemeinde oder den Kindergarten anzustellen oder zu entlassen, Statistiken abzuliefern und viele Büroarbeiten zu erledigen. Daneben müssen Schüler an staatlichen Schulen im Fach Religion ebenso wie Konfirmanden, Firm- oder Erstkommunionbewerber unterrichtet werden. Über den Erwartungsdruck, eine „eierlegende Wollmilchsau“ sein zu sollen, klagen viele Pfarrer und erleben über kurz oder lang einen Burn-Out. Kirchliche Krabbelgruppen erwarten den Pfarrer ebenso wie der wöchentliche Seniorenkreis. Bei runden Geburtstagen soll er oder sie erscheinen und besinnliche Worte beitragen. Ohne ein Heer von ehrenamtlichen Mitarbeitern, die dann Hausbesuche machen oder bei Bibel- und Kindergruppen mitarbeiten, kann heute kein Pfarrer mehr diese vielfältigen Aufgaben meistern. Gleichzeitig wollen diese Ehrenamtlichen aber ausgebildet, begleitet und zum Engagement ermutigt werden. Wehe der Pastor erscheint nicht zu einem Geburtstag oder sonstigem Fest in der Familie. Gerade in kleineren Städten und Dörfern steht der Pfarrer zudem unter einer hohen Sozialkontrolle. Sein Wort hat zwar Gewicht; er wird qua Amt geschätzt, aber so leicht kann er sich nicht zurückziehen. Bei Vereinstreffen oder Zusammenkünften der freiwilligen Feuerwehr oder des Karnevalsvereins sollte er mitmachen, will er ein Wörtchen mitreden. Schließlich hören ihm bei bestimmten Gelegenheiten wie einer Beerdigung auch viele Menschen zu. Spannend klingt es, Menschen „von der Wiege bis zur Bahre“ zu begleiten. Attraktiv ist der Pfarrerberuf für viele heute allerdings oftmals nicht mehr. Die Zahl der Gemeindemitglieder sinkt durch Kirchenaustritte und der demografischen Entwicklung. Pfarrgemeinden werden zusammengelegt, wodurch Verwaltungsaufgaben zunehemen. Zudem fragen sich viele evangelische Pastoren, die in Nord- oder Ostdeutschland nur noch vor zehn oder 20 Gläubigen predigen, warum sie dafür mindestens sechs Jahre Theologie studiert haben. Die Zahl der Studenten von evangelischer oder katholischer Theologie mit dem Endziel Pfarrer sinkt daher trotz der beschriebenen Vielseitigkeit des Pfarrerberufes und seines nach wie vor recht hohen gesellschaftlichen Ansehens seit Jahren kontinuierlich. Hinrich B. Bues |
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